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Vor zwei Jahren hatte ich das Buch „Radikaler Universalismus“ von Omri Boehm hier kurz in einer 7-Zeilen-Rezension vorgestellt. Boehm engagiert sich mit seiner philosophischen Position auch in aktuellen politischen Konflikten und das trägt ihm, vor allem wenn es um Israel geht, immer wieder vehemente Kritik ein.

Jetzt war Omri Boehm eingeladen, bei der Gedenkfeier zur Befreiung des KZ Buchenwald eine Rede zu halten. Auf Druck der israelischen Botschaft wurde er wieder ausgeladen, weil seine Rede nach Ansicht der israelischen Botschaft das Leid der KZ-Opfer politisch instrumentalisiere, sie sei eine “eklatante Beleidigung des Gedenkens an die Opfer”. Auf X fand die Botschaft noch härtere Worte: “Ihn als Redner zu einer Holocaust-Gedenkveranstaltung in Buchenwald einzuladen, ist so, als würde man Baschar al-Assad einladen, einen Vortrag über Menschenrechte zu halten.”

Der Leiter der Gedenkstätte, Jens-Christian Wagner, hat die Kritik der israelischen Botschaft an Boehm als „absurd“ bewertet, was wiederum ihn ins Fadenkreuz der israelischen Botschaft gerückt hat, die ihm „Geschichtsklitterung und Geschichtsfälschung“ vorwirft.

Die Süddeutsche Zeitung hat heute Omri Boehms Rede abgedruckt, online leider hinter der Paywall. Boehm argumentiert für ein Erinnern, das im Heute verpflichtet, und für eine Lesart des “Nie wieder”, das nicht nur meint “Nie wieder wir Juden”, sondern universalistisch für alle gilt – also auch für die Palästinenser im Gazakrieg.

Dieses Thema ist hochgradig komplex und vermint. Das Erinnern auf heute verpflichten, kann leicht sowohl die Singularität des Holocaust relativieren als auch den Holocaust instrumentalisieren. Omri Boehm muss man beides nicht unterstellen, er ist Nachkomme von Nazi-Opfern und der Text seiner Rede gibt auch keinen Anlass zu einer solchen Unterstellung. Mir ist zudem nicht klar, wie man das Erinnern auf heute verpflichten kann, ohne es mit aktuellen Vorgängen zu verbinden – und ob ein bloß “gedenkendes” Erinnern die richtige Lehre aus der Vergangenheit ist.

Man kann gleichwohl die Begründung der Gedenkstätte nachvollziehen, die Überlebenden und ihre Nachkommen, die zur Feier kommen, sollten nicht in den aktuellen Konflikt hingezogen werden. Es wäre aber auch interessant gewesen, was sie zu Boehms Rede und seiner universalistischen Ethik gesagt hätten. Sie sind ja heute keine ohnmächtigen Opfer mehr, für die man sprechen muss, sondern Subjekte ihrer Lebenssituation, mit denen man sprechen kann – und soll.

Ob sie gesagt hätten, eine Gedenkfeier in Buchenwald ist nicht der richtige Ort, um indirekt die israelische Politik zu kritisieren? Oder eher im Gegenteil, das Erinnern in seiner Bedeutung für heute betont hätten? Aber: Ob man sie ausgerechnet anlässlich der Buchenwald-Befreiung zu solchen Positionierungen drängen sollte?

Wie dem auch sei, in dem Fall hat die israelische Botschaft wohl selbst zur politischen Instrumentalisierung von Buchenwald beigetragen.

Einen lesenswerten Artikel zu dem Eklat gibt es übrigens in der ZEIT. Bei diesen Themen, die so schwierig sind, bei denen so schnell aus einem Urteil eine Verurteilung und eine Ausgrenzung wird, möchte man mit dem aktuellen Buch von Stephan Lamby raten: „Dennoch sprechen wir miteinander“. Vielleicht ja in der Tat besser zu einem anderen Zeitpunkt an einem anderen Ort?

Kommentare (24)

  1. #1 RPGNo1
    8. April 2025

    In einem Artikel der Jüdischen Allgemeinen wird es als Fehler bezeichnet, Omri Böhm überhaupt eingeladen zu haben.

    https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/fehl-am-platz/

  2. #2 hto
    8. April 2025

    @RPGNo1

    Ja, genau da ist das Problem, welches auch dem “progressiven Denker” Boehm hätte klar sein müssen.

    • #3 Joseph Kuhn
      8. April 2025

      Warum? Worin genau besteht “das Problem”?

