Der Kinderarzt Herbert Renz-Polster, auf den ich hier schon gelegentlich Bezug genommen habe, hat gerade eine Studie der University of South Florida aufgespießt, nach der man fast Smartphones auf Kassenkosten empfehlen möchte: Kinder, die ein Smartphone besitzen, sind weniger depressiv, insgesamt emotional ausgeglichener und treiben auch mehr Sport.

Warum die Studie das nicht wirklich zeigen kann, lese man im Blog bei Herbert Renz-Polster nach, das muss hier nicht wiederholt werden. Sehr schön finde ich, dass in der Studie auch Limitationen diskutiert werden. Da findet man z.B. diese Sentenz:

„There are three criteria for establishing causality in science, and cross-sectional surveys meet just one of them: establishing that variables are correlated with each other (the other two are causal priority and eliminating possible alternative explanations for the relationship).”

Das ist effizient. Austin Bradford Hill hat in seinem berühmten Aufsatz „The Environment and Disease: Association or Causation?“ 1965 noch neun Kriterien bemühen müssen, was die Plausibilität eines kausalen Zusammenhangs in Beobachtungsstudien angeht. Seine Liste ist weltberühmt geworden und findet bis heute Anwendung.

Dass die Florida-Studie nur noch drei braucht, zeigt den Fortschritt der Wissenschaft. Donald Trump bräuchte sicher nur ein Kriterium: seine Meinung. Das wird der amerikanischen Wissenschaft noch ungeahnte Erkenntnisse bescheren.

Die Autor:innen meinen also, dass Korrelationen zwischen Variablen für Kausalität sprechen. Das kann man so sehen, ist aber schlicht Unfug. Grober Unfug. Manchmal lustig. Manchmal tiefernst. Manchmal gefährlich.

Wirklich überzeugend ist dagegen das dritte Kriterium: Kausalität liegt vor, wenn man alle anderen möglichen Erklärungen ausschließen kann. Keine Frage, in dem Fall spricht alles für Kausalität: Wenn alles dafür spricht, dass Smartphones glücklich machen, spricht alles dafür, dass Smartphones glücklich machen. Aber dann sollte man auch wirklich alle anderen möglichen Erklärungen ausschließen und sicherstellen, dass jemand wie Herbert Renz-Polster erst gar nicht auf die Idee kommt, so einen Verriss zu schreiben.

Die Feldarbeit der Studie liefert Harris Poll. Dazu heißt es in der Studie:

“The Harris Poll is a global consulting and market research firm that strives to reveal the authentic values of modern society to inspire leaders to create a better tomorrow.”

Das beruhigt ein bisschen. Die „leaders“ in den USA lesen keine Studien, die Wissenschaft ist ja, wie Vance sagte, „der Feind“. Dass sich andernorts „leaders“ auf der Basis der „wahren Werte der Gesellschaft“ um ein besseres Morgen kümmern, darauf sollte man sich allerdings auch nicht verlassen. Besser, wir überlegen gemeinsam, wie wir leben wollen und leisten auch unseren Beitrag dazu, z.B. durch Engagement in Bürgerinitiativen, Gewerkschaften oder Parteien.

Kommentare (19)

  1. #1 Joseph Kuhn
    14. Mai 2025

    Der Wissenschaftsstreit um die Handys im Tagesspiegel

    In Kürze: Nichts genaues weiß man nicht: https://www.tagesspiegel.de/wissen/wie-viel-smartphone-schadet-meinem-kind-was-kinderarzte-fordern–und-was-die-forschung-belegen-kann-13571974.html

    Die Florida-Studie im STERN

    “Eine neue Studie der “University of South Florida” könnte nun die Diskussion in eine neue Richtung treiben. Denn die Ergebnisse stellen vieles infrage, was bislang als sicher angenommen wurde.”

    Statt in die Studie zu schauen, hat der STERN mit den Wissenschaftler:innen gesprochen: https://www.stern.de/panorama/wissen/handy-mit-elf-jahren–diese-ueberraschende-empfehlung-gibt-eine-studie-35678360.html

    Ob es dem STERN bzw. der Autorin Alexandra Kraft wenigstens zu denken gegeben hat, dass die Studie in keinem peer-revieweten Journal erschienen ist? Und ob das Gründe haben könnte?

