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Nun ist auch das Wahlprogramm der FDP online. Etwas mehr als 2 von 52 Seiten sind der Gesundheit gewidmet.

Der Abschnitt beginnt mit einem ökonomischen Mirakel:

„Zu einem freien und selbstbestimmten Leben gehört auch die bestmögliche Gesundheits- und pflegerische Versorgung bei stabilen Beiträgen.“

Eine bestmögliche Versorgung bei stabilen Beiträgen wäre schön. Wie die FDP das bewerkstelligen will, dürfte ihr Geheimnis bleiben. Aber nehmen wir es einmal als Festhalten an einer guten Gesundheitsversorgung. Das könnte beim Schwärmen von Lindner für Milei und Musk ja auch anders sein.

Die FPD will, wie alle, eine gute Versorgung landesweit:

„Als Freie Demokraten setzen wir uns dafür ein, dass alle Menschen in Deutschland Zugang zu einer wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Versorgung haben – im ländlichen Raum und in der Stadt.“

Sie setzt sich für ein Primärarztsystem ein, also kein freier Zugang mehr zu Fachärzten. Das kann eine sinnvolle Form der Patientensteuerung sein – wenn das Primärarztsystem entsprechende Kapazitäten hat, wenn man also schnell einen Termin beim Haus- oder Kinderarzt bekommt. Ist dem so?

Bei den Krankenhäusern hält sich die FDP etwas bedeckt:

„In der Krankenhausversorgung wollen wir spezialisierte und damit bessere Angebote vorhalten, die Kostenentwicklung bremsen und zugleich Ärzte und Pflegekräfte entlasten.“

Zur Grund- und Regelversorgung im ländlichen Raum sagt sie lieber nichts. Ansonsten spricht sie sich ebenfalls für eine Notfallreform und für eine sektorenübergreifende Versorgung aus. Ein Mantra der Gesundheitspolitik seit vielen Jahren, weitgehend folgenlos.

Unter der Überschrift „Mehr Wahlfreiheit und Effizienz in der Gesundheit“ heißt es:

„Wir bekennen uns zum dualen System aus gesetzlicher (GKV) und privater (PKV) Krankenversicherung. Daher lehnen wir eine Einheitskasse (sog. Bürgersversicherung) ab.“

Das „s“ in der „Bürgersversicherung“ kann die FDP noch einsparen. Die „Wahlfreiheit in der Gesundheit“ eigentlich auch. Was soll das sein? Dass man wählen kann, ob man gesund oder krank ist? Und seit wann gilt die PKV als effizient? Ihre Verwaltungskosten sind höher als die der GKV und sie finanziert mangels einer effizienten Qualitätssicherung so manches, was als „Innovation“ verkauft wird, aber nicht unbedingt hilfreich ist. Wirtschaftlich sinnvoll wäre, das weltweit fast einmalige Nebeneinander von GKV und PKV zu beenden, aber das FDP-Klientel will seine Privilegien halt auch nicht aufgeben.

Dafür hat die FDP andernorts durchaus ein Herz für die evidenzbasierte Medizin:

„Zusätzlich werden wir alle Leistungsausweitungen der letzten zehn Jahre einem Evidenz-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitscheck unterziehen. Leistungen, die sich nicht bewährt haben, sollen aus dem GKV-Leistungskatalog gestrichen werden.“

Die 10-Jahresgrenze schützt vor einer Durchsicht der Maßnahmen der FDP-Gesundheitsminister Rösler und Bahr. So ein Zufall.

Medikamente sollen schneller auf den Markt kommen – Innovationen sind ja immer gut, da kann man bei der Nutzenbewertung unnötige Bürokratie abbauen. In 10 Jahren kann dann immer noch jemand die neuen Mittel „einem Evidenz-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitscheck unterziehen“.

Interessant ist auch dieser Satz:

„Therapieerfolge wollen wir besonders vergüten.“

Woran bemessen sich „Therapieerfolge“? Will die FDP eine Therapieerfolgsmessungsbürokratie aufbauen? Oder einfach die Patient:innen befragen? Dann dürfen sich die homöopathischen Ärzte freuen.

Für die Prävention ist bei der FDP jeder selbst verantwortlich:

„Wir Freie Demokraten wollen eine aktive Präventionsstrategie starten. Die Digitalisierung bietet hierbei große Chancen, zum Beispiel durch Gesundheits-Apps, Telemedizin und Wearables. Wer Vorsorge betreibt, verursacht dadurch weniger Ausgaben für seine Krankenkasse.“

Mit der Verhältnisprävention fremdelt die FDP dagegen bekanntermaßen. Da müsste sie sich für weniger Armut engagieren, für mehr Arbeitsschutz oder einen effizienteren Umweltschutz. Das sieht man vermutlich als Unfreiheit.

