Der Koalitionsvertrag der Ampel sieht die Legalisierung von Cannabis vor. Auf Seite 68 heißt es: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ Ein schwieriges Thema. Das kann man mit guten Argumenten kontrovers diskutieren und es schadet nicht, dazu sorgfältig die Faktenlage zusammenzutragen und auch internationale Erfahrungen mit der Cannabis-Legalisierung unter die Lupe zu nehmen, etwa was die Kontrolle über die gesamte Lieferkette angeht, nicht nur die Abgabe. In den Niederlanden wurde das nicht gut gelöst, weil man die Herstellung in kriminellen Händen ließ.
Die Bundespsychotherapeutenkammer hat vor ein paar Tagen in einem Papier „BTPK-Standpunkt Cannabis legalisieren, Alkohol verteuern, Hilfsangebote ausbauen“ versucht, die relevanten Fakten darzustellen. Das Papier enthält viele wichtige Informationen und Vorschläge, aber auch manche halbgare Idee. Nur zwei Beispiele:
Die BPTK schreibt, ab einem THC-Gehalt von 10 % in Cannabis-Produkten würde das Risiko für psychische Erkrankungen steigen, daher solle der Gehalt auf 15 % begrenzt werden. Warum dann nicht auf 10 %? Soll hier die Vermarktung der gängigen Coffeeshop-Sorten mit durchschnittlich 15 % THC-Gehalt geschützt werden? Das Papier geht auch auf den Umgang mit Alkohol und Tabak ein, sozusagen den legalen Referenzdrogen. Es ist völlig richtig, unter präventiven Gesichtspunkten darauf mehr Augenmerk zu richten. Tabak und Alkohol richten um Größenordnungen mehr Schaden an als Cannabis. Allein dem Tabakkonsum sind jährlich ca. 120.000 vorzeitige Sterbefälle in Deutschland zuzurechnen. Daran gemessen, kommt das Thema Tabak im Papier der BPTK jedoch erstaunlich wenig vor, es geht praktisch nur um Alkohol. Dafür gibt es zu den legalen Drogen eine stramme Forderung: „Abgabe aller legalen Drogen ausschließlich über staatlich lizenzierte Geschäfte“. Also keinen Biergarten mehr, kein Weinverkauf mehr beim Winzer? Oder werden alle staatlich lizensiert? Worin besteht dann der Unterschied zu heute? Solche lebensfremden Ideen dürften der Sensibilisierung für die Risiken des Alkoholkonsums eher schaden als nützen.
Beim Thema Alkohol und Tabak ist der Koalitionsvertrag übrigens ausgesprochen schwach: „Bei der Alkohol- und Nikotinprävention setzen wir auf verstärkte Aufklärung mit besonderem Fokus auf Kinder, Jugendliche und schwangere Frauen. Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis.“ Das könnte auch die Tabaklobby geschrieben haben. Mit „Aufklärung“ kam sie immer gut zurecht und wenn das Marketing nur „verschärft“ und nicht verboten wird, wird sie neue Wege zur Anwerbung von Nachwuchs für die verstorbenen Kunden finden. Das Papier der BPTK ist, wiederum mit Blick auf Alkohol, hier klarer und fordert ein absolutes Werbeverbot, Steuererhöhungen und einen Mindestpreis.
Nützliche Informationen, gute Ansätze, ungute Lücken, teilweise unausgereifte Vorschläge. Es endet mit der vertrauten Formel, mehr Forschung sei nötig: „Gemessen an der Häufigkeit von Suchterkrankungen in der Bevölkerung erfährt die Erforschung von Ursachen für eine Suchtentwicklung und wirksamen Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten in Deutschland zu wenig Bedeutung.“ Ist das so? Oder fehlt es nicht eher an der Umsetzung vorhandener Forschungsergebnisse? Es scheint, das Papier hat das Gleichgewicht zwischen Befürwortung der Cannabis-Legalisierung, der Regulation der Freigabe sowie der Einordnung in ein Gesamtkonzept einer modernen Drogenpolitik noch nicht gefunden. Ob deswegen auch keine Autor/innen genannt werden? Man sollte es vielleicht eher als Anregung zur Diskussion verstehen denn als ausgearbeiteten Aktionsplan – und Diskussionsbedarf gibt es bei dem Thema sicher.
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