In manchen Kreisen wird immer wieder behauptet, es gäbe gar keinen Anstieg der Corona-Fallzahlen. Die Testzahlen würden steigen und daher sei es nur logisch, dass es mehr positiv Getestete gäbe. Wenn zusätzlich noch ins Feld geführt wird, die Zahl der positiven Tests würden sich im statistischen Rauschen der Falschpositivenrate bewegen, es gäbe also sowieso gar keine Infektionsfälle mehr, ist der Mythos von der erfundenen Epidemie perfekt.
Natürlich steigt mit zunehmender Testzahl ceteris paribus die Wahrscheinlichkeit, mehr positive Befunde zu bekommen. Darum testet man ja: um möglichst viele Infektionen zu finden und zu verhindern, dass davon weitere Ansteckungen ausgehen. Und natürlich ist kein Test ganz perfekt und es gibt falschpositive Befunde, die man nicht mitzählen dürfte. Aber das reicht nicht für die Schlussfolgerung „da ist nichts“. Dagegen spricht z.B., dass die Fallzahlen im Frühsommer trotz stark steigender Testzahlen rückläufig waren, dass bei großen Testreihen oft gar keine positiven Befunde anfallen, also auch nicht die angeblich so zahlreichen Falschpositiven, und dagegen spricht auch, dass positiv Getestete oft Teil von gut nachvollziehbaren Infektionsketten sind.
Jetzt haben Münchner Statistiker einmal durchgerechnet, wie der Trend der Fallzahlen in Bayern aussieht, wenn man unterschiedliche Testqualitäten zugrunde legt, insbesondere, was bei unterschiedlichen Falschpositivenraten herauskommt. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der täglichen Fallzahlen in Bayern für Falschpositivenraten von 0,1 %, 0,3 % und 0,5 %. Damit bewegt man sich in Qualitätsbereichen, in denen die Labore derzeit arbeiten. Bei allen drei Varianten zeigt sich ein steigender Trend der Fallzahlen.
Heute ist noch eine zweite interessante Publikation erschienen. Das Robert Koch-Institut hat ein Review von Studien zur Wirksamkeit von Maßnahmen veröffentlicht: von internationalen Reisekontrollen über Anforderungen zum Tragen von Masken oder der Schließung von Schulen, Testrichtlinien, Richtlinien zur Ermittlung von Kontaktpersonen, Schließung von Arbeitsplätzen bis hin zu Beschränkungen für Versammlungen. Das RKI hat die Studien in einer Tabelle kurz charakterisiert, so dass man sich schnell einen ersten Überblick verschaffen kann. Um zu prüfen, was man aus den Studien für die Wirksamkeit der verschiedenen Maßnahmen wirklich ableiten kann, müsste man sich die einzelnen Studien ansehen. Aber immerhin: es gibt die Studien und es sind nicht wenige. Neben dem Mythos „da ist nichts“ hat sich jetzt auch der Mythos „es gibt keine Evidenz zur Wirksamkeit der Maßnahmen“ an noch etwas mehr Material abzuarbeiten.
Eine dritte Studie, auf die mich ein Kollege hingewiesen hat, wirft eher Fragen der besonderen Art auf. Sie hat u.a. untersucht, ob Hydroxychloroquin „the transmission“, also die Übertragung, von SARS-Cov-2 reduziert. Ob das im Zusammenhang mit den Hydroxychloroquin-Mythen, sei es dem Trumps („ein tolles Mittel“), sei es dem Wodargs („erklärt die Coronatoten“) weiterhilft, muss hier offen bleiben. Ich fürchte, selbst eine fränkische Bratwurst reduziert die Übertragungsraten nur unwesentlich, aber im RKI-Review habe ich dazu nichts gefunden.
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