Die FDP will weiterhin Corona aufarbeiten:

„Wir Freie Demokraten fordern einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um echte Aufklärung und Transparenz durch ein geordnetes Verfahren zu gewährleisten und Handlungsempfehlungen für zukünftige Krisen zu geben.“

Bei der Organspende sowie dem Suizid spricht sich die FDP für die Möglichkeit einer freien Entscheidung aus, die Lebendorganspende will sie „liberalisieren“. Immerhin ist sie für einen Ausbau der Suizidprävention.

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Kommentare (15)

  1. #1 hto
    18. Dezember 2024

    Das Programm der FDP braucht man doch garnicht lesen, denn bei denen ist klar, daß die Masse für Kohle und Gesundheit zu Catweazle gehen und Kröten lecken kann!?

    • #2 Joseph Kuhn
      18. Dezember 2024

      @ hto:

      Nicht alles im FDP-Programm ist auf diese Linie zu bringen, Lesen lohnt immer. Für mich schon alleine wegen der Kulturgut-Auto-Sache. Ich hätte mir einen Satz zum Kulturgut Frankenwein gewünscht. Oder zur Frage, die Edmund Stoiber und mich beschäftigt, ob die Länge der Nürnberger Bratwürste ein Kulturgut ist oder nur ein Längendefizit aufgrund früheren Mangels an Wurst.

  2. #3 Ludger
    18. Dezember 2024

    Sie [die FDP] setzt sich für ein Primärarztsystem ein, also kein freier Zugang mehr zu Fachärzten.

    Die haben offenbar Nachhilfe bei Ulla Schmidt genommen.

    Wirtschaftlich sinnvoll wäre, das weltweit fast einmalige Nebeneinander von GKV und PKV zu beenden, aber das FDP-Klientel will seine Privilegien halt auch nicht aufgeben.

    Seit wann gehört die Beamtenschaft zum FDP-Klientel? Die meisten Privatpatientinnen bei mir waren beihilfeberechtigt aber nicht so die klassischen FDP-Wählerinnen. Eher grün oder CDU. Gibt es denn überhaupt eine Partei, die den Beihilfe-Weg abschaffen möchte?

    • #4 Joseph Kuhn
      19. Dezember 2024

      @ Ludger:

      Inzwischen ist gut die Hälfte der PKV-Versicherten beihilfeberechtigt. Das ganze PKV-System beruht auf massiver staatlicher Unterstützung. Unter den anderen PKV-Versicherten, z.B. Selbstständigen oder gutverdienenden Angestellten, die in jungen Jahren von einkommensunabhängigen Prämien profitieren, dürften mehr FDP-affin sein als in der AOK.

      Beim Primärarztsystem ist mir die Motivation der FDP nicht ganz klar. Die Ärztezeitung schreibt, die FDP wolle das nur “anreizen”, also den direkten Zugang zu den Fachärzten doch nicht einschränken. Das wäre dann eigentlich nur der Status quo hausarztzentrierter Versorgung, also der Spagat zwischen den Interessen von Haus- und Fachärzten.

  3. #5 hto
    19. Dezember 2024

    Schlagzeile web.de:
    Habeck lehnt TV-Duell mit Weidel ab – ARD und ZDF reagieren

    Mach doch mal dazu ein Fass auf
    Stichworte: Pseudo-liberal, Heuchelei, Lügen, “demokratische” Ränkespiele

    Also wenn ich mit Habeck und Weidel live im TV an einem Tisch sitzen dürfte, dann würde beiden sicher die Spucke weg bleiben.

  4. #6 Umami
    Karlsruhe
    20. Dezember 2024

    Inwiefern wird das PKV-System subventioniert?

    • #7 Joseph Kuhn
      20. Dezember 2024

      @ Umami:

      “Inwiefern wird das PKV-System subventioniert?”

      Indem Beamte in den meisten Bundesländern keine Wahl haben als sich privat zu versichern, indem der Zugang zur PKV eine Risikoselektion befördert, die ärmere und kränkere Menschen in der GKV lässt, indem die GKV manche gesamtgesellschaftlichen Aufgaben alleine trägt usw.

  5. #8 Staphylococcus rex
    20. Dezember 2024

    @ Umami, Subventionierung der PKV? Direkt nein, indirekt ja.
    – Risikoselektion (siehe Joseph Kuhn)
    – Umsetzung Versorgungsauftrag (KV- und Notdienste) läuft über GKV
    – Geplante Zuschüsse zur anstehenden Krankenhausreform …

    Andererseits war früher der Preis pro Leistung bei der PKV höher als bei der GKV (ist heute nicht mehr überall so), aber die GOÄ wurde seit Jahrzehnten nicht mehr aktualisiert und auch die letzten drei Jahre wurde die GOÄ-Reform durch Lauterbach verschleppt. Die GKV ist an das WANZ-Prinzip gebunden, Innovationen wurden initial durch Privatpatienten subventioniert. Durch höhere PKV-Einnahmen konnten früher die Leistungserbringer gesamtgesellschaftliche Aufgaben querfinanzieren. Ob die Krankenhausabrechnung von PKV-Patienten über GOÄ oder Fallpauschalen erfolgt, kann ich nicht sagen.

