Medienmeldungen zufolge gibt es einen ersten Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für eine Masern-Impfpflicht.*
Die Masernimpfung vor Kita und Schule soll demnach künftig nachgewiesen werden. Ohne Impfung soll kein Kita-Besuch mehr möglich sein, offensichtlich wird der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz dementsprechend eingeschränkt. Bei der Schule sei der Ausschluss nicht möglich. Aber die Impfverweigerung solle künftig mit Geldbußen bis 2.500 Euro belegt werden. Unklar ist, was danach droht, denn überzeugte Impfgegner werden vermutlich nicht selten die 2.500 Euro aufbringen oder durch alle Instanzen gegen den Bußgeldbescheid klagen. Ärzte, die ihnen bescheinigen, dass ihr Kind nicht geimpft werden könne, wird es zudem geben.
Für Kinder, die schon in einer Betreuungseinrichtung oder in der Schule sind, ist der Nachweis bis 31. Juli 2020 zu erbringen. Die Impfpflicht soll auch für Erzieher/innen, Lehrer/innen und medizinisches Personal gelten. Zum 1. März 2020 soll das Gesetz in Kraft treten.
Wenn das Gesetz, wie es scheint, die Impfpflicht auf die Masern begrenzt, stellt sich die Frage nach der Verfügbarkeit eines Einzelimpfstoffs oder der Zulässigkeit einer indirekt mit der Masernimpfpflicht einhergehenden Impfpflicht auch für Mumps und Röteln. Für die verfassungsrechtliche Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Impfpflicht kann das wichtig werden, je nachdem, welche Sanktionen das Gesetz über die 2.500 Euro hinaus vorsieht, wenn Eltern ihre Kinder trotzdem nicht impfen lassen.
Spahn zufolge sei auch der Öffentliche Gesundheitsdienst gefragt: „Er könnte an Schulen und Kitas Impfungen anbieten”, so Spahn. Vermutlich hat Spahn hier bewusst im Konjunktiv formuliert. Falls den Gesundheitsämtern eine solche Aufgabe im Gesetz verbindlich übertragen wird, muss das Gesetz nicht nur durch den Bundesrat, es würde dann aufgrund des Konnexitätsprinzips auch finanzielle Folgen auslösen. Die Gesundheitsämter sollen zudem auch die Bußgelder verhängen. Damit werden sie wieder mehr in die Rolle einer Gesundheitspolizei gedrängt, was ihnen die Arbeit in anderen Bereichen erschweren könnte, in denen sie eher beratend und vernetzend tätig sind, z.B. in der Umsetzung des Präventionsgesetzes.
Auf ungeteilte Freude dürfte das schnelle Handeln Spahns jedenfalls im Gesundheitsministerium in Brandenburg stoßen, dort kann man sich jetzt das Kopfzerbrechen darüber, wie der Landtagsauftrag zur Einführung einer Masernimpfpflicht umzusetzen ist, ein Stück weit sparen.
Manche offene Frage wird man erst diskutieren können, wenn man den Gesetzentwurf selbst sieht. Auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums war der Gesetzentwurf heute noch nicht abrufbar.
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* Nachtrag:
Jetzt liegt mir der Gesetzentwurf ebenfalls vor:
• Der „Entwurf eines Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz)“ schreibt mit Änderungen im Infektionsschutzgesetz sowie im SGB V eine Masernimpfpflicht vor. Sie gilt explizit auch, wenn nur Kombinationsimpfstoffe verfügbar sind.
• Zielgruppe sind Kinder Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden sowie das Personal in Betreuungseinrichtungen und in medizinischen Einrichtungen mit Patientenkontakt.
• Die Aufnahme nicht schulpflichtiger Kinder in eine Betreuungseinrichtung darf nur mit Vorlage einer Impfbescheinigung (bzw. der Bescheinigung über eine Kontraindikation) erfolgen, aber das zuständige Gesundheitsamt kann Ausnahmen festlegen. Eine Änderung des sozialrechtlichen Anspruchs auf einen Kita-Platz habe ich nicht gefunden.
• Der Impfnachweis bei den Kindern ist gegenüber der Leitung der Einrichtung zu erbringen. Bei Nichtvorlage wird umgehend das Gesundheitsamt benachrichtigt. Das Gesundheitsamt entscheidet über die Maßnahmen zur Durchsetzung der Impfpflicht (dazu kann analog zur Sanktionierung der verweigerten – bereits bestehenden – Impfberatungspflicht die Verhängung eines Bußgelds bis 2.500 Euro gehören).
• Der ÖGD soll im Rahmen seiner Vollzugsaufgaben ggf. an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen werden – datenschutztechnisch vermutlich eine Herausforderung ganz eigener Art.
• Impfen dürfen künftig alle Ärzte.
[Edit 6.5.2019: Nachtrag an mehreren Stellen präzisiert, JK]
Nachtrag zum Nachtrag:
Es lohnt sich, den Gesetzentwurf im Detail zu studieren. Bei der Zielgruppe der Personen in Betreuungseinrichtungen präzisiert die Gesetzesbegründung, wer damit gemeint ist: Personen in “Kinderkrippen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Kinderhorten, Schulen oder sonstigen Ausbildungseinrichtungen, Heimen, Ferienlagern und ähnlichen Einrichtungen”. Demnach sind, so lese ich das, auch Jugendliche in Berufsschulen und Universitäten (?) einbezogen, also eine Gruppe, die noch größere Impflücken aufweist. Das wäre immerhin ein sinnvolles Ziel.
Nachtrag zum nachgetragenen Nachtrag:
Die Hochschulen sind durch den Bezug auf § 33 IfSG möglicherweise doch nicht einbezogen. In den bayerischen Vollzugsvorschriften zu § 33 IfSG heißt es beispielsweise: “Nicht zu den Schulen im Sinn des § 33 IfSG zählen die Hochschulen im Sinn des Art. 1 des Bayerischen Hochschulgesetzes, die Staatsinstitute für die Ausbildung von Fachlehrern, die Fachschulen, Berufsoberschulen, Fachakademien, Abendrealschulen, Abendgymnasien und Kollegs (Institute zur Erlangung der Hochschulreife), Volkshochschulen, die Lehrgänge der Bayerischen Verwaltungsschule sowie sonstige Lehrgänge (z.B. Kurse des Bayerischen Jugendwerks, Sing- und Musikschulen, Fahrschulen, Skischulen) und Einrichtungen, an denen Privatunterricht erteilt wird.”
Fortsetzung folgt.
Nachtrag 16.5.2019:
Vielleicht auch von Interesse, aus der Gesetzesbegründung: “Die Ansprüche auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege nach § 24 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) werden insofern hinsichtlich der Förderung in Tageseinrichtungen aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit unter eine Bedingung gestellt.”
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