Erinnern Sie sich noch an Ulrich Kutschera? Nein? Egal. Lernen Sie ihn einfach in einer neuen Rolle kennen. Der größte Ringelwurmexperte aller Zeiten interpretiert jetzt auch Korrelationsstudien zu Corona, als Evolutionsbiologe hat er schließlich besondere Kompetenz in Sachen Geburten und Störche.
In Querdenkerkreisen wird gerade „die Harvard-Studie“ von Subramanian/Kumar als Beweis für die Wirkungslosigkeit der Corona-Impfungen herumgereicht. „Harvard-Studie“ habe ich hier nicht in Anführungszeichen gesetzt, weil ich an der Studie zweifeln würde, sondern weil den Querdenkern hier als Autoritätsargument dient, was sonst als „Mainstream-Wissenschaft“ gilt. Wie man’s halt braucht.
Subramanian/Kumar haben die Impfquoten und die 7-Tagesinzidenzen in 68 Ländern korreliert und kamen zu dem Befund, dass die 7-Tagesinzidenzen praktisch nicht mit den Impfquoten korrelieren. So weit, so gut. Querdenker interpretieren das allüberall ganz selbsterdacht nach der Storchenmethode von Steyer/Kappler: Die Impfungen wirken nicht oder machen sogar alles noch schlimmer. Genau das gleiche macht auch Ulrich Kutschera, aber er setzt noch eins drauf und schiebt diese Interpretation direkt den Autoren Subramanian/Kumar unter:
„Die Harvard-Forscher ziehen Schlussfolgerungen, die sich prominente deutsche ‚Impf-Befürworter‘ hinter die Ohren schreiben sollten: Die Massenimpfungen sind nachweislich wirkungslos bzw. tendenziell das Corona-Infektionsgeschehen fördernd.“
Das sagen Subramanian/Kumar aber gerade nicht. Sie interpretieren ihre Ergebnisse völlig korrekt so, dass Impfen alleine nicht durch Pandemie hilft, sondern weitere Maßnahmen nötig sind:
„The sole reliance on vaccination as a primary strategy to mitigate COVID-19 and its adverse consequences needs to be re-examined, especially considering the Delta (B.1.617.2) variant and the likelihood of future variants. Other pharmacological and non-pharmacological interventions may need to be put in place alongside increasing vaccination rates.“
Sie sprechen sich nicht gegen das Impfen aus, sondern, im Gegenteil, für das Impfen: „efforts should be made to encourage populations to get vaccinated“. Sie sagen nur, man dürfe sich nicht allein aufs Impfen verlassen: „Importantly, other non-pharmacological prevention efforts (…) needs to be renewed“, z.B. Kontaktreduktionen. Dem ist nicht zu widersprechen. In vielen Ländern, nicht zuletzt in Deutschland, sind die Impfquoten für die Infektionskontrolle nicht ausreichend, insbesondere, wenn die vulnerablen Gruppen nicht gut genug durchgeimpft sind, wie es bei uns – anders als z.B. in Schweden – der Fall ist. Das birgt die Gefahr, dass Infektionswellen nicht einfach nur zu mehr Infektionen mit milden Verläufen führen, sondern auch schwere Verläufe mit der Notwendigkeit der Behandlung auf der Intensivstation zunehmen. Das ist bei uns gerade der Fall. In Deutschland werden seit kurzem wieder planbare Operationen (darunter fallen u.a. onkologische Operationen, Organtransplantationen usw.) verschoben, um Betten für Corona-Notfälle freizuhalten, und es werden Patient/innen aus überlasteten Kliniken unter irrsinnigem Aufwand in andere Regionen Deutschlands verlegt – z.B. von Südbayern nach Hessen.
Man muss nicht annehmen, dass Kutscheras Englisch zu schlecht ist und er die Studie von Subramanian/Kumar vielleicht nur falsch verstanden hat. Er ist schließlich stolzer Gastprofessor in den USA, worauf er bei jeder Gelegenheit hinweist. Und er ist auch nicht zu dumm, um zu wissen, dass man die Wirksamkeit von Impfungen nicht aus einfachen Korrelationen regional aggregierter Ziffern ablesen kann. Die umfangreiche Studienlage zur Wirksamkeit der Impfungen übergeht er, auch hier Steyer/Kappler folgend, ebenso geflissentlich wie das laufende Monitoring der Impfeffektivität für Deutschland durch das RKI.
Daher darf man Kutscheras Interpretation vermutlich einfach so zusammenfassen: Er lügt uns was vor. Passenderweise hat er seine Interpretation der Studie auch in der Lügenpresse, bei Reitschuster veröffentlicht. Zu polemisch? Dann etwas milder formuliert: Er hat sein Zeug da veröffentlicht, wo es hingehört.
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