      Der Artikel in der Jüdischen Allgemeinen raunt: “Boehm argumentiert zum Teil im Dunstkreis der BDS-Bewegung, deren Vertreter immer wieder direkt oder indirekt das Existenzrecht Israels infrage stellen und den Holocaust relativieren.”

      Wie argumentiert man “zum Teil”, was bedeutet es, “im Dunstkreis” der BDS-Bewegung zu argumentieren, und hat Boehm wirklich das Existenzrecht Israels infrage gestellt und den Holocaust relativiert, oder wird diese Verbindung nur mit dem “Dunstkreis” hergestellt?

      Dito: “Seine Kritik am Zionismus wirkt in Teilen realitätsfremd und unfair gegenüber Israel.” Wieder kommt ein ungreifbares “in Teilen”, statt konkret zu sagen, wo er “unfair” argumentiert. Kann ja sein, dass es er tut, aber wo tut er es?

      Und trägt der Vergleich mit den fiktiven Handzetteln bei einer Beerdigung von Gaza-Toten? Bewegt sich Boehms Text auf diesen Niveau? Und dann das Fazit der Autorin: “Durch Nebentüren gelangen so anti-israelische Auslöschungsphantasien in den Diskurs über die Lehren aus der Nazizeit.” Boehm befördert “anti-israelische Auslöschungsphantasien”? Echt jetzt?

      Wie gesagt, ich kann die Begründung des Gedenkstättenleiters Wagner angesichts des Streits um die Einladung nachvollziehen, auch Omri Boehm scheint sie zu teilen. Aber solche Argumente, und das auch noch, wenn die israelische Regierung gleichzeitig kein Problem damit hat, Leute einzuladen, die sich wirklich “zum Teil im Dunstkreis” des Antisemitismus bewegen, siehe den letzten Absatz im oben verlinkten ZEIT-Artikels?

      Wo sind eigentlich bei dem Thema die ganzen Cancel-Culture-Kritiker?

  3. #4 hto
    8. April 2025

    @Kuhn

    Wenn ich Boehm richtig verstehe, ist ein Teil seiner “Radikalität” auch darauf fixiert diese Welt- und “Werteordnung” unter Auflösung aller Nationalstaaten neu zu ordnen. Wie er da kommuniziert ist nach meinen Erfahrungen falsch, besonders auf solch einer Holocaust-Gedenkveranstaltung.

    “zum Teil” ist immer auch populistisch.

    • #5 Joseph Kuhn
      8. April 2025

      @ hto:

      “Wie er da kommuniziert ist nach meinen Erfahrungen falsch, besonders auf solch einer Holocaust-Gedenkveranstaltung.”

      Das mag sein, und nachdem der Streit hochgekocht ist, sehen ja auch Wagner und Boehm den Verzicht auf die Rede bzw. ihr Verschieben als richtig an.

      Die Argumente der israelischen Botschaft oder der Autorin der Jüdischen Allgemeinen macht das aber nicht besser. Sie scheinen just so politisch motiviert, wie sie es Boehm unterstellen, und ein “dennoch sprechen wir miteinander” höre ich aus ihren Vorwürfen auch nicht heraus, eher den Versuch der Ausgrenzung aufgrund seiner politischen (in seiner Philosophie wurzelnden) Position.

      Wie gesagt: Im Nahost-Konflikt mit Lehren aus dem Holocaust zu argumentieren, ist hochgradig heikel und kann leicht ein Einfallstor für Antisemitismus oder auch nur unfairer Israelkritik werden, von links wie von rechts. Aber öffnet Boehm dieses Einfallstor, sind die Vorwürfe gegen ihn wirklich berechtigt, oder sollen sie nur eine schwärende Wunde der israelischen Politik überdecken?

      Mehr noch: Man könnte argumentieren, dass gerade die Erfahrungen des Holocaust alles rechtfertigen, was Israel tut, weil es letztlich jüdisches Leben nur durch rücksichtslose Stärke schützen kann. Aber dann muss man das genau so sagen, Boehms (und Kants) Universalismus ablehnen, und auch begründen, ob mit Blick auf andere Opfer von Völkermorden ebenso solche Konsequenzen zu ziehen sind. Dann ist man beim postkolonialistischen Denken angekommen.

  4. #6 hto
    8. April 2025

    @Kuhn: “Bewegt sich Boehms Text auf diesen Niveau?”

    Boehms Texte sind gut gemeint, “bewegen” sich aber auf konfusem Niveau.

