Psychische Störungen sind hier auf Gesundheits-Check immer wieder einmal Thema. Die großen, bevölkerungsrepräsentativen Surveys des Robert Koch-Instituts zeigen, dass etwa ein Drittel der Erwachsenen und ein Fünftel der Heranwachsenden in Deutschland im Laufe eines Jahres psychische Auffälligkeiten zeigen. Das entspricht in der Größenordnung auch den diagnostizierten Fällen, aber beide Gruppen sind nicht identisch. Ein erheblicher Teil der Menschen, der in Studien klinisch relevante psychische Auffälligkeiten aufweist, findet erst nach längerer Zeit, manche gar nicht, den Weg ins Versorgungssystem. Des Weiteren sind diejenigen, die diesen Weg gefunden haben, längst nicht sofort in guter Behandlung. Sie müssen z.B. längere Wartezeiten auf einen Therapieplatz auf sich nehmen oder werden therapeutisch nicht so versorgt, wie es notwendig wäre. Aus der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie wird beispielsweise berichtet, dass dort seit einiger Zeit vermehrt sehr schwere Fälle vorstellig werden, für die geeignete Hilfen im Anschluss an die Klinik fehlen und die deswegen durch die verschiedenen Hilfesysteme gereicht werden und auch wiederholt in die Klinik kommen. Durch solche unkoordinierten Verläufe können über die verschiedenen Hilfesysteme im Extremfall pro Fall Kosten von mehreren hunderttausend Euro zusammenkommen.
Mit der Coronakrise ist die Situation nicht einfacher geworden und insbesondere Kinder und Jugendliche leiden unter der Kumulation der aktuellen Krisen: Corona, Klimawandel, Armutslagen, Kriege. Wünschenswert wäre, wenn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen irgendwann wieder mehr Chancen für ein Aufwachsen in Geborgenheit und Zuversicht auf eine gute Zukunft bieten würden.
Darauf zu warten, ist keine Lösung. Die Prävention psychischer Störungen ist eine Herausforderung auch unter den gegebenen Umständen. Kitas, Schulen, Vereine usw. können helfen, und für Heranwachsende, deren Entwicklungsrisiken auf der Hand liegen und die Unterstützung annehmen, können Präventionsangebote des Gesundheitssystems geeignet sein. Allerdings ist oft nicht belegt, welche Präventionsmaßnahmen wirklich helfen. Eher weiß man, was nicht hilft, z.B. Zeigefingerpädagogik und gutgemeinte Aufklärungsbroschüren, oder neuerdings psychoedukative Apps ohne wissenschaftliche Basis. Mehr Präventionsforschung im Bereich der psychischen Störungen ist dringend erforderlich.
In Würzburg sind gestern nun im Rahmen eines Symposiums an der Uni Würzburg die neuen Räumlichkeiten des formell bereits 2019 gegründeten „Deutschen Zentrums für Präventionsforschung Psychische Gesundheit“ (DZPP) eingeweiht worden. Auch der Forschung tut es gut, wenn sie nicht nur virtuell, sondern auch physisch ein Dach über dem Kopf hat und der direkte Austausch untereinander einfacher wird.
Der Neubau wurde u.a. durch eine Spende der Initiative Sternstunden des Bayerischen Rundfunks über 1 Mio. Euro ermöglicht.
Konzeptionell und organisatorisch vorangetrieben hat das Projekt der Würzburger Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Marcel Romanos. Das DZPP soll ein Dach bilden, unter dem Forschungsvorhaben zur Prävention psychischer Störungen durchgeführt werden – in interdisziplinärer Zusammenarbeit und, wie Romanos hervorhob, mit Blick auf die Verzahnung von Prävention und Versorgung. Kinder und Jugendliche sind dabei ein Schwerpunkt, aber das DZPP ist nicht auf diese Altersgruppe beschränkt. Die ersten Projekte laufen bereits.
Dem DZPP kann man nur alles Gute wünschen, auch dass das bisher bundesweit einmalige Projekt Nachahmer finden möge. Die Politik muss beim Thema psychische Gesundheit endlich mehr tun. Beispielsweise könnte das von Gesundheitsminister Lauterbach geplante BIPAM Aufgaben etwa in der Forschungskoordination und der Qualitätssicherung von Präventionsmaßnahmen übernehmen. Ebenso wird es höchste Zeit, dass das Gesundheitsministerium Eckpunkte für die Nationale Suizidprävention vorlegt, ein Auftrag des Deutschen Bundestags.
Die eigentliche politische und gesellschaftliche Herausforderung, daran sei noch einmal erinnert, liegt aber darin, Heranwachsenden bessere Chancen auf ein gutes Leben zu eröffnen: Der gesellschaftliche Alltag muss wieder menschenfreundlicher werden.
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