Speiballen – eines dieser Naturwunder, die nur ein Biologe lieben kann.
Ein Speiballen ist ein komprimierter Rest des Mageninhalts aus unverdaulichen Bestandteilen, der ausgewürgt wird. Solche unverdaulichen Teile sind etwa Knochen, Gräten, Fell, Federn, Chitinpanzer und -schnäbel, Pflanzenbestandteile,…
Vor allem Vögel, die ihre Nahrung ja nicht kauen können, würgen diese unverdaulichen Teile aus dem Magen empor. Speiballen von Eulen- und Greifvögeln heißen Gewölle und sind am bekanntesten. Aber auch Möwen, Kormorane und viele andere Vögel erleichtern ihre Mägen von diesen unverdaulichen Resten.
Für Biologen sind Speiballen besonders interessant, weil sie so relativ einfach das Beutespektrum eines Tieres untersuchen können. Speiballen enthalten oft noch größere Bestandteile der Nahrung wie ganze Skelette.

Die Lachmöwe und ihr „Seafood-Restebällchen“

Ich kann sogar einen Augenzeugenbericht liefern:
Eine entzückende Lachmöwe saß am Strand der beschaulichen Nordseeinsel Amrum vor meinen Füßen und geierte auf mein Käsebrot.
Ich habe ihr natürlich nichts davon abgegeben. Aus Gründen der artgerechten Ernährung – der von Möwen und meiner eigenen.
Als sie realisierte, dass ich nichts abgeben würde, guckte sie mich erst nachdrücklich und schließlich enttäuscht an.
Dann begann sie zu würgen.

Ein wunderbarer runder Speiballen kullerte in den Inselsand vor meinen Füßen.
Grün, von Grünalgen oder Seegras, durchsetzt mit Garnelenrostren und Panzerstückchen.

Fossile Speiballen

Urfische, Paläontologie, Speiballen

Speiballen: Deutlich zu erkennen sind die Reste von Fischen.
(Urweltmuseum Hauff)

Zum Entzücken der Paläontologen gibt es auch versteinerte Speiballen.
Im Gegensatz zu rezenten Speiballen sind sie absolut geruchsneutral. Und überhaupt nicht schleimig.
Ein aufregendes Puzzle- und Ratespiel für den fortgeschrittenen Erdgeschichtophilen. Das wäre ein Highlight für meinen nächsten Besuch im Schiefer-Steinbruch Dotternhausen!
Diese fragilen Fossilien finden sich nämlich vor allem in Fossillagerstätten mit sehr feiner Körnung. Etwa im Posidonienschiefer von Holzmaden oder Dotternhausen. In Jurakalk von Eichstätt oder dem Ölschiefer der Grube Messel.

 Gerade ist eine Publikation über fossile Speiballen aus dem Posidonienschiefer erschienen: Im Museum Hauff, das eine der hervorragendsten Sammlungen aus dem jurassischen Posidonienschiefer (=Schwarzer Jura) besitzt).
Übrigens: Im Englischen heißt Speiballen „gastric pellet“ oder auch einfach „Speiballen“.

Der beschriebene Fossilfund ist erst der vierte beschrieben Speiballen aus dem Posidonienschiefer.
Es könnte sein, dass sie tatsächlich rar sind. Es wäre, so die Autoren aber auch möglich, dass sie von Sammlern oft nicht erkannt und dementsprechend nicht gesammelt würden.
Woran erkennt man einen fossilen Speiballen?
Rezente Eulen-Gewölle und andere als unverdaulich ausgewürgte Beute-Bestandteile enthalten oft verfilzte Fellreste. Das fällt bei Fischernährung natürlich weg. Und bei Fossilien aus dem Erdmittelalter sowieso.
Die durchgekauten Häufchen müssen Schuppen und Knochen enthalten, oft sind Schädel dabei. Die einzelnen Partikel hängen meist nicht mehr zusammen, falls noch Teile der Wirbelsäule enthalten sind, ist sie aufgerollt. Die einzelnen Bestandteile müssen dicht gepackt sein.
Der Speiballen als Faunen-Probe

