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Die letzte Woche mit den beiden Abstimmungen im Bundestag war sicher keine Glanzstunde der Demokratie in Deutschland und auch weltweit hat es die Demokratie gerade schwer.

Für die Demokratie sind heute in vielen Städten viele Menschen auf die Straße gegangen. 160.000 sollen es in Berlin gewesen sein, 20.000 in Regensburg und in Dachau waren es nach Angabe der Polizei immerhin 4.000. Dachau hat mit seiner Vergangenheit als Standort des ersten Konzentrationslagers in Nazi-Deutschland eine besondere Verantwortung, wenn es um das vielzitierte „Nie wieder“ geht. Aufgerufen zur Demo hatte der „Runde Tisch gegen Rassismus Dachau e.V.“, ein Zusammenschluss vieler Organisationen, von der KZ-Gedenkstätte Dachau über die Stadt Dachau, Amnesty, die Ortsverbände der demokratischen Parteien bis hin zu den Kirchen.

Dass sich so viele Menschen auf der Straße zeigen, ist wichtig. Es macht Mut angesichts der oft entmutigenden Nachrichten aus aller Welt, und es zeigt auch, dass 2025 nicht 1933 ist. Massendemonstrationen für die Weimarer Republik gab es nicht. Das Bild vom „Tor zur Hölle“, mit dem der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Freitag im Bundestag argumentiert hat, ist bei aller Notwendigkeit, der AfD nicht noch mehr Einfluss auf die Gesetzgebung zu geben, als sie ihn indirekt eh schon hat, kein angemessenes Bild der aktuellen politischen Situation.

Dennoch: Die von Friedrich Merz mutwillig und unnötig provozierten Abstimmungen im Bundestag haben gespalten, nicht zusammengeführt. Die Folgen hat man auch auf der Demo in Dachau sehen können: Zwar waren Mitglieder der CSU da, aber die CSU als Partei war nicht sichtbar. Insofern hat die Demo auch vor Augen geführt, wie fragil das gemeinsame Engagement gegen Rechts gerade im bürgerlichen Milieu ist – hoffentlich keine dauerhafte Entwicklung. Es ist gut, dass sich Friedrich Merz gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen hat, er sollte auch ein Zusammenspiel mit ihr vermeiden.

Kommentare (18)

  1. #1 Volker Birk
    https://blog.fdik.org
    2. Februar 2025

    Vermutlich lebe ich zu lange in der Schweiz, um das noch nachvollziehen zu können.

    Aber Demokratie bedeutet auch, dass man Leute und Meinungen akzeptiert, die man sehr schlecht findet. Das gehört dazu.

    Die Aufgeregtheit, die hier zu beobachten ist, ist mir nicht mehr verständlich.

    Abgesehen davon wirkt das Ganze wie eine Werbeaktion für die “AfD”. Damit werden die Demonstranten niemanden überzeugen, der bisher schon “AfD” wählen möchte. Und sie werden niemanden überzeugen, der sich gerade überlegt, ob er nicht die “AfD” wählen möchte bei der nächsten Wahl.

    Die Demonstranten erreichen mit ihrer Hysterie also das genaue Gegenteil dessen, was sie beabsichtigen. Sie scheinen das nicht zu erkennen, dass sie sich nur um sich selbst drehen und alle anderen abschrecken.

    • #2 Joseph Kuhn
      2. Februar 2025

      @ Volker Birk:

      “Vermutlich lebe ich zu lange in der Schweiz, um das noch nachvollziehen zu können.”

      Vermutlich.

      “Aber Demokratie bedeutet auch, dass man Leute und Meinungen akzeptiert, die man sehr schlecht findet.”

      Niemand muss falsche Meinungen akzeptieren. Nicht mal ganz harmlose. Und niemand muss einer Partei wie der AfD Machtoptionen eröffnen. Im Extremfall: 1933 wurde wirklich das “Tor zur Hölle” aufgemacht, auf demokratischem Wege. War das etwas, was Ihrer Meinung nach “Demokratie bedeutet” und zu “akzeptieren” war?

      “Abgesehen davon wirkt das Ganze wie eine Werbeaktion für die “AfD”.”

