Friedrich Merz gilt als der Wirtschaftsfachmann der Union. Ob sie auch eine Wirtschaftsfachfrau haben, weiß ich nicht. Jedenfalls ist klar: Ein Mann, der bei einem Vermögensverwalter wie BlackRock Millionen und Milliarden bewegt hat – so einer muss etwas von Wirtschaft verstehen. Kein Zweifel, dass neben seinen Fans auch er selbst das so sieht.
Andere haben da durchaus Zweifel. Die Süddeutsche Zeitung schreibt beispielsweise heute, Merz habe auf Twitter vor weiterer Verschuldung gewarnt, da Deutschland und die EU in der „Liquiditätsfalle“ angekommen seien. In den sozialen Medien herrsche darüber Belustigung. Die Süddeutsche zitiert dazu auch mehrere Wirtschaftswissenschaftler (ohne -innen), darunter Peter Bofinger mit den Worten, der „Zusammenhang zwischen den Staatsschulden und der Liquiditätsfalle sei praktisch Null. Dass Merz so etwas twittere, könnte drei Gründe haben (…): Vielleicht habe sein Professor es in der Vorlesung nicht richtig erklärt. Oder Merz habe nicht aufgepasst. Oder aber er wolle diesen Begriff unterbringen, um Kompetenz herauszustellen.“ Genauso hart der Kommentar des Ökonomen Rüdiger Bachmann: Eine expansive Fiskalpolitik sei in der gegenwärtigen Situation „das Gebot der Stunde“ und ihn „ärgere, dass Merz eine Kompetenz simuliert, die er nicht hat.“
Ich bin kein Wirtschaftsexperte, aber der Wikipedia-Eintrag zur „Liquiditätsfalle“ liest sich in der Tat nicht so, als ob Merz vor seinem tweet ein Lehrbuch der Makroökonomie konsultiert hat. Vielleicht dachte er hier eher wie die schwäbische Hausfrau. Oder er möchte auf eine künftige Sparpolitik einstimmen. Die würde nach Merz sicher so aussehen: keine Steuererhöhungen, weniger Sozialausgaben, keine Belastung der Besserverdiener.
Wie dem auch sei. Genüsslich schiebt die Süddeutsche noch nach, dass Merz schon öfter mit wirtschaftswissenschaftlich zweifelhaften Ratschlägen aufgefallen sei, vor einem Jahr z.B. mit dem Hinweis, man dürfe Fleisch nicht zu teuer machen, weil Lebensmittel eine geringe Preiselastizität haben. Da hätte er nun wirklich einmal überlegen sollen, was er sagt.
Wirtschaftspolitiker/innen, die keine Ahnung haben, aber glauben, sie zu haben, haben möglicherweise noch etwas anderes: ein erhöhtes Risiko, dem Dunning-Kruger-Effekt zum Opfer zu fallen. Die anderen lassen sich vielleicht doch eher von Expert/innen beraten.
Ich lasse mich natürlich auch gerne beraten, z.B. wenn jemand meint, Merz habe Recht, oder er sei ungeachtet solcher Abweichungen von der Schul-Ökonomie der Ökonom der Herzen, oder man solle einen einfachen Angehörigen der gehobenen Mittelschicht nicht so polemisch angehen.
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