Noch ein Nachtrag zum DLR-Tag:

Manuel Metz von der DLR erklärt im Social Space 2013, wie es zur derzeitigen Müll-Situation gekommen ist und welche Gefahren davon ausgehen.
Holger Krag von der ESA/ESOC gibt dann einen Ausblick in die Zukunft des Space Debris.
Als Sputnik I 1957 und Juri Gagarin 1961 um die Erde kreisten, waren sie noch ganz allein im Erdorbit.
In den nächsten 4o Jahren nahm die Raumfahrerei zu, blieb aber übersichtlich.
Seit 2000 steigt die Zahl der Objekte beträchtlich an.

2013 sausen etwa 1000 aktive Satelliten durchs All und erfüllen unsere sehnlichsten Wünsche – Telefonieren, Fernsehen, Sterne gucken und mehr.
Alte Raktenstufen, außer Dienst gestellte Satelliten, Trümmer nach Kollisionen, verlorene Gegenstände… all das fliegt im Weltall herum.
Und wer räumt auf?
Lange Zeit niemand.
Damit ist jetzt Schluss!

Die Raumfahrtaktivitäten (dabei geht es überwiegend um Satellitenschubserei – so der übliche ESA-Jargon) konzentriert sich auf ein recht kleines Areal:
Vor allem den Low Earth (niedrigen) Orbit in 300 bis 2000 Kilometer Höhe und den Geostationary (geostationären) Orbit in 36.000 Kilometer Höhe.

Die Kollision eines russischen Kosmos-  (russischer militärischer Kommunikationssatellit Kosmos 2251 ,Satellite Catalog Number 22675, Start 1993) [5] vom Typ Strela 2M und eines Iridium-Satelliten (Iridium-Satellit 33 (Satellite Catalog Number 24946, Start 1997) hatte 2009 beträchtlichen Schaden verursacht: Erstens war ein aktiver Satellit zerstört worden. Zweitens schweben in dem eng besetzten und wichtigen Orbit jetzt Myriaden von Trümmern umher.
Spätestens dadurch war Weltraum-Müll ein wichtiges Thema geworden.

Zunächst kann und muss Müll beim Start vermieden werden.
Dann darf der Satellit nach Ende seiner Lebenszeit keinesfalls explodieren. Der Treibstoff sollte also dann unbedingt aufgebraucht sein. Sonst kann es zu Explosionen kommen und dadurch würden zahllose kleine Teilchen unkontrolliert verstreut.
Und schon kleine Teilchen können anderen Satelliten schwere Schäden zufügen.

Dann ist die Müllvermeidung in den viel genutzten Orbits wichtig.
Das bedeutet, dass ein Satellit, wenn er außer Dienst gestellt wird, kontrolliert in einen niedrigeren Orbit eintritt und dann erst einmal nicht mehr stört. Gleichzeitig sinkt er ohne Treibstoff immer weiter in die Atmosphäre an und verglüht schließlich.
Ein solcher kontrollierter Wiedereintritt in die Atmosphäre ist natürlich viel besser als ein unkontrollierter, weil Flugbahn und Geschwindigkeit vorher berechnet werden können. So kann man Zusammenstöße vermeiden.
Eine Absenkung (decay heißt hier tatsächlich „Verringerung der Orbit-Höhe“) von 780 km auf 600 km verringert die Lebensdauer des Satelliten schon um 15 Jahre. Je niedriger der Satellit fliegt, desto dichter wird die Atmosphäre und desto stärker wird er gebremst.

Eine weitere Idee zur Müllvermeidung wäre das Einfangen „alter“ Satelliten mit einem Netz. Dazu müsste ein anderes Raumfahrzeug mit einem Roboterarm das Netz werfen, den Satelliten fangen und ihn dann in einen niedrigeren Orbit ziehen.
Den, so Holger Karg, ziehen ist wesentlich einfacher als Schieben (und „Bugsieren“).
Das kann sich nur bei ganzen Satelliten oder großen Stücken lohnen.
Zur Zeit ist diese Methode allerdings noch nicht erprobt.

Das Zurückbringen zur Erde – also ein Raumschiff-Recycling – lohnt sich allerdings nie.
Die Kosten für die ingenieurstechnische Arbeit und den Launch einer Mission sind wesentlich kostenintensiver als die Materialien.
Man könnte bestenfalls überlegen, größere, intakte Bestandteile wie etwa Antennen abzuschrauben und wiederzuverwenden. Aber schon das wäre eine komplexe robotische Arbeit und im Moment noch nicht sinnvoll, erklärte mit Holger Karg später noch.

Das hört sich nach einer Steilvorlage für SF-Filme an!

