Ich weiß, ich bin derzeit etwas kritisch, was Fernsehsendungen angeht. Zumal, wenn ich nur kurz reinschaue. Heute habe ich mal wieder bei Günther Jauchs „Wer wird Millionär“ vorbeigeschaut. In der Werbepause trat Dieter Hallervorden für Allianz Pflege vor die Kamera, im Look von „Honig im Kopf“. 3 von 5 Deutschen würden pflegebedürftig, hieß es da.

Was bedeutet das eigentlich? 3 von 5 so ganz allgemein wären ca. 50 Millionen. Für das Jahr 2019 weist die Pflegestatistik 4.127.605 Pflegebedürftige aus. Ob jetzt noch ganz schnell 45 Mio. pflegebedürftig werden? So war es wohl eher nicht gemeint. Vielleicht ab einem bestimmten Alter? In der Altersgruppe 90 + waren 2019 ca. drei Viertel pflegedürftig. Das sind, das weiß sogar ich, 3 von 4. Zu viel. In der Altersgruppe 65+ waren es knapp 20 %, also 1 von 5. Zu wenig. In der Altersgruppe 80 + käme man auf knapp 40 %, also 2 von 5. Immer noch zu wenig. Auch im Alter 85 + ist man mit 56 % (das sind jetzt wie viel von 5?) noch nicht ganz auf Werbeniveau. Aber nur etwas später im Leben würde es vom Anteil her passen.

Wobei, da geht es um alle Pflegebedürftigen. Nicht nur um Deutsche. Vermutlich war „in Deutschland“ gemeint. Dafür sind in der Pflegestatistik wiederum nur die, die auch Leistungen der Pflegeversicherung beziehen. Pflegebedürftig im Sinne dessen, wer Hilfe braucht, sind sicher mehr.

Aber die Aussage „3 von 5 werden pflegebedürftig“ ist gar keine Aussage über den altersspezifischen Anteil der Pflegefälle, sondern eine Aussage über das lebenslange Pflegerisiko. Man müsste eine kumulative Inzidenz oder eine Lebenszeitprävalenz berechnen. Das führt dann in etwa zu den in der Werbung genannten Zahlen. Dieter Hallervorden hat also schon recht. Viele von uns werden im Laufe des Lebens pflegebedürftig, Pi mal Daumen etwa 3 von 5. Angesichts dessen sollte man sich mehr Gedanken um die Qualität der Pflege machen. Denn in der Altenpflege geht es, wie man weiß, nicht überall gut zu. Wie man seit langem weiß. Darüber hat Hallervorden leider nichts gesagt.

Kommentare (8)

  1. #1 Herr Senf
    8. März 2022

    ,,, und, die vorher versterben: sind 9 von 10, oder?

  2. #2 capsicum
    8. März 2022

    Und wieder ein echter kuhn. 3 von 5, paff. 5 von 5 sterben. Die korrekte frage zum thema wäre natürlich: Wie verhindere ich pflegebedürftigkeit im alter. So ganz allgemein und in aller kürze: Der lebenswandel machts. Da kann man sogar im betagten alter noch einiges machen.

    • #3 Joseph Kuhn
      8. März 2022

      @ capsicum:

      “Und wieder ein echter kuhn. 3 von 5”

      Nein. Siehe erster Absatz, Quellenangabe.

      “Der lebenswandel machts.”

      Auch, aber nicht nur. Das Leben machts. Auch vegane Sportler/innen können pflegebedürftig werden. Auch Sie, Sie stehen auch auf der Liste derer, die es treffen kann.

  3. #4 Alisier
    8. März 2022

    @ capsicum
    Auch viele Impfgegner und Coronaleugner zielen gerne auf den Lebenswandel ab der sie angeblich schützt.
    Vor zwei Wochen hat ein guter Freund, der sehr viel Wert auf Bewegung, gesunde Ernährung usw. legte mit knapp über 50 einen Schlaganfall erlitten.
    Zu glauben man könne selbst nicht betroffen sein mag psychologisch sinnvoll sein. Besonders klug ist es wahrscheinlich nicht.

