Die Bedeutung des speerartige, spiralig gedrehten Narwalzahns beschäftigt Wissenschaftler immer wieder, es gibt verschiedene Hypothesen dazu. Davon werden zwei ernsthaft diskutiert:
1. Der Zahn ist mit Sinnesorganen gespickt und offenbar ein hydrodynamischer Sensor.
Martin Nweeia ist Experte für Biomaterialwissenschaften und restorative Zahnheilkunde an der Harvard School für Zahnmedizin (HSDM) und hat die Zähne lebender Narwale untersucht. Mitten in dem stabilen Zahn ist ein Hohlkanal, in dem Nerven und Blutgefäße liegen. Der „Stoßzahn“ soll wie eine Membran mit einer sensiblen Oberfläche arbeiten und Veränderungen in Wassertemperatur, -druck und die Konzentration chemischer Substanzen registrieren.
In diesem Interview erzählt er ausführlich von seinen Expeditionen mit Inuit-Jägern und seinem Team – sie haben lebende Wale gefangen und untersucht!
Diese Theorie hört sich interessant an.
Vor allem ist interessant, dass es sich um Forschungen am lebenden Wal handelt, denn nur so können komplexe neurophysiologische Analysen am lebenden Gewebe durchgeführt werden.
Meine persönliche Meinung: Nicht alle Narwale haben einen solchen Zahn. Was machen diejenigen ohne diesen speziellen Zusatz-Sensor? Der Zahn kann also keinen wesentlichen Vorteil im evolutiven Sinne bringen, sonst würden nicht so viele Wale – z. B. fast alle Weibchen – ohne diese Spezialausrüstung herumschwimmen.
2. Der Zahn ist ein Statutssymbol und wird von den Männchen bei Kommentkämpfen eingesetzt.
Männchen kreuzen die Zähne wie Fechter ihre Degen, das ist in Bildern und Filmen belegt. Manchmal bricht dabei sogar ein Zahn ab. Dabei kommt es zu Verletzungen, die Narben hinterlassen. Aber: Dieser Kommentkampf ist sehr kontrolliert, es geht keinesfalls darum, den Gegner schwer zu verletzen oder gar aufzuspießen und zu töten!
In diesem National Geographic-Video ist das gut zu sehen:
Der Einsatz des Zahns im Kommentkampf ist für mich die wahrscheinlichste Erklärung. Für nahezu alle geschlechtsdimorphen Besonderheiten wie Zähne, Hörner, Geweihe und andere Merkmale. Und da diese Fechter des Eismeeres in kleinen Gruppen leben, ergibt es auch Sinn.
Die Aussage, dass die Länge des Stoßzahns in Relation zur Größe der Testikel steht, verursacht mir Unbehagen. Denn: Die Größe der Testikel dürfte sich im Laufe eines Wallebens verändern. Und nur, weil ein Narwal betagt ist und die Testikel sicherlich kleiner sind, als in seiner sexuellen Blütezeit, dürfte der Zahn kaum wieder schrumpfen. Und warum tragen dann auch manche Weibchen diese langen Zähne? Solche scheinbar einfachen Forschungsergebnisse betrachte ich mit größter Vorsicht.
Das Einhorn des Meeres
In historischen Zeiten wurden Narwalzähne natürlich für Einhorn-Hörner gehalten und zu den entsprechenden exorbitanten Preisen gehandelt. Schließlich wollte jeder Fürst für sein Naturalienkabinett das Horn des mystischen Tieres haben. Und das Pulver vom Horn des Einhorns war eine beliebte Getränkezutat der Mächtigen, denn es sollte vor Gift schützen.
Auch heute noch haben Narwalzähne einen hohen Handelswert. In Europa, wo der Handel mit Teilen von marinen Säugetieren verboten ist, dürfen sie nicht mehr ver- und gekauft werden.
Das ist auch richtig so, denn der Bestand der Tiere ist nicht sehr groß.
Muktuk – mjam,mjam?
Leider sind immer noch im Rahmen des Aboriginal Whaling, also für den traditionellen Walfang der indigenen Völker, Quoten zum Fang für Narwale freigegeben.
In früheren Zeiten waren Meeressäuger in den arktischen Gebieten eine wichtige Nahrungsressource.
Dabei wurde stets das ganze Tier verwendet.
Wirklich alles.
Aufgrund der speziellen Beschaffenheit der Haut kann Walhaut nicht gegerbt und zu Leder verarbeitet werden. Dafür war sie eine begehrte Nahrung und unter dem Namen Maktaaq, Maktaq oder Mattak bzw. in englisch-phonetischer Schreibweise als Muktuk bekannt. Muktuk ist die Haut mit der darunter liegenden elfenbein- bis rosafarbenen Fettschicht. Diese fette Leckerei wurde von Nar-, Weiß- und Grönlandwalen in Blöcken aus den Tieren herausgeschnitten und luftgetrocknet oder gefroren gelagert.
Das Wichtigste ist der extrem hohe Vitamin C-Gehalt dieses Gewebes. Ausgerechnet Walhaut hat eine höhere (L-(+)-Ascorbinsäure-Konzentration als Zitrusfrüchte! Damit war sie ein besonders wichtiges Lebensmittel gegen Skorbut und andere Mangelkrankheiten.
Inuit betrachten sie auch heute noch als Leckerbissen, der Geschmack soll an den von Nüssen oder geschälten Mandeln erinnern.
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