      So hat auf mich und viele andere das Vorgehen von Merz gewirkt. Aber ich nehme zur Kenntnis, dass Sie Werbung für die AfD nicht gut finden.

      “Damit werden die Demonstranten niemanden überzeugen, der bisher schon “AfD” wählen möchte.”

      Vermutlich nicht.

      “Und sie werden niemanden überzeugen, der sich gerade überlegt, ob er nicht die “AfD” wählen möchte bei der nächsten Wahl.”

      Vielleicht nicht viele. Aber darum geht es primär auch nicht. Ich sehe den Sinn dieser Demos darin, öffentlich zu zeigen, wo große Teile der Bevölkerung stehen. Das akzeptieren Sie doch sicher, siehe Ihre Demokratiedefinition.

      “Die Demonstranten erreichen mit ihrer Hysterie also das genaue Gegenteil dessen, was sie beabsichtigen.”

      In Dachau gab es keine “Hysterie”. Vielleicht projizieren Sie da die Stimmung aus Ihren Corona-Demos auf die Demos heute.

      —————
      Nachtrag: Das Problem sehe ich nicht darin, dass die Demos am Ende der AfD Sympathisanten zutreiben, sondern in der schwierigen Balance, die Union einerseits für Vorgänge wie letzte Woche unmissverständlich zu kritisieren, andererseits nicht aus einem gemeinsamen Engagement gegen Rechts auszugrenzen.

  2. #3 DH
    2. Februar 2025

    ” dass 2025 nicht 1933 ist. ”
    ja aber hier wird der falsche Grund genannt, Demos gabs auch in den frühen 30ern.
    Dennoch stimmts, es droht kein viertes Reich, dieses Nazi-Gebrabbel war sowieso nur ein Zeichen der progressiven Inkompetenz, durch das leider übertüncht wird, daß dieses fließende und in die bürgerliche “Mitte” hineinwabernde Bündnis aus Rechtskonservativen und Rechtsradikalen sehr wohl eine Chance hat, das zu errichten was ein genialer Zeitgenosse als “Demokratur” bezeichnet hat.
    Ein österreichischer Kabarettist hat mal gesagt, Nazis hätten auch in Ö keine Chance, aber der Austrofaschismus (der dem Anschluß vorherging) sei nach wie vor hoffähig.
    Die Abstimmung am Freitag sehe ich allerdings als gutes Zeichen für die Demokratie, Abweichler in einem Land des ziemlich strikten Fraktionszwangs, das ist gar nicht so wenig.
    Auch, Zustimmung, die Demos sind ein demokratisches Zeichen, nicht kurzfristig weil die Mehrheit dort weiter inhaltlich versagt beim Thema der Immigration u.a., aber weil sie, wenn sie es ernst meinen und nicht weiter die Looser sein wollen, dazu gezwungen sein werden ihre Positionen zu verbessern.

    • #4 Joseph Kuhn
      2. Februar 2025

      @ DH:

      “Demos gabs auch in den frühen 30ern.”

      Ich schrieb: “Massendemonstrationen für die Weimarer Republik gab es nicht.” Falls ich mich da irren sollte, wäre eine Referenz hilfreich, ich bin kein Historiker und lerne in diesen Sachen gerne dazu.

      “Abweichler in einem Land des ziemlich strikten Fraktionszwangs, das ist gar nicht so wenig.”

      In der Tat, und das in der hochangespannten Situation am Freitag.

      Aber da die realen Problem unseres Alltags – ceterum censeo: Wohnungen, Pflege, Bahn usw. – absehbar weiter liegen bleiben, fürchte ich, bleibt der Boden für Rechtspopulismus auch weiter fruchtbar. Und das leider in vielen Ländern der Welt. Versäumnisse und Irrwege des linken politischen Spektrums kommen noch dazu.