  4. #5 Beobachter
    8. März 2022

    Zum Thema auch mal wieder (denn es ist leider ein Dauerthema ! ) ein Blog-Artikel von Stefan Sell:

    https://aktuelle-sozialpolitik.de/2022/02/12/vom-individuellen-und-kollektiven-versagen/

    “Vom individuellen und kollektiven Versagen: Wieder einmal ein Blick auf das würdelose Geschäft mit alten Menschen in Pflegeheimen
    … ”

    Kürzlich gab es dazu auch eine große Reportage von Rainer Stadler in der SZ – leider hinter der Bezahlschranke, aber Sell zitiert hier daraus.

    Wer vor den katastrophalen Zuständen in den Pflegeheimen (mal mehr, mal weniger menschenunwürdig!) die Augen verschließt, macht sich mitschuldig.
    Außerdem kann Pflegebedürftigkeit jeden treffen, auch in jedem Alter (Unfall, schwere Erkrankung wie Schlaganfall, Krebs, MS, etc.)

    Und es sollte nicht “vergessen” werden, dass ca. 80 % aller Pflegebedürftigen in DE von Angehörigen zu Hause gepflegt werden – und zwar fast ausschließlich von Frauen (“Der größte Pflegedienst der Nation”), die für diese Arbeit kaum oder gar nicht bezahlt werden und kaum Unterstützung und gesellschaftliche Anerkennung erfahren.
    (passend zum heutigen Weltfrauentag …)

    @ capsicum, # 2:

    Die mögliche Gestaltung eines möglichst gesunden “Lebenswandels” ist direkt abhängig vom Einkommen/Vermögen und damit von den Lebensumständen.
    Oder glauben Sie im Ernst, dass jemand, der unterbezahlt z. B. im 3-Schichtbetrieb im Gruppenakkord am Band oder in der Pflege arbeitet genauso “gesund leben” kann (“wenn er nur will”) wie jemand im Büro in der Verwaltung mit Homeoffice-Möglichkeit ?!

  5. #6 hwied
    8. März 2022

    “Angesichts dessen sollte man sich mehr Gedanken um die Qualität der Pflege machen.”
    Besonders wenn es um kommunale Pflegeheime geht.
    Auf die haben die Kommunen direkten Einfluss.
    Aber auch hier gilt der Satz:”Nächstenliebe kann man nicht per Gesetz verordnen.”
    Generell kann man Pflegeheime nicht schlechtreden. Es gibt einige, die verdienen ein Lob, weil sich das Personal rührend um seine “Gäste” kümmert. Bei anderen gehört mit eisernem Besen gekehrt. Alles schon erlebt !
    Und man sollte sich Gedanken um die Bezahlbarkeit machen.
    4000 € bei Pflegestufe 3, wer hat so viel Rente ?

  6. #7 schlappohr
    8. März 2022

    Ist zwar Erbsenzählerei, aber fällt mir jetzt gerade wieder mal auf: 3 von 5 Deutschen. Ok, könnte man fragen, welche 5 Deutschen sind denn hier gemeint? Man unterteilt die Deutschen in 5er-Grüppchen und stellt dann fest, dass immer drei davon pflegebedürftig werden? Das ist sicher Unsinn. Worauf es eigentlich ankommt, ist “Drei Fünftel der Deutschen…” oder einfach 60%, aber klingt wohl zu sachlich, weil man dafür Bruch- und Prozentrechnung beherrschen müsste. Da ist es doch viel leichter zu verstehen, dass bei jeder beliebigen Partitionierung der Menge der Deutschen in 5-elementige Teilmengen im statistischen Mittel jede Teilmenge drei pflegebedürftige Elemente enthält. Mengenlehre und Statistik beherrschen die meisten ja perfekt.

