Mein geschätzter Kollege Florian Freistetter hatte am 08.09.2014 den Beitrag: „Warum suchen Wissenschaftler immer nur nach außerirdischem Leben das dem auf der Erde ähnlich ist?“ gepostet.
Daraus entstand eine sehr lebhafte Diskussion mit den Leserinnen und Lesern. Und weil ich selbst gerade mal wieder einige Vorträge über Astrobiologie halte und merke, dass es ein heißes Thema ist, schreibe ich nun selbst noch einen Blogbeitrag dazu. Florian ist Physiker, ich komme aus der Biologie und Paläontologie. Dadurch haben wir etwas unterschiedliche Perspektiven auf das Thema.
Joshua Lederberg, Carl Sagan und die Exobiologie
Astrobiologie bzw. Exobiologie ist gar kein sooo neues Forschungsfeld.
Der Nobelpreisträger Joshua Lederberg hatte 1965 in Nature den Aufsatz: „Signs of Life: Criterion-System of Exobiology“ publiziert: Lederberg, Joshua: „Signs of Life: Criterion-System of Exobiology“, Nature. Vol. 207. No. 4992, pp. 9-13, July 3, 1965
Damit hatte er den Begriff „Exobiologie“ erschaffen!
Gemeinsam mit dem Astronomen Carl Sagan, der später bei der NASA sein Kollege werden sollte, entwickelte er die Exobiologie als neue wissenschaftliche Disziplin und begleitete damit die US-amerikanischen Raumfahrtprojekte noch vor der ersten Mondlandung. Damals überlegte man sich nämlich, welche Folgen die Mond-Mission haben könnte – bis hin zu einem möglichen ersten Kontakt mit außerirdischen Lebensformen. Darum dachten weitsichtige Wissenschaftler wie Lederberg und Sagan über außerirdische Lebensformen nach und erarbeiteten eine interdisziplinäre theoretische Grundlage.
Ein winzig-kleiner Überblick über wesentliche Grundannahmen der Astrobiologie
1. Leben besteht aus chemischen Verbindungen, die in der Lage sind, ihre molekularen Informationen zu transferieren (Fortpflanzung) und sich weiterzuentwickeln (Evolution).
2. Für die Reaktion von Elementen und Molekülen zu längeren Ketten sind
– reaktionsfreudige Elemente/Moleküle
– ein Lösungsmittel
– Energie
notwendig.
3. Wasser ist das stabilste Lösungsmittel und Kohlenstoff das reaktionsfreudigste Element.
Alternativ wären möglicherweise verschiedene Alkohole oder das ebenfalls vierbindige Silizium denkbar. Allerdings wohl wenig wahrscheinlich. Sowohl Wasser als auch Kohlenstoff sind im gesamten Universum vorhanden und z. B. auf Meteoriten nachweisbar.
4. Ein Lebewesen muss in irgendeiner Form so weit gegen die Außenwelt abgeschlossen sein, um nicht der Entropie anheimzufallen. Außerdem muss es Stoffwechselaktivität zeigen.
Diese Eckdaten sind in Florians Artikel und den darauf folgenden Kommentaren schon ausführlich und sachkundig diskutiert worden, darum führe ich das hier nicht weiter aus.
Wie suchen wir?
Die Suche nach Atmosphären, Wasser und möglichen Stoffwechselendprodukten wie Methan um Planeten herum ist im Moment so wichtig, weil wir so etwas bei der Fernerkundung nachweisen können.
Viele andere Parameter können durch unsere „Langstreckensensoren“ wie das Weltraumteleskop Kepler einfach nicht erfasst werden. Mit der Entwicklung anderer Analysemethoden werden sicherlich noch andere Suchparameter dazukommen.
Bis jetzt hat Kepler jedenfalls schon mal viele Exoplanten entdeckt – das ist ein guter Anfang.
Eine andere Möglichkeit ist die Analyse von Meteoriten: Welche Moleküle enthalten sie und gibt es Hinweise auf Leben?
Meteoriten enthalten Wasser und C-H-Verbindungen. Ihre Zusammensetzung ist je nach Herkunft recht unterschiedlich. Aber die Grundbestandteile des Lebens sind im Universum verbreitet.
