Die Universitätsbibliothek und 11 wissenschaftliche Institute tragen heute seinen Namen, dazu kommen die bekannte Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft und das Senckenberg-Museum. Das von ihm gegründete Bürgerhospital ist heute ein modernes Krankenhaus mit Senckenbergischer Tradition.
Das verschrobene Universal-Genie starb 1772 bei einem Sturz vom Dach des Bürgerhospitals – kurz vor dessen Fertigstellung. Sein Leichnam wurde in dem von ihm gestifteten Theatrum anatomicum öffentlich seziert.
Die geheimen Aufzeichnungen des Dr. S.
Neben seinen Stiftungen und Sammlungen hat Senckenberg auch einen umfangreichen schriftlichen Nachlass hinterlassen: „Von 1730 bis zu seinem Tod notierte Johann Christian Senckenberg in nahezu täglichen handschriftlichen Aufzeichnungen akribisch alles, was ihn bewegte. Insgesamt sind in der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg 53 gebundene Tagebücher mit etwa 38.000 Seiten vorhanden, dazu etwa 660 Mappen mit Aufzeichnungen von Senckenberg selbst, Dokumente zu Familienangehörigen, zur Dr. Senckenbergischen Stiftung und anderen Themen. Darüber hinaus befinden sich im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte zwei weitere Tagebuch-Bände mit etwa 1200 Seiten und viele andere Dokumente wie Urkunden, Haushaltungsbücher und mehr. Erstmals geordnet und in die heutige Form gebracht wurden die Tagebücher im 19. Jahrhundert von dem Frankfurter Stadtarchivar Georg Ludwig Kriegk“ erklärt Herr Dr. Jehn, der Leiter der Frankfurt-Sammlung und des Archivzentrums der UB.
„Die Tagebuchbände 1 bis 18 enthalten die Aufzeichnungen aus den Jahren 1730-1742. Ab 1743, als Senckenberg in Frankfurt als Arzt etabliert war, nahm er bis zu seinem Tod 1772 seine Eintragungen auf losen, hochrechteckigen Notizzetteln vor. Kriegk teilte wohl diese Tagebuch-Bände 19-53 in „ärztliche“ und „nichtärztliche Tagebücher“ ein – in diesen drei Gruppen liegen die Tagebücher heute vor.“
Wie war Senckenberg? munter – gelehrt – „stachelicht“!
Senckenberg schrieb in einer Mischung aus Deutsch und Latein mit griechischen und französischen Einsprengseln. Mit persönlichen Abkürzungen und Spezialzeichen in einer schwer zu entziffernden Handschrift. Der Inhalt der Tagebücher ist allerdings vielversprechend!
„Senckenberg ist, nach Auskunft seines Neffen Renatus, einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit gewesen. Wörtlich schrieb Renatus über seinen Onkel: „Im Umgang war er sehr munter, voller Anekdoten, und manchmahl recht witziger Einfälle, dabei auch offt stachelicht, immer aber für den der von ihm lernen wollte, sehr lehrreich. Letzteres zu sein ward ihm dadurch leicht, weil er würklich einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit war, wenn er schon in seinem ganzen Leben mehr durch Thaten als durch Schriften zu würcken sich bestrebte.“ erzählt Frau Dr. Marschall.
Senckenberg war zwar ein umfassend gebildeter Gelehrter und ein interessierter Mensch: Er beschäftigte sich mit Medizin, Naturbeobachtungen, Meteorologie, Botanik, Philosophie, Theologie, Sprachen und anderen Themen. Seine Aufzeichnungen sind minutiös und die Schlussfolgerungen scharfsinnig.
Der gelehrte Arzt mochte allerding nicht gern publizieren, darum sind uns seine Beobachtungen und Überlegungen überwiegend aus den Tagebüchern bekannt. Mit seiner Dissertation über die Heilkraft der Samen des Maiglöckchens hat er sich schon sehr schwer getan – er ist sogar seiner eigenen Promotionsfeier fern geblieben! Dafür sind die Tagebücher umso wertvoller: Sie erlauben uns einen Blick in seinen Alltag und seine Gedankenwelt. In diesen Aufzeichnungen hat er sich „Luft gemacht“ und ihnen vieles anvertraut, was wohl eher nicht für andere Ohren (oder Augen) bestimmt war. Offenbar hat er sich so Überlegungen und Erkenntnisse, aber auch Ärger und Trauer von der Seele geschrieben.
Die Entschlüsselung der Geheimschrift
2011 nahm die Literaturwissenschaftlerin Frau Dr. Veronika Marschall die Tagebücher in die Hand…und las!
1730 nahm Senckenberg sein Studium in Halle auf und begann gleichzeitig mit seinen minutiösen „Observationes“ (wie diese ersten Tagebücher überschrieben sind) an sich und seinen Mitmenschen. Detaillliert schildert er seine Beobachtungen und Befindlichkeiten: Ein authentisches Bild seines Lebens vom Studium bis hin zum Stuhlgang, von der Wetterbeobachtung bis zum täglichen Speiseplan.
Ausführliche Notizen zur zeitgenössischen Medizin, Pharmazie, Botanik, Physik, Chemie, Mineralogie, incl. täglicher Wetterbeobachtungen, Astronomie, zur Literatur, zum damaligen Wissenschaftsbetrieb und Reiseberichte: „Die erste Tagebuchaufzeichnung im Mai 1730 betrifft bezeichnenderweise Senckenbergs gepuderte Lockenperücke, ohne die er nicht aus dem Haus ging und die auf der Reise von Frankfurt nach Halle per Postkutsche etwas gelitten hatte“:
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