    Das gleiche gilt für Aussagen wie “Jeder zweite Deutsche ist geboostert”. Das setzt voraus, dass die Deutschen irgendwie wohlgeordnet sind. Sind sie aber nicht, sie laufen wild durcheinander. Jeder dritte Weidezaunpfosten kann morsch sein und jede fünfte Autobahnraststätte an der A3 kann verstopfte Toilettten haben, aber jeder zweite Deutsche geboostert? Was wäre, wenn sich alle Deutschen in eine Reihe stellen und zwar so, dass die geboosterten zuerst kommen (oder zuletzt, damit sich die Querdenker nicht diskriminiert fühlen)? Dass die Hälfte der Deutschen geboostert ist, versteht hingegen wirklich jeder und gilt unabhängig davon, in welcher Reihenfolge man sie durchzählt. Glücklicherweise sind es mittlerweile über 57%, oder fast drei Fünftel, oder 3 von 5…

  7. #8 Staphylococcus rex
    8. März 2022

    Die Lebenserwartung hat sich in den letzten Jahrzehnten erhöht, und das hat Konsequenzen für das Altern. In meiner Kindheit war es normal, wenn jemand mit 70 Jahren am „Herzschlag“ oder „Hirnschlag“ starb. Jetzt dagegen haben viele Menschen die Gelegenheit, die verschiedenen Phasen des Alterns zu durchleben.

    Aus funktioneller Sicht würde ich das Altern in folgende Etappen unterteilen: Das rüstige Alter (bis ca. 75 Jahre), dort holt man all die unerledigten Dinge aus der Zeit des Berufslebens nach. Dann kommt das gesetzte Alter (bis ca. 85 Jahre), wo man es etwas ruhiger angehen lässt, aber noch alles aus eigener Kraft schaffen kann. Danach kommt das gebrechliche Alter, anfangs ist man nur auf (hauswirtschaftliche) Hilfe außerhalb der eigenen 4 Wände angewiesen, später benötigt man auch Hilfe innerhalb der eigenen Wohnung. Und wenn man nachts nicht mehr aus eigener Kraft bis zur Toilette kommt, dann wird es für pflegende Familienangehörige zum Vollzeitjob oder es beginnt die verzweifelte Suche nach einem Platz in der stationären Pflege.

    Ob es nun 3 von 5 Personen betrifft oder ob die von mir genannten Jahresangaben im Einzelfall auch anders sein können, darüber will ich mich hier nicht streiten. Entscheidend ist nur, dem Alter können wir nicht entrinnen, wir können aber die unangenehmen Folgen des Alterns abmildern. Ich habe diese Problematik mit all ihren Facetten im engsten Familienkreis miterlebt und möchte hier nur zwei Schlagworte in den Raum werfen: Vorsorgevollmacht und Barrierefreiheit.

    Das Altern ist kein stetiger Prozeß, oft geht es schubweise. Und wenn plötzlich der Pflegedienst bezahlt werden muss oder wenn es um die Organisation von Arztterminen oder Pflegeheimplätzen geht, dann kann eine Vorsorgevollmacht viele Türen öffnen, dann ist eine Vorsorgevollmacht der Unterschied zwischen einer Herausforderung und einer Katastrophe.

    Was Barrierefreiheit betrifft, da braucht man sich nur mal sich einen Rollator auszuborgen und zu versuchen, damit vom Hauseingang bis in die eigene Wohnung zu kommen und vom eigenen Schlafzimmer zur eigenen Toilette. Wenn das alles geht, dann hat man Glück und kann bis zum letzten Augenblick (der stationären Pflege) zu Hause bleiben. Wenn es nicht geht, dann werden mit dem Beginn des gebrechlichen Alters die Treppen zu einem unüberwindbaren Hindernis und der unfreiwillige Umzug steht etliche Jahre früher an.

    Ich weiß, dass sich die Mitarbeiter im Pflegeheim die größte Mühe geben, aber allein schon der Verlust der Privatsphäre ist im Pflegeheim eine große Belastung für die Bewohner. Deshalb sollte wirklich alles Mögliche unternommen werden, bis zum letzten Augenblick ein Leben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen. Wer also vorhat, älter als 80 Jahre zu werden, sollte sich mit diesem Thema bereits vorher ernsthaft beschäftigen. Und dabei habe ich hier nur die körperlichen Folgen des Alterns beschrieben. Das Thema Altersdemenz ist ein weiteres riesiges Thema.