Die ganze Space Debris-Angelegenheit ist jedenfalls hochaktuell und leider sehr real.
Der derzeit laufende Hollywood-Film “Gravity” thematisiert genau diesen Ernstfall.
Die Aufnahmen der im All treibenden und rotierenden Astronauten sind eindrücklicher und spannungsgeladener als jede Raumschlacht.
Bedrückend und überwältigend gleichermaßen.
Selbst Satelleitenschubser bei der ESA hatten nur wenig an technischen Details herumzunörgeln.
Bestenfalls, dass die russische Sojus-Raumkapsel keine  wie im Film gezeigte Einstiegsluke hat.
Aber das ist marginal.

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Kommentare (5)

  1. #1 rolak
    10. Oktober 2013

    Steilvorlage für SF

    Längst verwandelt 😉

    Nach dem Lesen der xx000-Besucherzahl vom letzten Jahr, hatte ich urplötzlich deutlich weniger Lust beim DLR-Tag vorbeizuschauen – und dann meldete sich auch noch interessanter Besuch an…

  2. #2 Bettina Wurche
    11. Oktober 2013

    Danke für den Filmtipp – den kannte ich noch nicht.
    “Gravity” ist mir jedenfalls unter die Haut gegangen – grusel.

    Ja, die DLR-Veranstaltung war grausam voll.
    Mir hat es Spaß gemacht, weil ich Zutritt zum Social Space-Zelt hatte. Mit Sitzplatz, Kaffe und Super-Programm.
    Solche Massenveranstaltungen schrecken mich als Besucherin eher ab.
    Allerdings finde ich es positiv, wie viele Leute sich für das Thema interessiert haben.

  3. #3 JB
    11. Oktober 2013

    In den Rollenspielszenario “Transhuman Space” (GURPS) gibt es dafür einen eigenen Berufszweig: die Vacuum Cleaners.

  4. #4 Alderamin
    11. Oktober 2013

    @Bettina

    Selbst Satelleitenschubser bei der ESA hatten nur wenig an technischen Details herumzunörgeln.

    Ooch, da gibt’s schon einiges zu nörgeln, aber der Plot des Films wäre ansonsten auch völlig unmöglich. Was mich am meisten gewundert hat war, warum der Schrott exakt alle 90 Minuten wiederkam, wo dies doch die Umlaufzeit gegenüber einem Punkt auf der Erde wäre und nicht im Orbit.

    Aber egal, schöne Bilder und die Simulation der Bewegungen in der Schwerelosigkeit waren ja exakt (bis auf schwebende Kugelschreiber beim Wiedereintritt oder bei Rotationen der Kapseln). Auf jeden Fall sehenswert.

    Zum Thema: mich wundert, dass das De-orbiten bzw. Versetzen auf einen Friedhofsorbit bei geostationären Satelliten nicht Gang und Gäbe gewesen sein soll. Probleme machen dann natürlich immer noch Satelliten, die irgendwann vorzeitig ausfallen und nicht mehr gesteuert werden können. Diese müssten ein redundantes System haben, mit dem das De-orbiten immer noch möglich ist, eine Feststoffrakete, die durch einen ganz primitiven Mechanismus gezündet wird, oder man müste sie durch einen Service-Satelliten einsammeln (diesen Vorschlag gab’s ja schon mal).

    Ebenfalls ein Problem ist der ganze kleine Schrott, den kann man gar nicht mehr einsammeln, man muss warten, bis das durch die Hochatmosphäre irgendwann abgebremst wird und herunter fällt. Bei Bonn gibt es eine Radarkuppel, mit der man tausende kleiner Trümmer bis hinunter zu 10 cm verfolgt, denen dann sogar die ISS ausweichen muss. Allerdings ist ein Vielfaches an noch viel kleineren Trümmerteilen, die niemand verfolgt, dort oben unterwegs und ich bewundere den Mut der Astronauten, die an der ISS EVAs (“Weltraumspaziergänge”) von vielen Stunden durchführen. Im Prinzip befinden die sich im einem Sniper-Schussfeld, nur wird nicht gezielt geschossen. Ich hätte da bestimmt ein mulmiges Gefühl.

  5. #5 Alderamin
    11. Oktober 2013

    @rolak

    Ich war da, aber es war wirklich brechend voll, und ich war auch viel zu spät, erst gegen 13:00 Uhr. Das hat kaum gereicht, die interessanten Sachen alle anzuschauen bzw. Vorträge zu hören (der Referent, den ich hören wollte, war dann auch prompt wegen einer Flugstornierung verhindert, aber der Ersatzvortrag war trotzdem interessant).

    Vor vier Jahren fand ich’s besser, da hatte ich sogar die Gelegenheit, ein paar Worte mit Thomas Reiter zu wechseln.