  2. #2 Muhammad Khizar
    Germany
    15. Mai 2025

    Spannender Gedanke! Mit Fitness-Apps, Meditationshilfen und der schnellen Verbindung zu Freunden können Smartphones tatsächlich zu mehr Gesundheit und Glück beitragen – wenn man sie bewusst nutzt.
    XXX

    [Edit: Werbe-URL gelöscht, JK)

  3. #3 RPGNo1
    15. Mai 2025

    Mein Eindruck über die vergangenen Jahre hinweg ist, dass der stern immer seichter und oberflächlicher geworden ist. Der Boulevard gewinnt immer mehr Oberhand. Dem Spiegel, als dessen wichtigster Konkurrent als Nachrichtenmagazin der stern für viele Jahrzehnte galt, kann er schon lange nicht mehr das Wasser reichen.

  4. #4 M. Hahn
    15. Mai 2025

    Beim Stern muss man gar nicht durch die Paywall gehen.

    “Vieles, was wir über Kinder und ihre Handys dachten, ist offenbar falsch.”
    Offenbar, aha. Danke.
    Frau Kaft, bleiben Sie bei Ihren Leisten. Neugier auf Menschen und ihre Schicksale, Abnehmen mit Entengrütze und so.
    Game over. Next player.

  5. #5 Robert
    15. Mai 2025

    Man braucht doch eigentlich nur anders herum fragen: Welche 13-Jährigen besitzen KEIN Handy? Doch eher die abgehängten..

  6. #6 Muhammad Khizar
    Germany
    15. Mai 2025

    XXX

    [Edit: Kommentar gelöscht. War die englische Version des ersten Kommentars, offensichtlich ein halbwegs gut eingestellter Bot, oder ein nerviger Werbeknecht. JK]

  7. #7 Oliver Gabath
    15. Mai 2025

    Im Altertum gab’s doch Studien zum Fernsehkonsum von Kindern, die gut entworfen waren. Scheint irgendwie schwierig zu sein, das auf die Schöne Neue Welt der mobilen Endgeräte umzumünzen.

  8. #8 Staphylococcus rex
    15. Mai 2025

    Irgendwie werden aus meiner Sicht beim Thema Smartphone und Kinder die falschen Fragen gestellt. Ein Smartphone ist ein technisches Gerät mit erheblichem Dual use Potential.

    Ein vergleichbares technisches Gerät ist das Automobil, man kann damit schnell von A nach B kommen (zur Arbeit, zum Supermarkt, aber auch zum Krankenhaus), man kann damit aber auch Lärm und Abgase verbreiten, man kann damit Zufahrten blockieren und man kann (versehentlich, fahrlässig oder vorsätzlich) damit anderen Personen Schaden zufügen. Aufgrund dieses dual use Potentials ist die Nutzung eines PKW staatlich reglementiert, ohne Führerschein ist die Nutzung verboten.

    Es gibt keinen Handy-Führerschein für Kinder und Jugendliche und keine systematische Vorbereitung auf die Bewältigung der Risiken durch falsche Handynutzung. TikTok ist eine Suchtmaschine, natürlich sind Kinder und Jugendliche glücklich während der Nutzung dieser App, die gleiche Antwort wird aber auch ein Rauschgiftsüchtiger während eines Kokaintrips geben.

    Social media unterscheiden sich grundsätzlich von verbaler Kommunikation. Eine “normale” Beleidigung geht durch da eine Ohr hinein, durch das andere Ohr hinaus und wird irgendwann vergessen. Eine Beleidigung auf Social media ist wie ein Baudenkmal, sichtbar für alle und für die Ewigkeit. Beim Umgang mit social media sind unsere Instinkte schlechte Ratgeber, das Verhalten dort (wenn das Ziel ein gewaltfreies Miteinander ist) muss erst gelernt werden. Und wenn erst eine kritische Masse an Kindern Zugang zu social media haben, dann ist der Rest gezwungen notgedrungen nachzuziehen. Ohne Handy ist man Zuschauer oder Opfer, mit Handy ist man ggf. auch Zuschauer oder Opfer, man kann aber auch die Rolle des Täters oder des wehrhaften Gegners ausfüllen. Jeder kann sich selbst ausrechnen, welche Rolle wie auf das persönliche Selbstbefinden wirkt.

