Es gibt einen neuen Referentenentwurf des BMG für ein „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG)“. Gegenüber seiner Vorläuferversion ist der aktuelle Entwurf um eine Reihe von Vorhaben ergänzt worden, deren Ankündigung bereits durch die Medien ging.
Das GVSG ist ein „Omnibusgesetz“. Es fasst mehrere Vorhaben zusammen und ändert auch mehrere Gesetze. Beim GVSG geht es im Wesentlichen um Änderungen im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung, dem SGB V.
Die für die GKV-Finanzen vermutlich wichtigste Änderung, die neu in den GVSG-Entwurf aufgenommen wurde, ist die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen. Lauterbach hatte sie vor kurzem der Ärzteschaft versprochen. Damit gibt es für diese Leistungen keine Obergrenzen mehr, Ärzte müssen nicht mehr befürchten, dass ihre Leistungen nicht mehr voll honoriert werden. Erwartungsgemäß fordern auch die Fachärzte eine Entbudgetierung ihrer Leistungen.
Bereits im vorherigen Referentenentwurf enthalten waren die Pläne des BMG, „Gesundheitskioske“ als niedrigschwelliges Versorgungsangebot einzurichten, die Gründung von „Primärversorgungszentren“ zu fördern – jetzt verschränkt mit den Gesundheitskiosken, und „Gesundheitsregionen“ als Netzwerke zu fördern. Diese drei Vorhaben sollen die Gesundheitsversorgung in der Kommune stärken und haben dem Gesetz seinen Namen gegeben. Zudem wird mit dem GVSG die Möglichkeit der Kommunen, eigene MVZs aufzubauen, erleichtert.
Gesundheitskioske, Primärversorgungszentren und Gesundheitsregionen haben ein großes Potential, die Prävention und die Versorgung vor Ort zu verbessern, es kommt aber darauf an, sie klug mit bereits bestehenden Angeboten zu verbinden, nicht zuletzt dem ÖGD, und keine Parallelstrukturen aufzubauen.
Vielleicht kann ja das BIPAM, für dessen Errichtung demnächst ebenfalls ein Gesetzentwurf vorgelegt werden soll, hier Hilfestellungen zur Zusammenarbeit erarbeiten.
Positiv sind auch die geplanten Neuerungen für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu bewerten. Die Pflege erhält immerhin endlich ein Antrags- und Mitberatungsrecht in Angelegenheiten, die die Berufsausübung der Pflegeberufe betreffen, die Rechte der Patientenvertretung werden ebenfalls ein wenig erweitert, dito die Mitwirkungsmöglichkeiten der wissenschaftlichen Fachgesellschaften und weiterer Akteure.
Interessant ist des Weiteren, dass die Kranken- und Pflegekassen künftig Daten über ihre Leistungsqualität vorlegen müssen, z.B. über Genehmigungen und Ablehnungen von Leistungen oder über die Bearbeitungsdauer von Anträgen. Man wird abwarten müssen, ob damit wirklich wie beabsichtigt mehr Transparenz zur Leistungsqualität der Kassen verbunden sein wird.
Die Länder werden künftig in den Zulassungsausschüssen nicht mehr nur mitberaten, sondern auch mitentscheiden dürfen, was regionalen Besonderheiten etwas mehr Gewicht geben könnte. Auch hier bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen das tatsächlich haben wird.
Darüber hinaus enthält der GVSG-Entwurf eine Reihe von Vorschriften, die in der Öffentlichkeit bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden haben, von der Beitragsfreiheit für Waisenrenten bei Freiwilligendiensten über den Hilfsmittelbereich bis hin zu erweiterten Prüfrechten des Bundesrechnungshofs, der künftig auch die Kassenärztlichen Vereinigungen prüfen darf. Nett auch, das 21. Jahrhundert schreitet voran: Mit dem Gesetz sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen und ihre Bundesvereinigungen, der G-BA und der Bewertungsausschuss die Möglichkeit zu hybriden bzw. digitalen Gremiensitzungen erhalten. Da hatte man bisher Vorbehalte z.B. bei der Vertraulichkeit und der Rechtmäßigkeit von Abstimmungen.
Das in den letzten Tagen in den Medien und auch hier im Blog heiß diskutierte Verbot, die Homöopathie durch die Krankenkassen finanzieren zu lassen, fährt ebenfalls im GVSG-Omnibus mit. In Art. 1 Punkt 2 des Gesetzentwurfs heißt es zur Änderung von SGB V:
„Dem § 11 Absatz 6 wird folgender Satz angefügt:
Homöopathische und anthroposophische Arzneimittel sowie homöopathische Leistungen sind als zusätzliche Satzungsleistungen im Sinne dieses Absatzes ausgeschlossen.“
In der Begründung dazu steht:
„Die Möglichkeit der Krankenkassen, homöopathische und anthroposophische Arzneimittel sowie homöopathische Leistungen als zusätzliche Satzungsleistungen anzubieten, wird gestrichen. Für die Wirksamkeit entsprechender Arzneimittel und Leistungen liegt keine hinreichende wissenschaftliche Evidenz vor. Die Nutzung von Homöopathika und Anthroposophika sowie homöopathischer Leistungen sollte daher ausschließlich auf der eigenverantwortlichen Entscheidung der Versicherten zur Finanzierung dieser Leistungen beruhen und nicht vom Versichertenkollektiv der Krankenkasse(n) getragen werden. Mit dem in § 140a Absatz 2 Satz 2 enthaltenen Verweis auf § 11 Absatz 6 ist damit auch eine Erstattung homöopathischer und anthroposophischer Arzneimittel sowie homöopathisch-ärztlicher Leistungen im Wege von Verträgen über eine besondere Versorgung nach § 140a ausgeschlossen. Den Krankenkassen bleibt es jedoch unbenommen, nach § 194 Absatz 1a in der Satzung die Möglichkeit zur Vermittlung privater Zusatzversicherungsverträge über diese Leistungen vorzusehen.“
Der Referentenentwurf muss nach der Beschlussfassung im Kabinett natürlich noch durch den Bundestag. Bekanntlich gilt dort das „Strucksche Gesetz“, nach dem kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineinging. Das Strucksche Gesetz ist zwar erstens empirisch falsch und zweitens ein bisschen komisch, weil man sich, wenn Beratungen des Bundestags nicht auch zu Änderungen von Gesetzesvorlagen führen würden, den Bundestag sparen könnte. Das Strucksche Gesetz könnte also auch trivialerweise lauten: „Der Gesetzgeber tut (manchmal), was er tun soll.“ Man darf gespannt sein, wie der Entwurf des GVSG zunächst das Kabinett und dann den Bundestag verlässt.
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Nachtrag:
Anpassungsbedarf in Sachen Homöopathie gibt es im SGB V möglicherweise auch bei § 2 (1) Satz 2, § 34 (3) Satz 2, § 35 (2) Satz 1, § 73 (1) Punkt 1 und § 92 (3a) Satz 1.
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