Die sog. „Impfdurchbrüche“ sind seit einiger Zeit in der öffentlichen Diskussion recht präsent, weil es immer mehr geworden sind. Als Impfdurchbruch wird in Deutschland eine symptomatische Infektion bei vollständigem Impfschutz gezählt. Das RKI definiert:
„Definition wahrscheinlicher Impfdurchbruch:
Ein wahrscheinlicher Impfdurchbruch ist definiert als SARS-CoV-2-Infektion mit klinischer Symptomatik, die bei einer vollständig geimpften Person mittels PCR oder Erregerisolierung diagnostiziert wurde. Ein vollständiger Impfschutz wird angenommen, wenn nach einer abgeschlossenen Impfserie (2 Dosen Comirnaty (BioNTech/Pfizer), Spikevax (Moderna), Vaxzevria (AstraZeneca) bzw. 1 Dosis Janssen (Johnson & Johnson)) mindestens zwei Wochen vergangen sind.“
(RKI Wochenbericht vom 11.11.2021, S. 21)
Dass man hier auf symptomatische Fälle abhebt, hat damit zu tun, dass man bei den Impfdurchbrüchen vor allem die klinische Relevanz vor Augen hat. Man will wissen, in welchem Umfang Menschen trotz Impfung ins Krankenhaus müssen oder gar sterben.
Was bedeutet es nun, wenn die Impfdurchbrüche zunehmen? Das kommt darauf an, was genau man damit meint. Die Impfdurchbrüche hängen individuell und statistisch von verschiedenen Faktoren ab, ein paar wichtige seien hier genannt:
• Die Impfwirksamkeit beträgt nicht 100 %, sondern weniger, je nach Outcome, auch gegen schwere Verläufe ist der Schutz nicht 100 %ig. Es muss also Impfdurchbrüche geben, wenn hinreichend viele Geimpfte dem Virus ausgesetzt sind. Das ist kein Spezifikum der Covid-19-Impfung, sondern das ist bei allen Impfungen so.
• Das Potential für Impfdurchbrüche nimmt zu, je mehr Menschen geimpft sind und je länger die Impfung zurückliegt. Letzteres wirkt in zweifacher Hinsicht: Die Expositionsdauer steigt, also das Risiko, dem Virus zu begegnen, und die Schutzwirkung der Impfung nimmt ab, d.h. das Risiko einer Infektion bei Kontakt mit Virus steigt.
• Das Potential für Impfdurchbrüche verringert sich mit der Zahl der Auffrischimpfungen.
• Die Impfeffektivität ist bei Älteren (und Immunsupprimierten) geringer. Mit dem Alter steigt somit das Risiko eines Impfdurchbruchs.
• In besonderem Maße nimmt mit dem Alter und den Vorerkrankungen das Risiko für Impfdurchbrüche mit schweren Verläufen zu. Das ist nicht anders als bei den Infektionen der Ungeimpften, auch sie verlaufen umso schwerer, je älter und kränker die Betroffenen sind.
Das lässt folgende Entwicklungen bei den Impfdurchbrüchen erwarten:
Absolute Anzahl: Sie nimmt insgesamt und ceteris paribus je Zeiteinheit zu, je mehr Menschen geimpft sind und je länger ihre Impfung zurückliegt. Sie kann aber (je Zeiteinheit) auch wieder abnehmen, wenn vor allem bei den Älteren große Anteile eine Auffrischimpfung erhalten haben oder wenn das Infektionsgeschehen insgesamt abflaut.
Anteil der Impfdurchbrüche z.B. an den coronaassoziierten Krankenhausfällen oder Sterbefällen: Er hängt vom Infektionsgeschehen in den einzelnen Altersgruppen mit ihrem unterschiedlichen Risiko für Impfdurchbrüche ab. Derzeit stiegt der Anteil der Impfdurchbrüche an den Krankenhausfällen und Sterbefällen und ist vor allem bei den Älteren recht hoch. Dem Wochenbericht des RKI vom 11.11.2021 zufolge betrug der Anteil der Impfdurchbrüche in den Kalenderwochen 41-44 in der Altersgruppe 60 + an den Hospitalisierungen 45,1 %, an den Intensivfällen 36 % und an den Sterbefällen 41,7 %. Die hohen Anteile spiegeln wider, dass mit Stand 12.11.2021 in der Altersgruppe 60+ immerhin 85,6 % vollständig geimpft sind – und, wie gesagt, dass in dieser Altersgruppe ohnehin die Risiken für Impfdurchbrüche erhöht sind.
Nur nebenbei, falls sich jemand wundert, warum der Anteil der Impfdurchbrüche an den Sterbefällen höher ist als der unter den Intensivfällen: Erstens sterben Covid-19-Erkrankte nicht nur auf Intensivstationen, die Sterbefälle sind also keine Teilmenge der Intensivfälle. Der Anteil der auf Intensivstation Gestorbenen an allen Gestorbenen wird vermutlich mit zunehmenden Infektionszahlen sogar abnehmen, weil nicht mehr alle die Intensivstation erreichen. Zweitens dominieren unter den Sterbefällen Hochrisikopatienten, die ganz überwiegend geimpft sind.
Quote der Impfdurchbrüche: Bezogen auf alle vollständig Geimpften ist die Quote der Impfdurchbrüche sehr gering. Seit Kalenderwoche 4/2021, also seit Impfdurchbrüche auftreten können, bis heute, kommen 174.167 Impfdurchbrüche (Wochenbericht RKI) auf 56.080.963 vollständig Geimpfte (Digitales Impfquotenmonitoring des RKI), das sind 0,31 %. Auch diese Quote kann naheliegenderweise in Abhängigkeit ihrer Komponenten unterschiedliche Entwicklungen nehmen. Wenn es mit den Impfungen nicht vorangeht, steigt die Quote, wenn viel geimpft wird, kann sie auch sinken.
Wie deutlich geworden sein dürfte, ist das Zusammenspiel von Infektionszahlen, Impfquoten und Alter wichtig, wenn man eine Aussage über die Impfdurchbrüche treffen will. Diese Faktoren sind damit auch für die Bestimmung der Schutzwirkung der Impfung ausschlaggebend, für die nach dem vom RKI angewandten Verfahren nach Farrington die Impfdurchbrüche herangezogen werden. In dem schon zitierten aktuellen Wochenbericht weist das RKI für die 41. bis 44. Kalenderwoche eine Impfeffektivität für die Altersgruppe 18-59 Jahre von ca. 72 % und für die Altersgruppe ≥60 Jahre ebenfalls von ca. 72 % aus. Der Schutz vor Hospitalisierung beträgt ca. 88 % (Alter 18-59 Jahre) bzw. ca. 85 % (Alter ≥60 Jahre), der Schutz vor Behandlung auf Intensivstation ca. 93 % (Alter 18-59 Jahre) bzw. ca. 90 % (Alter ≥60 Jahre) und der Schutz vor Tod ca. 92 % (Alter 18-59 Jahre) bzw. ca. 87 % (Alter ≥60 Jahre).
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Edit 16.11.2021: Bei der absoluten Zahl ein wichtiges “je Zeiteinheit” ergänzt, siehe Kommentare 21, 22.
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