Wer kennt ihn nicht, den Shakespeare-Satz, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als sich unsere Schulweisheit träumen lässt. Das ist so, gar keine Frage. Fragen sollte man sich aber, ob es deswegen vernünftig ist, an Elfen, Marsmenschen oder den Pumuckl zu glauben.
Wilhelm von Ockham hat schon vor 700 Jahren die Einsicht gehabt, dass man zur Erklärung der Welt nicht mehr annehmen, nicht mehr in die Welt setzen soll, als nötig. Als „Occams Razor“ ist das zu einem erkenntnistheoretischen Prinzip geronnen, das bis heute Anerkennung findet – natürlich mit Arabesken kritischer Anmerkungen in der Philosophie, wie so vieles.
Ein 700 Jahre alter Lehrsatz, wobei der Grundgedanke sicher noch viel älter ist, das hat doch was. In manchen Kreisen würde man das als „uraltes Wissen“ wertschätzen. In diesen gewöhnlich nicht sehr gut informierten Kreisen hängt man aber meist lieber an Shakespeares Satz.
Bertrand Russel hat Ockhams Einsicht vor 100 Jahren mit einem inzwischen ebenfalls berühmten Bild aus dem britischen Haushaltswarensortiment veranschaulicht und mit der Belegbarkeit von Behauptungen verbunden: Wer zur Erklärung der Welt einen Gott anführt, der sich unseren empirischen Nachweismethoden grundsätzlich entzieht, der kann genauso gut mit einem Teekesselchen argumentieren, das für unsere (also die damaligen) Teleskope unsichtbar zwischen Erde und Mars um die Sonne kreist.
Jetzt hat das Helmholtz-Zentrum den IQWIG-Chef Jürgen Windeler, zu dessen Jobbeschreibung der Zweifel an allen leichtfertigen Behauptungen der Pharmaindustrie gehört, mit diesem schönen Satz zitiert, an dem sich zu Recht auch die Skeptiker nebenan erfreuen: „Homöopathie zu untersuchen, das ist vor dem Hintergrund unseres heutigen Wissens fast so, als wollte man sicherstellen, dass sich hinter dem Mond kein Pumuckl versteckt“. Oder ein Teekesselchen, Obamas Geburtsurkunde, eine Packung preisreduzierter Globuli. Wie es euch gefällt.
Ockhams Prinzip ist ein Prinzip, eine erkenntnistheoretische Richtschnur. Das ist etwas anderes als eine empirische Aussage, die man an der Wirklichkeit testen und im besten Fall widerlegen kann. Ein solches Prinzip hilft, mit Aussagen über die Beschaffenheit der Welt vernünftig umzugehen, ist aber selbst keine Aussage über die Beschaffenheit der Welt. Shakespeare kann man damit nicht widerlegen, aber man kann damit fragen, was vernünftig ist und was nicht. Das ist heute wie früher nicht ganz unwichtig.
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