In einem Meteoriten sind Aminosäuren entdeckt worden, nachdem der Brocken auf über 1100 ° C erhitzt worden war. Da habe ich ganz spontan echte Probleme, nicht an eine Kontamination nach der Erhitzung zu denken. Diesen Fund würde ich mit großer Skepsis betrachten.
Bis jetzt hat es nicht einen einzigen Hinweis auf Lebensspuren gegeben.
Halt! Und was ist mit ALH 84001?
Der Mars-Meteorit aus den Alan Hills (Antarctica) war in die Schlagzeilen geraten: Einige der gefundenen Strukturen aus Magnetitkristallen weisen eine Ähnlichkeit mit Spuren von Bakterien auf.
Diese Magnetit-Kristalle sind aber nach Meinung der meisten Wissenschaftler NICHT biogen entstanden. Ähnliche Strukturen können zwar durch die Tätigkeit von Bakterien entstehen, aber sie müssten gleichzeitig noch einige weitere Merkmale aufweisen, die auf den ALH 84001-Proben definitiv fehlten. Diese mutmaßlichen Lebensspuren aus dem All mussten also über die Klinge springen – genauer gesagt, über Ockhams Rasiermesser.
Wichtig ist hier auch der vollständige Titel der ursprünglichen Publikation: „Search for past life on Mars: possible relic biogenic activity in martian meteorite ALH84001“. „possible […] biogenic activity“ heisst „mögliche […] biogene Aktivität“. Plakative Überschriften zu Reizthemen sind ein unter Wissenschaftlern nicht selten durchgeführter Kunstgriff, um eine Publikation ins Licht der Öffentlichkeit zu schubsen.
Eine spezielle Form diese Suche nach Leben ist das SETI-Projekt: SETI-Forscher horchen ins Weltall, um von extraterrestrischen Lebewesen erzeugten Lärm aufzuspüren. Genauer gesagt, suchen sie im
Radiobereich des elektromagnetischen Spektrums nach möglichen Anzeichen und Signalen technischer Zivilisationen.
Die „Goldilocks-Zone“
Die Goldilocks-Zone (oder Green Belt) ist die sogenannte habitable Zone um eine Sonne herum.
Die dort kreisenden Planeten bzw. Monde sind weit genug weg, um flüssiges Wasser zu haben. Näher an der Sonne würde das Wasser verdampfen, weiter weg würde es gefrieren.
Das ist allerdings zu einschränkend gedacht.
Leben könnte nämlich auch außerhalb des Green Belts existieren – wenn der Planet oder Mond eine Schutzschicht gegen Hitze, Kälte oder Strahlung hat. Darum sind heute die Jupiter-Monde ein lohnenswertes Forschungsziel. Der Mond Europa beherbergt unter einem dicken Eispanzer einen flüssigen Salzwasserozean, Callisto und Ganymed möglicherweise auch. Europa ist zurzeit mein Favorit als möglicher Ort außerirdischen Lebens, ich halte dazu regelmäßig Vorträge.
Wie könnten außerirdische Lebensformen aussehen?
Die meisten Astrobiologen sind gar nicht der Meinung, dass außerirdisches Leben aussehen sollte, wie das, was auf der Erde herumkreucht und fleucht.
Sie halten das sogar meist für recht unrealistisch.
Stattdessen gucken sie auf der Erde in immer neuen extremen Lebensräumen nach und finden in den scheinbar lebensfeindlichsten Ökosystemen blühende Kolonien von meist einzelligen Organismen. Diese extremen Ökosysteme sind sehr heiß, stehen unter Druck, sind lichtarm oder lichtlos, extrem kalt oder extrem heiß und geben einen Einblick in ökologische Nischen, wie es sie vielleicht in der frühen Geschichte des Lebens gegeben haben könnte. Die dort existierenden Lebensformen heißen Extremophile. Sie leben in Habitaten, die vor 50 Jahren kein Mensch für bewohnbar gehalten hätte: In der Tiefsee, in Erdöl, in heißen Schwefelquellen, unter Eis und an vielen anderen scheinbar lebensunfreundlichen Stellen.