Speiballen bestehen zwar aus verdauten und verdichteten Resten von unverdaulichen Tierbestandteilen, gleichzeitig sind die einzelnen Bestandteile aber oft sehr gut erhalten.
Der von den Autoren beschriebene Speiballen enthält die Überreste mehrerer fossiler Fische, die für die Experten problemlos zu identifizieren waren:
Sie haben die Reste von fünf Knochenfischen beschrieben: Vier Exemplare des schwer gepanzerten Dapedium und ein Lepidotes-Unterkiefer.

Der Lepidotes stammt aufgrund seiner geringen Größe von einem Jungtier und ist der erste Nachweis eines jugendlichen Fisches dieser Spezies für den Posidonienschiefer!
Die Dapedium-Reste weisen übrigens alle in die gleiche Richtung.
Da geht mir doch gleich ein Vergleich mit heutigen Fischjägern durch den Kopf: Hat der hungrige Unbekannte es wie die Robben und Wale gemacht, und seine Beute mit dem Kopf voran verschluckt? Damit die Schuppen beim Schlucken eng anliegen und nicht wie Widerhaken dem Schluckprozess entgegen wirken?
Die Schuppenpanzer der Dapediums ist teilweise noch artikuliert, was ein recht guter Erhaltungszustand ist.


Who has done it?

Noch interessanter wäre die Frage, um wessen Mageninhalt es sich handelt.
Der fossile Mageninhalt ist 285 mm lang und bis zu 160 mm breit, das deutet auf ein größeres Tier hin.
Aufgrund der Größe des Fundes und der Beutetiere kommen die Top-Prädatoren des Posidonien-Meeres in Frage:
Der Urhai Hybodus? Bis zu drei Meter Länge und ein beeindruckendes Gebiss hätten diese Beute leicht verschlingen können. Allerdings sind von heutigen Haien überhaupt keine Speiballen bekannt.
Das gleiche gilt für große Knochenfische der Art Saurostomus esocinus. Deren Mageninhalte haben außerdem eher eine Vorliebe für Ammoniten und andere Tintenfische gezeigt.

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Kommentare (8)

  1. #1 Wolf
    3. Mai 2013

    Meine Katze gibt mir auch häufiger Speiballen. Gerne ins Bett, wenn es gerade frisch bezogen ist. 🙁

  2. #2 Thilo
    3. Mai 2013

    So ein Artikel und dann kein Foto….

  3. #3 Bettina Wurche
    3. Mai 2013

    So, jetzt gibt es ein Photo.
    Ja, Katzenspeiballen kenne ich auch – darum weiss ich das fossile Pendant auch so sehr zu schätzen.
    ; )

  4. #4 Wolf
    3. Mai 2013

    Wieso habe ich nur die Szene mit dem gestiefelten Kater aus Shrek 2 vorm Auge, wo aber als Protagonist ein T Rex vor sich hin würgt? 🙂

  5. #5 Fliegenschubser
    3. Mai 2013

    Ich finde ja, das “Speiballen” ein ganz wunderbares Wort ist. Man sollte es viel öfter verwenden.

    Abgesehen davon ein sehr guter Artikel 🙂

  6. #6 Fliegenschubser
    3. Mai 2013

    Man denke sich ein zweites “s” an das “das”, sodass das “das” ein “dass” wird.

  7. #7 rolak
    3. Mai 2013

    Die Amrumer Lachmöwe wollte doch nur prophylaktisch Platz schaffen, falls doch noch etwas rüberkommt…

    Und wieder ein neues Wort gelernt. Die Dinger kannte ich bisher nur als ‘Gewölle’ (und seit zwei Wochen auch als ‘cast’ aus einer englischsprachigen Doku, was mich wg meiner Fixierung auf Abdruck, Guss, Gips etc anfänglich ziemlich verwirrte).

  8. #8 BreitSide
    3. Mai 2013

    vvv