  5. #7 hto
    8. April 2025

    @Kuhn #”Boehms (und Kants) Universalismus”

    Die “Vernunft” des kategorischen Imperativs, ebenso wie seine verkrampfte Umdeutung der Abraham-Geschichte, da steht er grundsätzlich schon sehr zweifelswürdig dar!?

    • #8 Joseph Kuhn
      8. April 2025

      @ hto:

      Inwiefern? Ich finde seine Abraham-Deutung klug und folgerichtig in Bezug auf Kant. Sie mögen das anders sehen und Gott als den letzten Grund aller Dinge betrachten, als unhintergehbares Fundament aller Moral. Autorität statt Vernunft.

      Aber was hat das mit dem Buchenwald-Eklat zu tun? Machen Sie jetzt, was die israelische Botschaft Boehm in ihrem X-Post vorwirft: den Holocaust als “Leinwand für modische intellektuelle Akrobatik” zu benutzen?

  6. #9 hto
    8. April 2025

    @Kuhn #”Autorität statt Vernunft”

    Gott IST Vernunft / die Vernunft des Geistes / des Zentralbewusstseins der Schöpfung, von Autorität kann keine Rede sein, Vernunft in Geboten, NICHT in heuchlerisch-verlogene / ignorant-arrogante Gesetze – In diesem Rahmen sollte auch die Abraham-Geschichte ausfallen!?

    • #10 Joseph Kuhn
      8. April 2025

      … sprach sein Prophet hto, der exklusiven Zugang zu ihm hat, sein Wesen kennt und auch sonst mehr weiß, als wir normalen Sterblichen.

  7. #11 RPGNo1
    8. April 2025

    Das Gedenken zum 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen NS-Konzentrationslagers Buchenwald wurde von mehreren Konflikten überschattet. Zuerst verschob die Gedenkstätte auf Druck der israelischen Botschaft die geplante Rede des jüdischen Philosophen Omri Boehm. Am Sonntag bezeichnete dann eine Rednerin während der offiziellen Gedenkveranstaltung auf dem ehemaligen KZ-Gelände das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen als “Genozid”.

    Jens-Christian Wagner stand als Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora in beiden Fällen zwischen den Konfliktparteien. Der stern hat mit ihm darüber gesprochen.

    https://www.stern.de/politik/deutschland/buchenwald–gedenkstaetten-leiter-spricht-ueber-eklat-um–genozid–spruch-35619780.html

    • #12 Joseph Kuhn
      8. April 2025

      @ RPGNo1:

      Danke, Wagner beschreibt die Situation m.E. sehr klar. Das gesellschaftliche Klima ist aufgeheizt und der Nahost-Konflikt ist eine der Heizspiralen, die die deutsche “Staatsraison” in ihrem vordemokratischen Charakter und latent grundgesetzwidrigen Implikationen wirksam werden lassen.

  8. #13 hto
    8. April 2025

    “Am Sonntag bezeichnete dann eine Rednerin während der offiziellen Gedenkveranstaltung auf dem ehemaligen KZ-Gelände das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen als “Genozid”.”

    Wie bei “Warten auf Godot” und Monty Python: “… hat Jehova gesagt” 🙁

  9. #14 naja
    8. April 2025

    @ Joseph Kuhn
    “Wo sind eigentlich bei dem Thema die ganzen Cancel-Culture-Kritiker?”

    Genau das habe ich mich auch gefragt. Aber die Frage kam mir dann zu polemisch vor.

  10. #15 Joseph Kuhn
    9. April 2025

    Jens-Christian Wagner in der Jüdischen Allgemeinen

    Auch die Jüdische Allgemeine bringt ein Interview mit dem Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner mit weiteren Hintergrundinformationen. Daraus drei Sätze:

    Zum Anlass: “Wann, wenn nicht am 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Befreiung der Konzentrationslager, sollen wir darüber nachdenken, was das für uns heute bedeutet?”

    Zur Stimme der Opferangehörigen: “Die Überlebenden werden immer einbezogen in die Vorbereitung der Gedenkveranstaltungen, konkret über das Internationale Komitee Buchenwald-Dora.”

    Zur Absage: “Ich habe lange Gespräche mit Boehm geführt. Wir haben dann gemeinsam entschieden, seinen Auftritt auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, möglichst noch in diesem Jahr.”

    Möge es dazu beitragen, “das Gift aus der Debatte zu nehmen”, wie Wagner sagt.