Vor einigen Jahren hatte ich den Astrobiologen Dale Andersen interviewt: Er forscht und taucht in extrem kalten Ökosystemen wie in antarktischen Seen und hatte wirklich Spannendes zu erzählen: Von kegelförmigen Bakterien-Hochhäusern, die in einem alkalischen, eiskalten See wachsen.
Das Haupt-Problem dieser basalen Lebensformen ist, dass sie absolut nicht sexy sind.
Nicht photogen und darum schwer verkäuflich. Darum tun viele Wissenschaftler gern so, als ob sie nach so richtigen Aliens suchen, die mindestens so photogen sind wie die Borg-Queen.
Oder wenigstens wie ein Twi`lek.
Der Beginn des Lebens auf der Erde
Fest steht: Die Entwicklung vom Einzeller zum Mehrzeller braucht Zeit.
Die Erde ist ca 4,5 Mrd Jahre alt.
Erste Bakterien sind fossil nachgewiesen und sind 3,8 Mrd Jahre alt.
Z. B. BIFs – Banded Iron Formations.
Und die entstehen so: Bakterien leben gern in Kolonien und bilden dann auf Gesteinen regelrechte Matten (bacterial mat). Auf diesen Matten fangen sich z. B. Metalle. Wenn die Bakterien absterben, bleiben die Metalle erhalten. In Sedimentgesteinen können die Eisenpartikel dann regelrechte rote Bänder bilden.
An anderen Stellen der Erde können auch die Bakterienrasen selbst fossilisieren.
Uralte fossile Bakterienrasen sind Stromatolithe (Blaualgen-Ablagerungen), die ältesten unter ihnen sind in Australien und werden auf ca 3,5 Milliarden Jahre datiert.
Wichtig: Die Interpretation dieser sehr alten Strukturen als Lebensspuren ist nicht unumstritten. Sie werden immer mal wieder auch als nicht biogen entstanden betrachtet. Im Moment ist die herrschende Meinung so, dass sie Bakterienspuren sind.
Nach der Entstehung von Bakterien hat es dann ziemlich lange gedauert, bis etwas mehr passierte.
Die ältesten Nachweise für mehrzellige Organismen kommen aus dem späten Präkambrium. Diese ältesten mehrzelligen Lebewesen sind wahrscheinlich um 599 Mio Jahre alt – sie sind in Ediacara in Australien gefunden worden.
Ab dem Kambrium bevölkerten dann viele Arten von vielzelligen Organismen die Meere, die wesentlich leichter als fossile Spuren zu erkennen sind.
In dieser „Kambrischen Fauna“ waren auch bereits die Vorläufer heutiger Tierstämme zu erkennen.
Die wichtigsten Fossilfundstellen aus dem Kambrium sind sogar Fossillagerstätten: Das bedeutet, dass sie eine besonders gute Fossilerhaltung und eine besonders hohe Funddichte haben.
- Chengjiang-Faunengemeinschaft (China): Alter 525–520 Millionen Jahre
- Emu-Bay-Schiefer (Australien): Alter ca. 525 Millionen Jahre
- Kaili-Fauna (China): Alter 510–505 Millionen Jahre
- Burgess-Schiefer (Kanada): Alter ca. 505 Millionen Jahre
Uralte Tiere in Weichteilerhaltung – mehr kann sich ein Paläontologe nicht wünschen.
Dieser kleine Exkurs in die Erdgeschichte zeigt die Bedeutung der Paläontologie bei der Suche nach außerirdischen Lebensspuren.
Wonach suchen wir eigentlich?
Jeder potentiell bewohnbare Planet hat ein Zeitfenster, in dem sich Leben entwickeln kann. Dieses Zeitfenster schließt sich dann irgendwann auch wieder. Darum ist es so wichtig, bei der Erkundung fremder Welten nicht nur die biochemische Signatur zu untersuchen, sondern auch nach Sedimentgesteinen und möglichen fossilen Spuren zu suchen. Das wiederum spricht sehr für bemannte Raumfahrt: Einige Gramm Gestein – wie sie von Sonden gesammelt werden -können kaum Aufschluss auf die Geologie eines ganzen Planeten geben. Besser wären größere Mengen Gesteins oder sogar die direkte Suche nach möglichen biogenen Ablagerungen vor Ort. Zurzeit käme so eine direkte Unersuchung durch Astronauten wohl nur auf dem Mars in Frage.