    Man kann das Handy auch sinnvoll nutzen (e-Book, Wikipedia, Hörspiele, Lern-Apps, ÖPNV-Apps, Terminabsprachen etc.), nur wie hoch ist derzeit der Anteil dieser “gewünschten” Nutzung an der gesamten Nutzungszeit?

  9. #9 PDP10
    15. Mai 2025

    Ich glaube, der “Gober Unfug” im 6. Absatz möchte ein ‘r’ kaufen.
    😉

    • #10 Joseph Kuhn
      16. Mai 2025

      @ PDP10:

      Danke, aber dem “Goben Unfug” war das mit dem “r” völlig egal. Ich musste es selbst kaufen. Gottseidank war kein Zoll drauf. Habe bei der Gelegenheit auch gleich noch ein “p” für die Smartphones danach erworben.

      Schon erstaunlich, wie unser Gehirn so was einfach “überliest”. Das zumindest würde einer KI nie passieren, dafür würde der vermutlich nicht auffallen, wenn da steht, dass Donald Trump das Smartphone gemeinsam mit Bill Gates und Karl Valentin erfunden hat.

  10. #11 libertador
    16. Mai 2025

    “Die Autor:innen meinen also, dass Korrelationen zwischen Variablen für Kausalität sprechen. Das kann man so sehen, ist aber schlicht Unfug.”

    Ich kann den schlichten Unfug hier nicht wirklich erkennen. Für etwas zu sprechen, ist weit davon entfernt etwas sicher zu belegen. Dass eine Korrelation positive Evidenz für Kausalität ist, scheint mir eine richtige Aussage zu sein. Wenn man nicht wusste, wie zwei Variablen zusammenhängen und eine Korrelation feststellt, macht die Feststellung ein kausales Verhältnis wahrscheinlicher. Die Bradford-Hill-Kriterien nehmen Korrelation sogar als Voraussetzung der Fragestellung, ob die Beobachtung einer Korrelation kausal ist.

    • #12 Joseph Kuhn
      16. Mai 2025

      @ libertador:

      In anderem Zusammenhang habe ich es einmal so formuliert: “Korrelationen sind eine wunderbare Sache. Sie können uns bei möglichen Zusammenhängen zwischen Ursachen und Wirkungen auf die Sprünge helfen. Sie müssen es aber nicht.”

      Vielleicht können Sie damit besser leben? Korrelationen sind natürlich ein Anlass, über Kausalität nachzudenken. Aber selbst perfekte Korrelationen müssen nicht Kausalität bedeuten (siehe in unserem Büchlein “Gesundheitsdaten verstehen” das Beispiel mit den parallel laufenden Uhren) nicht vorhandene Korrelation muss nicht bedeuten, dass keinen kausalen Zusammenhänge im Spiel sind (wenn sie von anderen Einflüssen überdeckt werden).

      Regelmäßigkeiten können viele Ursachen haben: Naturgesetze, Gewohnheiten, venünftige Gründe, spurios correlations …

  11. #13 Der Hopper
    18. Mai 2025

    Mal 3 Fakten
    1. 94 % der Jugendlichen besitzen ein Smartphone
    2. Übergewichtige Jugendliche haben sich weltweit vervierfacht (die, die verhungert sind, wurden abgezogen )
    3. Der Verkauf von Psychopharmaka in von 2010 bis 2020 um 36 % gestiegen.

    Noch Fragen ?

  12. #14 Bullet
    9. Juni 2025

    Haufenweise.

    94 % der Jugendlichen besitzen ein Smartphone

    In Hamburg? In Afrika? In Myanmar? In der Tiefsee?

    .

    Übergewichtige Jugendliche haben sich weltweit vervierfacht

    Wie machen die das? Normale Mitose? Tefrodische Multiduplikation?

    .

    Der Verkauf von Psychopharmaka in von 2010 bis 2020 um 36 % gestiegen.

    Ähnliche Rückfrage wie zu Punkt 1: wo?
    a) an Orten (Duisburg, Nordkorea, Henderson Island)?
    b) in Bevölkerungsgruppen (FDP-Wähler, Junge-Erde-Kreationisten, Lychee-Bauern)?
    c) modal (in Apotheken, außerhalb von Apotheken)?

