Harald Walach hat offensichtlich Gefallen an dem verschwörungstheoretischen „Plandemie“-Narrativ gefunden. Dabei bemüht er die Wahrscheinlichkeitstheorie. Im März war er bei Corona als „intuitiver Bayes-Analytiker“ zugange, jetzt legt er unter der Überschrift “Affenpocken – Verschwörung(stheorie) für Fortgeschrittene“ zu den kürzlich weltweit beobachteten Affenpocken nach. Zur Virologie des Affenpocken-Erregers verweist er auf „Jochen Ziegler“ von der Achse des Guten. Eine passende Quelle für einen Verschwörungstheoretiker, weil man nicht weiß, wer Ziegler ist. Man weiß nur, dass er heftig querdenkt. Da wo Walach aus eigener Expertise schöpft, wird es aber nicht besser. Die Basisreproduktionszahl der Masern beziffert er beispielsweise auf 6-8. Schön wär’s.
Zu den Affenpocken gab es 2021 ein Biosicherheits-Planspiel der Nuclear Threat Initiative (NTI) gemeinsam mit der Münchener Sicherheitskonferenz. Walach fragt nun, wie wahrscheinlich es sei, dass es bei all den vielen Erregern, die den Menschen befallen können, ausgerechnet die Affenpocken erst Gegenstand eines Planspiels sind und kurz danach tatsächlich ausbrechen. Er rechnet dann eine Wahrscheinlichkeit von 1:1 Milliarde aus.* Immerhin wurde das Planspiel nicht auch noch vom Weltwirtschaftsforum durchgeführt, das wäre für Walach vermutlich der rauchende Great-Reset-Colt gewesen.
1:1 Milliarde – 6 Richtige im Lotto wären deutlich wahrscheinlicher. Das kann doch kein Zufall sein? Ich bin ja grundsätzlich ein Freund der gefühlten Statistik, aber in dem Fall hätte sich Walach einmal mit dem texanischen Scharfschützen unterhalten sollen. Walachs Gedankengang ist wie der eines Lottogewinners, der, weil 6 Richtige doch so unwahrscheinlich sind, aus seinem Gewinn messerscharf schließt, das könne keinesfalls Zufall gewesen sein. Aber schlimmer noch, Walachs ganzer Ansatz ist Murks. Er hätte schauen müssen, zu welchen Erregern es in den letzten Jahren Planspiele gab und dann überlegen, ob es wirklich unwahrscheinlich ist, dass einer der Planspiel-Erreger später in Ausbrüchen vorkommt. Regionale Affenpocken-Ausbrüche gab es auch in der Vergangenheit immer wieder. Bei den meisten Planspielerregern hat man ernstzunehmende Kandidaten ausgesucht, von Influenza bis Ebola. Da ist also noch viel Potential für Verschwörungstheorien. Manchmal geht es natürlich auch schief. Zur RSV-Welle im letzten Herbst gab es – meines Wissens – kein Planspiel vorher. Das kann doch kein Zufall sein!
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* Nachtrag: Siehe dazu Kommentar #9 von Herrn ɟuǝs.
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