Falls wir je einen Planeten entdecken sollten, auf dem theoretisch Leben möglich sein sollte, wird es wichtig sein, auch die Vorbedingungen für Leben oder die Spuren von vergangenem Leben zu entdecken. Eine wichtige Grundbedingung dafür ist, dass die Wissenschaftler mit absolut offenen Augen und offenem Geist vorgehen müssen. Forschung geschieht immer irgendwie aus der anthropozentrischen Perspektive – und man sollte sehr aufpassen, damit man wirklich nichts übersieht.
Weil es zu klein, oder zu groß ist. Zu schnell oder zu langsam. Oder einfach ganz anders.
Einige SF-Romane beschäftigen sich mit ziemlich abgefahrenen Lebensformen:
Robert Forward: „Drachenei“, „Der Flug der Libelle“
Auch im Star Trek-Universum kommen einige (wenige) innovative Aliens vor: z. B. Spezies 8472.
Dann erst wird deutlich, wie offen unser Blick bleiben muss, um mögliche Lebensformen oder ihre Spuren überhaupt zu bemerken.
Der Faktor Zeit!
Die Altersangaben der Gesteine und Erdzeitalter sind nicht unumstößlich. Alle paar Jahre gibt es bessere Messinstrumente, fehlerfreiere Messergebnisse oder neue Entdeckungen, dann werden die Altersangaben korrigiert. Sie sind einfach ungefähre Anhaltspunkte.
Aber fest steht: Es braucht etwas Zeit (im geologischen Sinne!), bis sich aus C-H-Verbindungen, Wasser und Energie und ein bisschen mehr Moleküle zu Lebensformen zusammenfinden.
Weiterhin steht fest, dass es wahrscheinlich auf allen potentiell bewohnbaren Himmelskörpern ein Zeitfenster für die Entwicklung und Existenz von Leben gibt.
Schauen wir dort zu früh nach, werden wir noch kein Leben finden, kommen wir zu spät, finden wir bestenfalls fossile Spuren.
Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass es auch auf anderen Planeten und Monden Leben gibt.
Ich wage kaumzu hoffen, dass wir innerhalb meiner Lebensspanne extraterrestrisches Leben finden werden.
Erhebliche Zweifel habe ich daran, dass wir innerhalb dieser Zeit Lebensformen finden werden, mit denen wir einen Dialog führen könnten.
Wohin auch immer uns die Astrobiologie-Forschung führen wird: Auf jeden Fall lernen wir dadurch mehr über das Leben und seine Entstehung auf der Erde.
Und das allein finde ich schon lohnenswert.
Quellenangaben und zum Weiterlesen:
Zu diesen wesentlichen Grundlagen der Astrobiologie hatte ich 2006 im Rahmen der genialen Raumfahrt-Ausstellung „Abenteuer Raumfahrt – Aufbruch ins All“ in Mannheim einen wunderbaren Vortrag von Frau Dr. Horneck, der Grande Dame der deutschen Astrobiologie, gehört.
Sie hat darüber natürlich auch geschrieben:
Gerda Horneck, Petra Rettberg: „Complete Course in Astrobiology“ (2009) (Achtung: Lehrbuch!)
https://eu.wiley.com/WileyCDA/WileyTitle/productCd-3527619003.html
Weitere Quellen:
https://www.astroverein-halle.de/ausserirdisches-leben-womit-ist-zu-rechnen/
https://scienceblog.at/warum-ist-astrobiologie-so-aufregend#
https://astrobiology.nasa.gov/nai/education-and-outreach/
https://www.astrosociety.org/education/astronomy-resource-guides/science-fiction-stories-with-good-astronomy-physics-a-topical-index/
Zum Angucken
„Europa-Report“ (2013)
https://www.filmstarts.de/kritiken/197237.html
Einer der wissenschaftlichsten SF-Filme, die ich jemals gesehen habe.
PS: Herr Prof. Dr. Hanns Ruder und ich am letzten Mittwoch abend im Gespräch.
Er hatte über Astrophysik gesprochen, ich über den Star Wars-Zoo (gewandet als blauer Twi´lek).
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