  3. #5 Alisier
    2. Februar 2025

    Es ist nicht 1933. Richtig.
    Bei den Bundestagswahlen werden voraussichtlich CDU/CSU zusammen mit der AfD über 50% der Stimmen vereinigen können.
    Die Christdemokraten schaffen es bis jetzt nicht sich von den Hetzern von rechts überzeugend zu distanzieren, sondern lavieren zusammen mit Teilen der konservativ genannten Presse lediglich herum.
    “Aber die gefährlichen Migranten! Da muss man doch…”
    WAS muss man?
    Gut, heute und gestern waren viele auf der Straße. Das war wichtig.
    Ansonsten fühlen sich inzwischen viele der Nichtdeutschen nicht mehr sicher.
    Die Gefahr, die von Migranten ausgeht ist sehr überschaubar und beherrschbar wenn man denn will.
    Die Gefahr für Migranten steigt und die Anfeindungen werden häufiger und sind inzwischen deutlich spürbar.
    Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass auf die Mehrheit der Gesellschaft Verlass ist, wenn es um den Schutz von Menschenrechten geht.
    Es geht darum Schuldige zu finden.
    Und da gibt es dann leider doch Parallelen zu 1933.

    • #6 Joseph Kuhn
      2. Februar 2025

      @ Alisier:

      “Die Christdemokraten schaffen es bis jetzt nicht sich von den Hetzern von rechts überzeugend zu distanzieren, sondern lavieren zusammen mit Teilen der konservativ genannten Presse lediglich herum.”

      Ich empfehle, hier nicht zu pauschalieren, sondern möglichst präzise zu adressieren. Siehe den wichtigen Hinweis von DH auf die Abstimmungsverweigerer letzte Woche im Bundestag, und siehe auch andere kritische Stimmen in der Union wie in der konservativen Presse. Man schadet dem eigenen Anliegen, alles über einen Kamm zu scheren und verliert wichtige Bündnispartner aus den Augen.

      “Die Gefahr für Migranten steigt und die Anfeindungen werden häufiger und sind inzwischen deutlich spürbar.”

      Leider. In den 1990er Jahren war es schon einmal ziemlich schlimm.

      “Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass auf die Mehrheit der Gesellschaft Verlass ist, wenn es um den Schutz von Menschenrechten geht.”

      Ich schon, und Demos wie die heute oder die im letzten Jahr bestärken mich darin.

      “Und da gibt es dann leider doch Parallelen zu 1933.”

      Dann hoffen wir mal, dass es Parallelen blieben, also Linien, die sich erst im Unendlichen treffen.

  4. #7 Alisier
    2. Februar 2025

    @ Joseph Kuhn
    Danke für die differenzierte und differenzierende Antwort.
    Hoffen…auf jeden Fall.
    Handeln ebenfalls.
    Da herrscht mit ziemlicher Sicherheit kein Dissens.

  5. #8 Joseph Kuhn
    2. Februar 2025

    Am Rande

    Heute war Alice Weidel bei Caren Miosga. Miosga war wie oft etwas überfordert und hat an den falschn Stellen unterbrochen, aber sie hatte mit Robin Alexander (WELT) und Hildegard Müller (Präsidentin VdA) zwei Gäste, die sehr schnell und ohne jede Polemik haben deutlich werden lassen, wie inkompetent Weidel ist, beispielsweise was die Größenordnung der Beschäftigenzahlen der deutschen Autoindustrie in den USA angeht, die komparativen Kosten von Energieträgern oder den Subventionsbedarf neuer Kernkraftwerke. Auch eklatante Widersprüche der AfD-Politik kamen auf den Tisch, z.B. die Forderung nach Wiederinbetriebnahme von Nordstream und die Anbiederung an Trump, der entschieden dagegen ist.

    Weidel hat immer wieder unangenehm arrogant reagiert, hat den anderen unterstellt, sie verstünden nichts von der Sache und nebenbei noch den polnischen Präsidenten beleidigt. Da wurde regelrecht penetrant sichtbar, dass diese Partei unfähig zu verantwortungsvoller Politik ist und man mit ihr besser keine gemeinsame Sache macht.

