Die Querdenker- und Impfgegnerszene ist gut organisiert und es mangelt ihr auch nicht an finanziellen und propagandistischen Möglichkeiten. Und sie haben Geschick. Da könnte sich die BZgA manchmal ein Beispiel nehmen.
Hier in der Region werden Briefkästen, gerne auch von Arztpraxen, seit einiger Zeit mit allerhand professionell gemachten und wohl nicht ganz billigen Flyern gefüllt. Jetzt habe ich einen Flyer von einer Praxis erhalten, der seine Herkunft und seine wahre Agenda gekonnt verschleiert.
Die Vorderseite sieht wie ein Neujahrsgruß aus, auf der Rückseite wird um Verständnis für mögliche Handlungsgründe von Geimpften und Ungeimpften geworben und dafür, aufzuhören, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen.
Ein presserechtlich Verantwortlicher ist auf dem Flyer nicht genannt, nur die Internetseite www.einfachmega.org. Die führt zu einem Verein Kinderrechtejetzt e.V., für den wiederum eine Anwaltskanzlei Dr. Hingerl und Partner aus dem bayerischen Wolfratshausen verantwortlich zeichnet. Und diese Kanzlei hat ausgesprochen wenig Verständnis für Impfkampagnen und wenig Hemmungen, anderen Vorwürfe zu machen. Sie überzieht die halbe Republik mit Klagen gegen Coronamaßnahmen.
Die Süddeutsche Zeitung hat den Verein „Kinderrechte jetzt“ bereits Ende letzten Jahres als Tarnorganisation von Impfgegnern beschrieben:
„Der von den Wolfratshauser Anwälten Hingerl und Müller gegründete Verein “Kinderrechte jetzt” lehnt eine Impfung Minderjähriger kategorisch ab und dürfte damit einigen aus der Seele sprechen. Nicht nur Querdenkern, sondern womöglich auch Eltern, die etwa schon geimpft sind, aber ihre Kinder nicht immunisieren lassen wollen. Sie aber sollten, wenn sie den Agitatoren auf Demos applaudieren oder ihre Petition unterzeichnen, zwischen den Zeilen lesen. Denn die Anwälte, das erkennt man in ihren medienwirksam gestellten Strafanzeigen, sprechen auch der Impfung an sich, den verschärften Regeln sowie Tests und Masken ihre Wirksamkeit ab und verharmlosen ein Virus, das weltweit schon mehr als fünf Millionen Tote gefordert hat.“
Auf der Hauptseite des Vereins, kinderrechtejetzt.de/es-reicht/, kann man sich einen etwas besseren Eindruck von den Aktivitäten der Leute verschaffen. Da klingt es auch nicht mehr so verständnisvoll nach allen Seiten wie auf dem MEGA-Flyer.
Um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen: Man darf sich natürlich Sorgen über Impfnebenwirkungen machen und sich, da es keine Impfpflicht gibt, auch gegen eine Impfung entscheiden, auch wenn man sich aus guten Gründen deutlich mehr Sorgen vor einer Infektion machen sollte. Die Frage, ob Kinderimpfungen nützlich bzw. notwendig sind, ist ebenfalls berechtigt und man kann dazu kontrovers diskutieren. Darüber hat schließlich auch die STIKO lange nachgedacht und ist zu recht differenzierten Empfehlungen gekommen. Aber man sollte bei solchen Diskussionen mit offenen Karten spielen und die Adressaten seiner Flyer nicht über die eigene Position täuschen. Eine informierte Entscheidung kann man nur treffen, wenn man über Nutzen und Risiken einer Impfung aufgeklärt ist. Impfgegnerpropaganda, wie sie Bhakdi, Wodarg & Co. verbreiten, ist keine Aufklärung, sondern pure Panikmache.
Der Artikel in der Süddeutschen Zeitung wirft den Wolfratshausener Anwälten zudem eine pikante Heuchelei in eigener Sache vor. Sie würden argumentieren, dass man nicht über Kinderimpfungen diskutieren müsste, ließen sich die Erwachsenen impfen: „Wenn Hingerl und Müller das ernst nehmen, sollten sie sich endlich impfen lassen.“
Ob sie inzwischen geimpft sind? Vermutlich nicht: „Die können mich impfen, wenn ich tot bin“, soll Herr Hingerl dem Münchner Merkur zufolge gesagt haben. Das wäre dann allerdings eine wirklich nutzlose Impfung.
Kommentare (64)