Die Positionen von Harald Walach waren hier auf Gesundheits-Check schon öfter Thema. Über manche seiner akademischen Holzwege muss man nicht weiter diskutieren, anderes von ihm ist weniger abwegig und in Sachen Homöopathie schreibt er zumindest oft so, dass man sich trotz anderer Position mit seinen Thesen auseinandersetzen kann, ohne Gefahr zu laufen, dabei selbst der Verdünnung jedweden argumentativen Gehalts zum Opfer zu fallen.
Walach hat jetzt zur Homöopathie eine Serie „Die populärsten Irrtümer“ begonnen. Im ersten Beitrag geht es vor allem um das Therapieprinzip der Homöopathie. Dass man nicht wisse, wie die Homöopathie wirke und dass auch sein eigener Erklärungsversuch mit der „verallgemeinerten Quantentheorie“ nicht wirklich weiterhilft, räumt er freimütig ein. Das machen zwar aus taktischen Gründen auch hartgesottene Lobbyisten, aber ich kann nicht in seinen Kopf schauen, vielleicht ist es ihm ja ernst damit.
Wogegen er sich wehrt, ist die Argumentation der Homöopathiekritik, das Ähnlichkeitsprinzip, das Prinzip der Potenzierung und das Individualisierungsprinzip seien wissenschaftlich nicht bewiesen, während die therapeutischen Prinzipien der konventionellen Medizin als rational ableitbar und belegt hingestellt würden.
Ich weiß nicht, was genau mit den „therapeutischen Prinzipien der konventionellen Medizin“ gemeint ist, ich weiß auch nicht, ob man über Prinzipien überhaupt dergestalt sprechen kann, dass sie als belegt oder nicht belegt gelten – je nachdem, wie man den Begriff konkret fasst, haben Prinzipien ja eher methodologisch-normativen Charakter und nicht epistemisch-deskriptiven. Aber das sei einmal dahingestellt, ich will hier nicht in eine Diskussion über seinen Argumentationsgang insgesamt einsteigen, sondern nur kurz eine Anmerkung zu seinen Ausführungen zum Ähnlichkeitsprinzip machen.
Walach schreibt, das Ähnlichkeitsprinzip gäbe es in der konventionellen Medizin auch und verweist auf Desensibilisierungsbehandlungen bei Allergien: „In der Allergologie wird etwa damit gearbeitet, dass Substanzen, die eine Allergie verursachen, in absteigender Verdünnungsreihe als Medikamente verabreicht werden.“
Daran schließen sich zwei Fragen an: Wenn man davon ausgeht, dass hier ausnahmsweise mit Ähnlichem geheilt wird, kann man dann überhaupt von der Anwendung eines Prinzips sprechen? Ein Prinzip sollte sich ja nicht nur im Ausnahmefall zeigen. Und weiter: Geht es bei der Desensibilisierung um „Ähnlichkeit“ im Sinne der Homöopathie, oder um eine Anwendung des Gleichen zum Zwecke einer Gewöhnung des Organismus an eine Exposition? Mir scheint, das sind zwei paar Dinge. Würde man bei Gesunden kleine Dosen der allergisierenden Stoffe anwenden, würden sie auch nicht die Symptome wie bei den Erkrankten hervorrufen, sondern gar keine. Es sei denn, die Allergene sind so potent, dass sie auch in niedriger Dosierung zur Erkrankung führen. Beides entspricht nicht der homöopathischen Arzneimittelprüfung.
Vielleicht auch von Interesse: Vor kurzem hatte ich hier über eine Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing zum Menschenbild in der Medizin berichtet. Der – keineswegs homöopathiekritische – Medizinhistoriker Heinz Schott hat dort darauf hingewiesen, dass die Homöopathie mit Blick auf das Ähnlichkeitsprinzip nicht zur Naturheilkunde gehöre, denn die würde dezidiert durch Gegensätzliches heilen. Der Wadenwickel bei Fieber ist kalt und soll dem Körper Wärme entziehen, man macht ihn nicht heiß. Man kann jetzt natürlich fragen, wie es mit Schwitzkuren bei Fieber aussieht. Wird hier nicht wirklich nach dem Simile-Prinzip geheilt? Das mag sein, aber dann darf man auch zurückfragen, ob das Fieber denn die Krankheit ist, die geheilt werden soll, oder ob man mit der Schwitzkur nur eine Heilungsreaktion des Körpers auf eine ganz andere Krankheit, nämlich eine Infektion, verstärkt. Ist das also ein Fall von „Ähnliches mit Ähnlichem“ heilen?
Walach nennt neben den Allergien ein zweites Beispiel: „Man kann auch die Psychotherapie als eine Anwendung des Ähnlichkeitsprinzips verstehen, zumindest bestimmte Formen: Der Krankheitsauslöser wird in veränderter Form präsentiert – durch Verstehen, durch Imagination, durch sprachliche Verarbeitung aufbereitet.“ In dem Fall scheint er mir das „Ähnliche“ doch etwas zu sehr zu verallgemeinern. Nach dieser Logik könnte man jede von Menschen verursachte Erkrankung, die geheilt wird, als Heilung nach dem Ähnlichkeitsprinzip ansehen: Ein Tun wird mit einem anderen Tun geheilt. Prinzipien dieser Art sind nichts wert, weil sie so gut wie alles „erklären“ (also nichts). Dass alles zwei Seiten hat und auf Regen auch wieder Sonnenschein folgt, mag man als „Prinzipien“ ansehen, in konkreten Lebenssituationen Fall lässt sich mit solchen gern erteilten Ratschlägen aber meist wenig anfangen. Zudem unterstellt Walach mit seinem Ähnlichkeitsprinzip in der Psychotherapie eine Ätiologie psychischer Störungen, die zu diskutieren ein Thema für sich wäre.
Walach kommt dann im zweiten Teil seines Beitrags darauf zu sprechen, dass es in der konventionellen Medizin oft falsche oder unzureichende Erklärungsmodelle für Krankheiten gibt, er bringt als Beispiele die Serotoninhypothese bei den Depressionen und die Amyloidhypothese bei der Demenz. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen, aber daraus folgt auch nichts an Argument pro Homöopathie.
Am Ende verallgemeinert Walach auch hier wieder zu sehr, weil daraus einen Rundumschlag gegen ein vermeintliches Versagen der konventionellen Medizin machen will. Dazu schreibt er dann z.B. von der „mangelnde(n) Wirksamkeit pharmakologischer Ansätze bei der Schmerztherapie“ oder von der „Tatsache, dass die Krebsinzidenz steigt“. Dabei gibt es in der Schmerztherapie viele gut wirksame Mittel – zum Glück für die Palliativmedizin bei manchen Krebserkrankungen, und dass die Krebsinzidenz steigt, stimmt zumindest für Deutschland nicht, wie Daten des Robert Koch-Instituts zeigen.
Dass Krebs immer häufiger wird und daran die Umwelt schuld ist, das ist jedenfalls wirklich einer der populärsten Irrtümer, mit dem manche auch noch ein Geschäft machen, aber das ist eine andere Geschichte und das hatten wir ja erst.
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