Nikolaus Piper, die neoliberale Edelfeder der Süddeutschen Zeitung, warnt in der heutigen Ausgabe vor einer Vermögensabgabe zur Refinanzierung der Pandemiefolgen.
Die Pandemie hat die Wirtschaft schwer getroffen, nach den zuletzt veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes fast so schwer wie die Finanzkrise vor gut 10 Jahren. Zur Schadensbegrenzung hat der Staat viel Geld in die Hand genommen, sehr viel Geld. Die schwarze Null, der heilige Gral der staatsausgabenbegrenzenden Finanzpolitik, ist vorläufig Geschichte. In die Diskussion, ob der Staat die Schulden, die jetzt gemacht wurden, wirklich nach Art der schwäbischen Hausfrau zurückzahlen muss, damit eines fernen Tages wieder ein kleines Guthaben auf dem Sparbuch ist, und falls ja, wie, oder ob es reicht, dass er seinen Schuldendienst vernünftig organisiert, will ich nicht einsteigen. Ich bin kein Ökonom. Ich bin Leser der Süddeutschen Zeitung und freue mich, dort im Feuilleton gut unterhalten zu werden.
Nikolaus Piper hat einen Albtraum: Schuldenabbau durch eine Vermögensabgabe der Reichen. Dass das nicht infrage kommt, dagegen schreibt er mit der ganzen Glut seines Herzens an.
„Eigentlich sollten auch die historischen Vorläufer misstrauisch machen (…). Etwa der ‚Wehrbeitrag‘ von 1913, der die Aufrüstung des Deutschen Reiches mitfinanzierte – kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieg(s).“
In der Hinsicht könnte man ihn vielleicht beruhigen, dass er nur schlecht geträumt hat. Selbst wenn Armin Laschet, der neue CDU-Chef, Bundeskanzler werden sollte, einen Weltkrieg wird er gewiss nicht anzetteln. Der ist schon zufrieden, wenn der Kölner Karneval wieder gefeiert werden kann. Die Argumentation mit den historischen Vorläufern setzt Piper dann mit dem gescheiterten „Reichsnotopfer“ 1919 fort, um einen fulminanten Schlussakkord zu setzen:
„Ein Erfolg immerhin war der Lastenausgleich von 1952, bei dem Vermögende in Westdeutschland einen Schadensausgleich an früher vermögende Flüchtlinge und Vertriebene finanzierten.“
Auch wenn man das „früher vermögende“ statt der „Flüchtlinge“ betont, erschließt sich die Logik des Gedankens von den abschreckenden historischen Beispielen nicht wirklich. Aber egal, man weiß ja, was er meint: Finger weg vom Geld der Reichen, das wäre ungerecht. Obwohl, eigentlich weiß man gar nicht, was gerecht ist:
„‘Gerechtigkeit“ und ‚gerecht‘ werden heutzutage inflationär gebraucht. Es gibt die soziale Gerechtigkeit, die Geschlechtergerechtigkeit und die gerechte Sprache.“
Ein Beispiel für die „gerechte Sprache“ hätte mir an der Stelle geholfen, auch, was das mit einer Vermögensabgabe zu tun hat, aber vermutlich kommt es auf etwas ganz anderes an, auf die Pandemieabhängigkeit des Gerechtigkeitsbegriffs unter besonderer Berücksichtigung der Pflegekräfte:
„In der Pandemie zeigt sich, wie unscharf der Gebrauch dieser Begriffe ist. Kann man definieren, wo der gerechte Lohn für all die Menschen liegt, die derzeit in den Krankenhäusern Übermenschliches leisten – jenseits der Feststellung, dass sie mehr verdienen sollten als heute?“
Piper gibt darauf keine wirtschaftswissenschaftliche Antwort, er meint das natürlich rhetorisch, wir sind schließlich im Feuilleton und nicht im Wirtschaftsteil. Hier lautet die Antwort „nein“ und darum muss man auch nicht ernsthaft über Lohnerhöhungen nachdenken. Kostet eh nur Geld, und auch noch das der Arbeitgeber. Obwohl er einräumt, dass die nicht alle arm sind:
„Zweifellos sind die Vermögen der Reichen und Superreichen gewachsen, weltweit und auch in Deutschland. Nach dem Milliardärsreport der Schweizer Großbank UBS und der Unternehmensberatung PwC wurden die deutschen Dollarmilliardäre von März 2019 bis Juli 2020 um 95 Milliarden Dollar reicher.“
Die Frage, ob man definieren kann, wie viel Milliarden Vermögen im Vergleich mit dem Einkommen einer Pflegekraft gerecht sind, stellt Piper nicht, denn es ist ganz klar:
Die Ungerechtigkeit „(…) liegt aber nicht darin, dass Jeff Bezos der reichste Mann der Welt ist, sondern sie liegt darin, dass Amazon keine oder nur sehr wenig Steuern zahlt.“
Davon abgesehen, dass das eine irgendwie mit dem anderen zusammenhängen könnte, liegt an der Stelle ein Konsens nahe. Sollte man also die Reichen entsprechend besteuern? Man könnte es ja statt Vermögensabgabe Vermögensteuer nennen? Piper schlägt internationale Absprachen zur Besteuerung der Tech-Konzerne vor. Merkwürdig, warum es die nicht gibt, das Problem ist ja nicht neu. Aber bevor man da noch etwas Unziemliches unterstellt und Nikolaus Piper wieder albträumt: Man muss die Sache vom tiefsten Grund her denken, sozusagen fundamentalökonomisch, wenn man verstehen will, wo das Problem wirklich liegt:
„Das Problem ist in den meisten Ländern nicht, dass einige Leute zu viel Vermögen haben, sondern dass sehr viele über keines verfügen.“
Wenn wir alle reich wären, wäre niemand arm. Wer dagegen ein Argument hat, möge es vorbringen!
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