Seit es Menschen gibt, konsumieren sie Drogen und vermutlich ist die Diskussion darum, wie man mit Drogen umgehen soll, genauso alt wie der Umgang mit ihnen. Unter gesundheitlichem Blickwinkel wurde vermutlich zuerst über Kaffee und Alkohol intensiv diskutiert. Bei der Alkoholprohibition, die nicht nur gängige Praxis in manchen islamischen Ländern ist, sondern bekanntlich auch in westlichen Ländern immer wieder auf der Agenda der Politik stand, sind und waren allerdings eher moralische, finanzpolitische und kriminalpolitische Motive ausschlaggebend. Diese spielen auch umgekehrt in Debatten um die Legalisierung illegaler Drogen heute eine wichtige Rolle.
Gesundheitliche Argumente werden ebenfalls vorgebracht, je nach Droge mehr oder weniger, und sie gewinnen spätestens bei der Regulierung eines legalisierten Drogenkonsums an Gewicht, etwa wenn es um Jugendschutz, Verkaufsstellen oder die Werbung geht.
Daten
Die legalen Drogen Tabak und Alkohol werden am häufigsten konsumiert. Dem Epidemiologischen Suchtsurvey zufolge, einer repräsentativen Befragung der Erwachsenen, raucht fast ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland – ca. 15 Mio. Personen, und fast drei Viertel trinken Alkohol – ca. 37 Mio. Personen (bezogen auf einen 30-Tage-Zeitraum). Unter den illegalen Drogen steht Cannabis an der Spitze, mit gut 3 Mio. Konsumenten (bezogen auf einen 12-Monatszeitraum).
Dementsprechend häufig geraten Cannabiskonsumenten auch in die Mühlen der Justiz. Für das Jahr 2016 weist die Polizeiliche Kriminalstatistik fast 180.000 „Rauschgiftdelikte“ im Zusammenhang mit Cannabis aus, deutlich mehr als bei allen anderen illegalen Drogen zusammen, Tendenz steigend.
Bevölkerungsmedizinisch haben die beiden legalen Drogen Tabak und Alkohol in Deutschland die gravierendsten Folgen. Man schätzt, dass der Tabakkonsum für ca. 120.000 vorzeitige Sterbefälle jährlich verantwortlich ist, zudem für eine Vielzahl akuter und chronischer Erkrankungen. Beim Alkoholkonsum sieht es nicht viel besser aus, man geht von 40.000 bis 70.000 vorzeitigen Sterbefällen durch Alkohol aus, auch hier einhergehend mit vielen Krankheiten einschließlich mehrerer Millionen Alkoholabhängiger. Im Epidemiologischen Suchtsurvey werden unter der Kategorie „klinisch relevanter Konsum“ mit verschiedenen Screeninginstrumenten Abhängigkeitssymptome und andere problematische Konsumfolgen erfasst. Einmal dahingestellt, wie gut das Konstrukt ist, die Daten geben auf jeden Fall einen Hinweis darauf, dass auch der Cannabiskonsum nicht nur in Einzelfällen negative Folgen hat: ca. 600.000 Erwachsene fallen unter diese Kategorie.
Wie ist angesichts dieser Daten das Verbot des Cannabiskonsums zu beurteilen? Anders als in den Zeiten der Hippies und ihrer „Make-love-not-war“-Kifferkultur weiß man heute, dass auch Cannabis kein harmloses Genussmittel ist, es ist aber wohl bei Erwachsenen nicht mit größeren Risiken verbunden als Tabak und Alkohol. Trotzdem gilt das eine als kriminell, das andere als kulturelle Tradition.
Freiheit
Wir leben in einer liberalen Gesellschaft. Warum also nicht das „Recht auf Rausch“ respektieren und zumindest Cannabis, vielleicht auch andere Drogen, legalisieren? Schließlich soll der Staat die freie Entscheidung der Menschen nicht unnötig einschränken. Als Einschränkung wird weitgehend akzeptiert, dass die eigene Freiheit dort endet, wo die der Anderen beginnt – oder wo andere geschädigt werden. Damit werden z.B. Rauchverbote in öffentlichen Räumen begründet oder der Jugendschutz bei Tabak und Alkohol. Die gesundheitlichen Folgekosten des Alkohol- und Tabakkonsums werden dagegen bisher solidarisch getragen, wie die des übermäßigen Schweinebratenkonsums oder des Drachenfliegens. Man ordnet das den Risiken des Alltags zu und bringt das Verursacherprinzip hier nicht zur Geltung.
Sollte man bei Cannabis auch so verfahren? Oder müsste man das Prinzip der freien Entscheidung dann, wenn man sich von der Tradition akzeptierter Drogen wegbewegt, konsequenter fassen. Sollen also die Konsumenten für die Folgen ihrer freien Entscheidung auch selbst einstehen und z.B. eine extra Risikoversicherung abschließen? Oder sollte man zumindest die Hersteller haftbar machen, sie schädigen ja Dritte? Wenn man die Herstellung mit Blick auf die Folgeschäden ganz verbieten würde, wäre man dann auf der Angebotsseite wieder bei der Prohibition.
Schutz trotz Freiheit
Auch wenn man der freien Entscheidung des Einzelnen einen hohen Stellenwert zumisst, stellt sich die Frage, ob der Staat nicht manchmal gut daran tut, Menschen vor sich selbst zu schützen. Die meisten Befürworter einer Cannabislegalisierung plädieren für eine regulierte Freigabe des Konsums. Minderjährige sollen beispielsweise Cannabis nicht kaufen und konsumieren dürfen. Das Argument ist auch hier eher pragmatischer Natur, denn müssten z.B. Menschen mit einer schon bestehenden Abhängigkeitserkrankung nicht auch geschützt werden? Oder solche, die mit Cannabis nur ihre psychischen Probleme lösen wollen? Und wo wäre die gut begründete Altersgrenze? Bei 14, 16, 18 oder 21? Und sollte es eine zweite Grenze bei den Hochaltrigen geben, weil hier mit dem Alter die Demenzraten zunehmen und die Entscheidungsfähigkeit vielleicht wie bei Kindern eingeschränkt ist? Pragmatisch gesehen könnte man das verneinen, weil der Drogenkonsum mit dem Alter sehr stark zurückgeht. Stattdessen müsste man hier vielleicht eher den Medikamentenmissbrauch besser kontrollieren.
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