    Natan Sznaider im SPIEGEL

    Im SPIEGEL ist ein Gastbeitrag des israelischen Soziologen Natan Sznaider, der die Besonderheit der jüdischen Perspektive nach dem Holocaust hervorhebt, also nicht von einem universalistischen Standpunkt aus argumentiert wie Omri Boehm. Auch daraus einige bedenkenswerte Passagen:

    “Israel ist die partikulare jüdische Lösung für ein partikulares jüdisches Problem. Diese Spannung zwischen dem Allgemeinen und dem Spezifischen macht sich an der Gegenwart der Juden fest.”

    “Antisemitismus ist keine Unstimmigkeit der Moderne, die durch Aufklärung behoben werden kann. Antisemitismus ist Teil der Aufklärung.”

    “Omri Boehm ist da anderer Ansicht, er plädiert für einen radikalen Universalismus. Und trotzdem war ich schockiert, als ich von der Absage der Rede Omri Boehms (…) las. Schockiert und auch beschämt, weil diese Ausladung im Namen einer für mich durchaus legitimen partikularen Erinnerung geschah.

    So wird in einer Nachricht der israelischen Botschaft auf X behauptet, dass Boehms Perspektive eine eklatante Beleidigung des Gedenkens an die Opfer sei, die den Holocaust relativiert. Abgesehen davon, dass die israelische Botschaft nicht im Namen der Holocaustopfer sprechen kann, stimmt diese Aussage einfach nicht.”

    Und er macht das “dennoch sprechen wir miteinander” stark:

    “Die Kunst besteht nun darin, aus der Differenz eine gemeinsame Welt zu erschaffen und zu gestalten. Nur so geht Leben.”

  11. #16 hto
    9. April 2025

    “Zur Absage: “Ich habe lange Gespräche mit Boehm geführt.”

    Ich möchte gern wissen was es da lange zu Besprechen gibt???

    • #17 Joseph Kuhn
      9. April 2025

      Fragen Sie ihn doch einfach. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie all die Punkte besprochen haben, die gerade in den Medien und auch hier im Blog verhandelt werden.

  12. #18 hto
    9. April 2025

    @Kuhn

    😉

  13. #19 Joseph Kuhn
    10. April 2025

    Alan Posener zur Absage der Rede

    Alan Posener steht zuverlässig für meinungsstarke Kommentare, es lohnt sich immer, sie zu lesen, und oft kommt man zu dem Schluss, dass man die Dinge nicht so sehen muss wie er.

    In der WELT hat er sich heute nochmal zum Eklat um Omri Boehm geäußert, überschrieben mit “Die Irrtümer des Omri Boehm”. Er beginnt diesmal, anders als bei seinem ersten WELT-Kommentar zur Ausladung Boehms, mit einer handfesten persönlichen Herabsetzung:

    “Omri Boehm, ein in Israel geborener Philosoph, der an der New Yorker New School lehrt, ist in Israel und den USA nur wenigen bekannt, in Deutschland hingegen ist er ein Star. Das hat wenig mit seinen Leistungen auf dem Gebiet der Philosophie zu tun, viel hingegen mit seiner Kritik an der Politik Israels und überhaupt am Konzept eines jüdischen Staates (…).”

    Dann kommt der Alibi-Jude zur Anwendung (cave: Posener hat selbst jüdische Wurzeln):

    “Dass es für Deutsche angesichts ihrer Geschichte entlastend ist, wenn ein Jude ausgerechnet dem jüdischen Staat vorwirft, einen „Ethno-Nationalismus“ zu praktizieren, ist klar.”

    Gefolgt von einer falschen These:

    “Aber was bedeutet „Ethno-Nationalismus“ wirklich? Eigentlich nur, dass der betreffende Staat sich als Staat eines bestimmten, sich zur Nation konstituierenden Volks versteht.”

    Hier verwischt Posener den Unterschied zwischen dem Abstammungsprinzip der Staatsbürgerschaft mit anderen Konzepten. Die amerikanische “Nation” beispielsweise könnte man “ethno-nationalistisch” gar nicht fassen.

    Posener unterstützt die Positionierung der israelischen Regierung, ohne auf die heftigen Vorwürfe des Botschafters inhaltlich einzugehen:

    “Um es vorwegzunehmen: Der Einspruch des israelischen Botschafters zeigt sich nach Lektüre der Rede als berechtigt.”

    Danach kritisiert er die Formulierung Boehms von der “Entmenschlichung” der Gesellschaften Israels und Gazas am und nach dem 7.10.2023. Aber hat die Hamas nicht Juden allein deswegen, weil sie Juden waren, ermordet, und haben nicht im Gegenzug rechte Israelis die Bevölkerung im Gazastreifen als “Tiere” bezeichnet, gar den Einsatz der Atombombe gefordert?

