In Bayern soll jetzt ein „Gender-Verbot“ kommen. Der bayerische Ministerpräsident in seiner gestrigen Regierungserklärung:
„Für Bayern kann ich sagen: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen.“
Was bedeutet das? Wird nur das Gender-Sternchen verboten oder darf man künftig in amtlichen Dokumenten auch nicht von „Bürgerinnen und Bürgern“ sprechen? In Umsetzung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes sind „Richtlinien für die Wahrnehmung und Organisation öffentlicher Aufgaben sowie für die Rechtsetzung im Freistaat Bayern“ erlassen worden. Dort heißt es unter Punkt 2.5.4:
„Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Muster, Vordrucke, Schreiben und Ähnliches sollen so formuliert werden, dass sie jedes Geschlecht in gleicher Weise ansprechen. Dabei ist jedoch jede sprachliche Künstlichkeit oder spracherzieherische Tendenz zu vermeiden. Nr. 3.4 der Redaktionsrichtlinien gilt entsprechend.“
Und in Nr. 3.4 der „Richtlinien für die Redaktion von Rechtsvorschriften“ wiederum steht:
„Rechts- und Verwaltungsvorschriften sollen so formuliert werden, dass sie jedes Geschlecht in gleicher Weise ansprechen, etwa durch Paarformeln oder geschlechtsneutrale Formulierungen. Dabei ist jedoch jede sprachliche Künstlichkeit oder spracherzieherische Tendenz zu vermeiden. Entscheidende Richtschnur ist die gängige Sprachwirklichkeit, die leichte Verständlichkeit und die inhaltliche Prägnanz. Sparschreibungen und Sonderzeichen zur Geschlechterumschreibung sind unzulässig. Übertriebene Paarformbildung ist ebenso zu vermeiden wie bewusst gesuchte Umschreibungen jenseits der gelebten Sprachwirklichkeit. Geschlechtsindifferent verallgemeinerte männliche Formulierungen sind nach dem natürlichen Sprachgebrauch zulässig, wo es der Alltagssprache entspricht und die Verständlichkeit fördert.“
Das Gender-Sternchen ist also schon verboten. Bürger:innen geht in Rechtsvorschriften auch nicht. Da stellen sich eine Menge Fragen für die Juristen, und vielleicht auch die Juristinnen, die die neue Vorschrift ausarbeiten müssen. Ob „Bürgerinnen und Bürger“ oder „Ärztinnen und Ärzte“ künftig als „übertriebene Paarformbildung“ gelten? Was wird aus den „Studierenden“? Werden die neuen Vorschriften auch die Universitäten mit ihren Leitfäden zur geschlechtergerechten Sprache binden? Was ist mit Städten wie München? München hat, wie Medien schreiben, angeblich seit 1991 eine geschlechtergerechte Sprache in seinen Verwaltungsvorschriften verankert. Sind Klagen gegen Ungleichbehandlung zu erwarten, weil große Unternehmen weiterhin eine geschlechtergerechte Sprache in firmeninternen Leitfäden vorgeben?
Gesellschaftspolitisch mag man auch fragen, was in unseren Regierenden vor sich geht. Ob das eine Art konservativer Nachrüstungsbeschluss zur vielzitierten „cancel culture“ ist, um das identitätspolitische Arsenal zu erweitern, über Bierfeste, Kreuzerlass und Trachtenkult hinaus? Oder nur sprachliche Notwehr gegen das Bürger:innenmeister:innenamt oder ungute Versuche, Tätigkeiten wie „gärtnern“ zu gendern? Bei der Gelegenheit: Ist „ärztlich“ eigentlich eine männliche Form?
Man darf mit dem bayerischen Ministerpräsidenten natürlich auch politisch strategisch fragen: „Haben wir keine anderen Probleme in Deutschland?“, eine Frage aus der gleichen Regierungserklärung. Ein paar wichtigere Probleme fielen mir durchaus ein.
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