  6. #9 naja
    3. Februar 2025

    @ Alisier
    Ich finde auch, dass wir gesamtgesellschaftlich auf der Skala der Entmenschlichung ziemlich weit fortgeschritten sind.
    Ziemlich viele akzeptieren fraglos, dass “die Migranten ein Problem” sind. Sogar das Menschenrecht auf Asyl wird in Frage gestellt und als Gastrecht umgedeutet. Wir haben gerade schwarz auf weiss, aus welch einem System Syrer zu uns geflohen sind, da geht es aber sofort darum, sie abzuschieben. Ich finde, Menschen werden behandelt wie eine gesichtslose Masse.
    Da sind so einige Lichter erloschen, auch bei mir.
    Nein, 2025 ist nicht 1933. Aber in acht Jahren ist 2033…

  7. #10 RGS
    3. Februar 2025

    Die Einwanderungspolitik wäre ein Feld in dem die CDU mal etwas grundlegendes modernes leisten sollte.
    Im Angesicht von Tötungen durch Psychopathen wird das aber schwierig, wenn Rachegelüste und Sündenbocksuche das Hirn vernebeln.
    Wie die Briten es gemacht haben, ist eventuell auch kein Vorbild.
    Da sind jetzt mehr Einwanderer gekommen als vor dem Brexit. Weniger aus Europa, dafür mehr aus Asien.

    Grenzkontrollen und die Verweigerung von legalem Status in Deutschland wird vermutlich zu mehr Einwanderern führen, die hier völlig illegal leben. Siehe USA. Ob das dann besser ist? Die USA haben 22% illegale Immigranten im Land, Deutschland hat 4%:
    https://ourworldindata.org/countries-measure-immigration-accurate-data

    Im Übrigen wäre das Thema Schuldenbremse auf der Tagesordnung auch noch wichtig. Der Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat das gerade angemahnt:
    https://www.zeit.de/news/2025-01/22/bundesbankchef-brauchen-voellig-neue-schuldenbremse

  8. #11 Alisier
    3. Februar 2025

    @ RGS
    Die Zahlen welche sie genannt haben bezüglich illegaler Immigration sind wichtig und berühren einen entscheidenden Punkt.
    Es geht AfD und Konsorten eben meist nicht um Illegalität sondern um Migration an sich und um die Verschmutzung des deutschen Volkskörpers mit volksfremden Genen.
    Diese genuin rassistische Position wird lediglich notdürftig verschleiert und schimmert dennoch immer durch.
    Wenn die CDU jetzt auf den Zug aufzuspringen versucht ohne das Kind beim Namen zu nennen, nämlich dass ein Teil der Bevölkerung ihre rassistischen Ressentiments nicht im Griff hat, dann unterstützt sie die Fortdauer dieser psychischen Störung eines Teils des rechten Spektrums.
    Und die rein weißen Psychopaten töten ebenfalls dann und wann.
    Diese leidvolle Erfahrung haben wir zu oft gemacht.
    Ehrlichkeit täte hier Not, denn wenn der rassistische Unterton verblasst, lässt sich viel vernünftiger miteinander reden, auch über Migration.
    Dafür muss man das Thema aber direkt ansprechen, und das ist recht schwierig.

  9. #12 Alisier
    3. Februar 2025

    Und es gibt neben der Schuldenbremse noch viele andere wichtige Themen.
    Sich nur auf die Migration zu konzentrieren ist nicht sinnvoll, selbst wenn da der Bevölkerung aus purer Tradition schnell die Muffe geht.
    Ein Großteil des AfD-Wahlkampfs stützt sich auf eine unbehandelte Angststörung ihrer Wählerschaft.
    Wie man den Menschen dabei helfen kann diese zu überwinden und sich danach gemeinsam anderen dringend zu lösenden Problemen zuzuwenden wäre zu diskutieren.

  10. #13 Fjord Springer
    3. Februar 2025

    @RGS & Alisier

    Entschuldigung, wenn ich mich kurz einmische, aber der Begriff “Psychopath” ist in diesem Zusammenhang falsch. Weder im DSM-5 noch im ICD-10 ist Psychopathie als Diagnose aufgeführt. Es mag sein, dass einige der Attentäter/Amokläufer psychisch krank sind, Psychopathen sind sie nicht. Das Problem bei der Psychopathie ist die Abgrenzung – wie so oft bei psychischen Erkrankungen.

    Ansonsten finde ich die Argumente von Ihnen Beiden einleuchtend und es wert darüber nachzudenken. ;o)

    Herzlichst,

    Fjord

  11. #14 Alisier
    3. Februar 2025

    @ Fjord Springer
    Sie haben Recht.
    Wir sollten es schaffen in solchen Bereichen präzise zu sein.