    Er warnt dann vor der Gefahr durch die Rechtspopulisten, geht aber nicht darauf ein, dass die Regierung Netanjahu solche Leute durchaus hofiert.

    Posener weiter:

    “Nach alledem mag es wenig sinnvoll erscheinen, den Rest der Rede zu besprechen (…).”

    Damit ist Boehm offensichtlich abgefertigt, ohne den Kern seiner Rede, die universalistische Moral und ihre Geltung heute, überhaupt abwägend in den Blick zu nehmen. Es geht ja nur um “die Irrtümer des Omri Boehm”.

    Am Ende wird noch einmal deutlich, was Posener stört: Die Zionismuskritik Boehms. Die steht, wie gesagt, nicht im Zentrum der Rede Boehms, und Boehms Zionismuskritik ist zudem von viel Verständnis geprägt, er sieht die Verdienste des Zionismus, aber sieht darin keine Zukunft für den Frieden.

    ———-
    Edit: Halbsatz zum ersten WELT-Kommentar Poseners ergänzt.

    Nachtrag 11.4.2025: Was bedeutet Poseners Verständnis von Ethno-Nationalismus eigentlich für die Zugehörigkeit osteuropäischer Juden zur deutschen Nation?

  14. #20 Joseph Kuhn
    11. April 2025

    Johannes Boie zur Absage der Rede

    In der NZZ kritisiert heute Johannes Boie, bis 2023 Chefredaktion der BILD, die geplante Rede Boehms. Die

    Die Intervention der israelischen Botschaft mit ihren bösen Unterstellungen ist ihm nur einen Satz wert:

    “Wegen Protests der israelischen Botschaft, die sich derzeit offenbar als letzte Instanz um würdevolles Gedenken kümmern muss, wurde er wieder ausgeladen.”

    Und etwas später folgt eine seltsame Aneinanderreihung seltsamer Argumente:

    “Richtig ist auch, dass beide Philosophen, Boehm und Bartov, aus einer politisch scharf linken Denkrichtung kommen. Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza erscheint ihnen so dringlich, dass sie bereit sind, viel moralisches Argument aufzubringen. Beide haben dazu womöglich eher das Recht als deutsche, nichtjüdische Kritiker.”

    Ist es nicht legitim, aus einer “linken Denkrichtung” kommend in Buchenwald zu sprechen? Wurden dort nicht auch viele Kommunisten ermordert, auch unter den ermordeten Juden kamen übrigens viele aus einer “linken Denkrichtung”. Ist man beim Erinnern an das Grauen in Buchenwald glaubwürdiger, wenn man aus einer “rechten Denkrichtung” kommt?

    Der nächste Satz suggeriert den Missbrauch des Anlasses für Kritik an der israelischen Regierung, d.h. die These, dass aus Buchenwald für Israels Politik keine moralischen Konsequenzen zu ziehen sind. Boie berührt hier den Kern von Boehms Argumentation, sieht es aber nicht. Statt dessen ist ihm “viel moralisches Argument” an sich verdächtig. Intellektuelle sind immer verdächtig, und sei es nur des gutmenschlichen Moralisierens.

    Der letzte zitierte Satz schließlich wirft die immer wieder gestellte Frage auf, wer berechtigt ist, Israel zu kritisieren, sicher eine heikle Frage, aber ist ihre Ethnifizierung nicht auch heikel?

    Das Thema bleibt schwierig. Und deshalb sind natürlich auch solche Stimmen wie die Boies wichtig – wenn man sie unter die Überschrift “Und dennoch sprechen wir miteinander” stellt, und nicht unter die Überschrift “Und daher darfst du nicht sprechen”.

  15. #21 hto
    11. April 2025

    @Kuhn: “Damit ist Boehm offensichtlich abgefertigt, ohne den Kern seiner Rede, die universalistische Moral und ihre Geltung heute, überhaupt abwägend in den Blick zu nehmen.”

    Tja, so geht es mir hier und “anderswo” auch, aber wahrscheinlich weil ich den Universalismus konsequent in allen Details durchdacht zur Diskussion bringe!?

    • #22 Joseph Kuhn
      11. April 2025

      Heute ist der 11. April, nicht der 1. April.

  16. #23 hto
    11. April 2025

    @Kuhn

    Ist schon klar, die Globalisierung ist für euch selbstverständlich der Universalismus nach Kant 😉

    • #24 Joseph Kuhn
      11. April 2025

      Was Sie nicht immer alles wissen.