    Das sollte klarmachen, dass “noch Fragen?” generell kein guter Move ist. Wenn dein Post jedoch nur ein Beispiel für “einfach ‘n paar Behauptungen zusammenwerfen und damit eine Kausalität implizieren” sein sollte, dann hab ich heute eben den Captain Obvious gespielt. Passiert.

  13. #15 Uli Schoppe
    11. Juni 2025

    @Bullet
    9. Juni 2025

    Gut, dass es noch Menschen mit weitergehenden Fragen gibt! 🙂

    Tefrodische Multiduplikation?

    YMMD 🙂

    Ansonsten kann man zu der Argumentation von Der Hopper eigentlich nur sagen: Klassischer Fehlschluss.

  14. #16 Uli Schoppe
    11. Juni 2025

    @Joseph Kuhn
    16. Mai 2025

    Schon erstaunlich, wie unser Gehirn so was einfach “überliest”. Das zumindest würde einer KI nie passieren, dafür würde der vermutlich nicht auffallen, wenn da steht, dass Donald Trump das Smartphone gemeinsam mit Bill Gates und Karl Valentin erfunden hat.

    Es gibt gute Gründe keinen Neid auf KI zu empfinden.KIen sind ganz offensichtlich nur nützlich, wir zum Glück nicht…

    • #17 Joseph Kuhn
      11. Juni 2025

      @ Uli Schoppe:

      “keinen Neid auf KI”

      In der Tat. Meist ist man ja auch nicht neidisch auf sein Auto, obwohl das viel schneller ist als man selbst zu Fuß, und nachts sogar leuchten kann.

      “KIen sind ganz offensichtlich nur nützlich”

      Zumindest in bestimmten Bereichen.

      “wir zum Glück nicht”

      Auch Menschen können nützlich sein, aber nicht nur, “jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel”, so die Formulierung von Kant, auf die sich das Menschenwürdegebot von Art. 1 GG stützt.

  15. #18 Uli Schoppe
    11. Juni 2025

    Joseph Kuhn
    11. Juni 2025

    In der Tat. Meist ist man ja auch nicht neidisch auf sein Auto, obwohl das viel schneller ist als man selbst zu Fuß, und nachts sogar leuchten kann.

    Ich befürchte das kommt noch. So aus dem Alltag ist das Neueste Alte. “Du hast doch gar nix getan dafür. Die ganze Arbeit macht doch die Steuerung!”

    Zumindest in bestimmten Bereichen.

    Ich habe das “nur” wirklich stark einschränkend gemeint 🙂

    Auch Menschen können nützlich sein, aber nicht nur, “jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel”, so die Formulierung von Kant, auf die sich das Menschenwürdegebot von Art. 1 GG stützt.

    Genau da wollte ich hin.

  16. #19 Walter Hultzsch
    Unterschleißheim
    22. Juli 2025

    #8 Es gibt keinen Handy-Führerschein für Kinder und Jugendliche und keine systematische Vorbereitung auf die Bewältigung der Risiken durch falsche Handynutzung.

    Und leider gibt’s auch keinen Führerschein für’s Elternsein. Wenn ich sehe, dass Kleinkinder für jede Sekunde Langeweile, für jedes Unwohlsein , für jede Unzufriedenheit ein Tablet in die Hand bekommen, Säuglingen das Smartphone hingehalten wird zur Beruhigung, dann habe ich große Bedenken, wohin die mentale Entwicklung der Menschheit führt. Bildschirmmedien machen süchtig, sie belohnen ohne (kognitive) Anstrengung und hemmen die Hirnentwicklung des Kindes: Videos wirken im Gegensatz zu Hörspielen direkt auf das Belohnungssystem, das Säuglingen zum Bindungsaufbau und zur Überlebenssicherung dient. Und Bildschirmmedien kennen kein Ende – sie wurden schon immer zum Konsumieren und zur Fortsetzung entwickelt. Warum soll ein Kind sich überhaupt noch entwickeln, wenn es merkt, wie schnell “Belohnung” zu bekommen ist.
    Als Kinderarzt stehe ich hinter der Aktion Bildschirm frei bis drei (auch für die Eltern im Beisein von Kleinkindern) – Videos nicht zur Ablenkung oder Beruhigung anbieten und den Umgang mit Bildschirmmedien bewusst zu unterrichten – Kinder müssen lernen, Absichten zu entwickeln – etwas was die KI bislang (?) noch nicht kann.