  12. #15 DH
    3. Februar 2025

    @Joseph Kuhn
    ““Massendemonstrationen für die Weimarer Republik”
    Da habe ich mich unpräzise ausgedrückt, gemeint waren linke Demos, wenn man sie mal so nennen will, denn es waren v.a. Kommunisten- in dieser Zeit völlig dominiert von Stalinisten- die “Gegenveranstaltungen” machten, meist begleitet von der Gewalt die ihnen von der SA aufgewungen wurde und die sie zu kleineren Teilen selbst verursacht haben.
    So gesehen hinkt mein Vergleich tatsächlich, ein breites Eintreten für die Republik gab es nicht.
    Übrigens ist es gleichzeitig ein Mythos, die WR hätte von Anfang an mehr Gegner als Unterstützer gehabt.
    Im Jahr 1920 gab es den “Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch”, der, im Gegensatz zu Hitler 23, Erfolg hatte für kurze Zeit- und der entscheidend gestoppt wurde durch einen Generalstreik mit 6 Millionen Beteiligten.
    Das spricht eher gegen eine frühe antidemokratische Stimmung in der WR.
    “Irrwege des linken politischen Spektrums”
    In dem verlinkten Artikel gibt es einen wichtigen Punkt:
    Wer darf über was reden? Daß nur Angehörige einer beteiligten Ethnie das dürfen und, weiter gesteigert, das Prinzip der kulturellen Aneignung, zeigt sehr stark den ultrareaktionären Geist der sich da breit gemacht hat.
    Linke im fortschrittlichen Sinn, Liberale, das waren in besseren Zeiten immer Anhänger einer gewissen Vermischung, nicht um ihrer selbst Willen, aber klug zugelassen und auch mal gesteuert- wie kann die Linke auf solche Abwege geraten?

  13. #16 Ignaz
    5. Februar 2025

    @Joseph Kuhn:
    Jetzt mal rein prinzipiell: Wer entscheidet, ob eine Meinung falsch ist? Sie etwa? Das erinnert jetzt irgendwie schon an das berühmte Wahrheitsministerium.
    Das ist eben der Unterschied zwischen Meinungen und Tatsachenbehauptungen.

    • #17 Joseph Kuhn
      5. Februar 2025

      @ Ignaz:

      Wenn eine Meinung sich auf Tatsachen bezieht, entscheiden die Tatsachen, bzw. deren (ggf. vorläufige) Feststellung. Da kann es schon sein, dass ich entscheiden kann, ob eine Meinung – z.B. Trumps Meinung, Belgien sei eine schöne Stadt – falsch ist. Auch wenn jemand mitten in der Nacht meint, es sei heller Tag, traue ich mir das zu. Ganz ohne Wahrheitsministerium.

      Oft wird man zur (vorläufigen) Feststellung der Tatsachen Studien zu Rate ziehen müssen, etwa zur Frage, ob rotes Fleisch Krebs begünstigt oder welche gesundheitlichen Folgen Passivrauchen hat. Da reicht der individuelle Erfahrungshorizont nicht mehr aus.

      Wenn es um ethische Wertungen geht, ist es oft noch schwieriger, weil man z.B. auf der Basis einer Pflichtenethik manche Sachverhalte anders sehen wird als auf der Basis einer konsequentialistischen Ethik.

      Ein weites Feld, rein prinzipiell. Als Einstieg für solche Fragen: Hans Poser: “Wissenschaftstheorie”, Reclam 2001, kann sich jeder leisten.

  14. #18 DH
    5. Februar 2025

    Kleiner Nachtrag zur Weimarer Republik:
    Hamed Abdel-Samad schreibt in seinem Buch “Der Preis der Freiheit- Eine Warnung an den Westen”
    es hätte in der Weimarer Zeit einen “verwahrlosten Individualismus” gegeben hat, der zu einem Bedürfnis nach Gemeinschaft geführt habe und, neben anderen Faktoren, einen “Selbstoptimierungswahn”.
    Leider führt er nicht aus wie letzteres seinerzeit ausgesehen hat, dennoch ist das interessant, weil es uns nicht ganz unbekannt ist.
    Solche kulturellen Entwicklungen, die jenseits migrantischer Fragen stehen, sind auch sehr wichtig.