    Das Verhältnis GKV und PKV bei der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben ist aufgrund der unterschiedlichen Steuerungsmechanismen nicht ganz trivial, eine Nachjustierung ist sicher erforderlich.

    Eine Umsetzung der GOÄ-Reform bedeutet einen Einkommensgewinn für die Leistungserbringer und eine Kostensteigerung für die PKV-Versicherten (und die Beihilfe). Dies würde den Druck auf die PKV sich zu reformieren deutlich erhöhen.

  6. #9 Umami
    Karlsruhe
    23. Dezember 2024

    Danke für die Antwort!
    Also ist es keine “aktive” Subvention, in der Geld in die PKV fließt, sondern eher “indirekt”.
    In der PKV fällt der positive Solidarbeitrag der (gesunden) Besserverdiener im Gesamtsystem weg und die PKV bekommt die billigen gesunden (Besserverdiener).

    Dann ist mir auch klar, warum die Ärzte für die Privatversicherten mehr erhalten können.

    • #10 Joseph Kuhn
      23. Dezember 2024

      @ Umami:

      “In der PKV fällt der positive Solidarbeitrag der (gesunden) Besserverdiener im Gesamtsystem weg”

      Das sollte vermutlich “GKV” heißen? Ganz fällt der positive Solidarbeitrag nicht weg, es gibt in der GKV natürlich auch sog. “gute Risiken”, also Versicherte, die mehr einzahlen als sie kosten. Sonst ginge die Rechnung einer solidarischen Krankenversicherung nicht auf.

      “Dann ist mir auch klar, warum die Ärzte für die Privatversicherten mehr erhalten können.”

      Die PKV kann die Einnahmen der Versicherten auf weniger Patienten konzentrieren, die bringen daher pro Kopf mehr Geld zum Arzt mit. Auf der Ärzteseite kommt noch ein zweiter Aspekt hinzu: Die Privatpatienten verteilen sich nicht gleichmäßig über die Ärzte, sondern clustern regional. Daher resultiert für manche Ärzte an den richtigen Orten ein überproportionaler Anteil des Einkommens aus Privatpatienten (von den reinen Privatärzten einmal ganz abgesehen).

  7. #11 Umami
    Karlsruhe
    23. Dezember 2024

    Bei der Bürgersversicherung ist beim Abschnittsbeginn ein Tippfehler.
    Und die 10 Jahre fehlen im Zitat.

    • #12 Joseph Kuhn
      23. Dezember 2024

      @ Umami:

      Danke für den Hinweis auf den Tippfehler, ist korrigiert.

      Die 10 Jahre sind im Zitat, gleich in der ersten Zeile (“alle Leistungsausweitungen der letzten zehn Jahre”). Oder meinen Sie etwas anderes?

  8. #13 Umami
    Karlsruhe
    23. Dezember 2024

    Oh, zehn und 10 liest mein Hirn unterschiedlich.

    Zur PKV/GKV: ich meinte: in der PKV fällt der weg, wird dort ja nicht gebraucht. In der GKV fehlt der dann.

  9. #14 Joseph Kuhn
    9. Februar 2025

    Vorschlag Dürr:

    Eine bessere Patientensteuerung ist in Deutschland nötig, vor allem eine Entlastung der Notaufnahmen in den Krankenhäusern. Auch ein verbindliches Hausarztmodell statt eines ungebremsten Direktzugangs zu Fachärzten könnte helfen. Christian Dürr von der FDP hat eine andere, aus der PKV übernommene Idee:

    “Wer in einem Quartal nicht zum Arzt geht oder seine Rechnung selbst zahlt, bekommt Geld zurück. Das hat drei positive Effekte: 1. Entlastung der Arztpraxen 2. Entlastung der Versicherten 3. Mehr Eigenverantwortung. Win – win – win.”

    Dabei sind diese Effekte gegenzurechnen: Tendenziell bekommen die Jungen und Gesunden Geld zurück, tendenziell die sozial besser Situierten (die seltener krank sind), manche Kranke verschleppen vielleicht eine Krankheit wegen des Geldes, und wer seine Rechnung selbst zahlt, zahlt halt selbst, entlastet aber nicht die Arztpraxen.

    Win-win-win?

  10. #15 Joseph Kuhn
    20. Februar 2025

    ARD-Sendung “Schlussrunde”

    In der ARD-Sendung “Schlussrunde” hat Christian Lindner gerade für die PKV plädiert, weil es sonst keine Wahlfreiheit bei den Kassen mehr gäbe und weil sie in der Verwaltung effizienter sei. Der Mann hat entweder keine Ahnung oder er lügt ungeniert.

    ——————–
    Nachtrag 21.2.2025: Nachdem auch andere FDP-Funktionäre die gleichen Sprüche bemühen, muss man wohl bewusste Desinformation annehmen. Immerhin hat Lindner in seinem Statement auch klargestellt, dass das im Wahlprogramm geforderte Primärarztsystem nur ein Potemkinsches Dorf war, die freie Arztwahl soll natürlich nicht eingeschränkt werden.