Delphine paaren sich Bauch an Bauch: Meistens nähert sich das Männchen von unten und dreht sich dann in die richtige Position. In jeder anderen Position ist die Paarung ausgeschlossen.
Dieses Video zweier hawaiianischer Spinner-Delphine (Stenella longirostris) zeigt eine echte Paarung:

Das Umschwimmen, Streicheln und Reiben zwischen Delphinen beiderlei Geschlechts, das nicht der Reproduktion/Kopulation dient, ist eine sozio-sexuelle Verhaltensweise. Der Hautkontakt und die Berührungen sind Ausdruck eines sozialen Verhaltens von in einer Gruppe lebenden Säugetieren.
Nach Gregg gibt es dafür eine ganze Reihe von möglichen Erklärungen: es kann zum Intensivieren und Vertiefen der sozialen Bindungen oder Freundschaften dienen oder auch zum Dampf ablassen, zum Bestrafen von Rivalen oder einfach zum Zeitvertreib. Es ist im Einzelfall sehr schwierig herauszufinden, was einem Delphin dabei durch den Kopf geht. Aber es hat sicherlich nichts mit einer echten Paarung zu tun.

Er bringt als Beispiel für die Verwechslung von „Sozio-sexuellem Verhalten“ und „Paarung“ ein Video, das auf Youtube steht und beschriftet ist mit: „Two male dolphins and one female mating at SeaWorld Orlando. July 16, 2009“. Beim genauen Hingucken wird schnell deutlich, dass hier drei Männchen ein feucht-fröhliches Spiel veranstalten. Kein Weibchen ist daran beteiligt. Und wie eine Paarung sieht es absolut nicht aus.

Die meisten Videos (z. B. auf Youtube), die das Etikett „Mating“ tragen, zeigen genau dieses Verhalten. Die Delphine schwimmen umeinander, reiben sich aneinander, es sind Erektionen zu sehen…aber keine echte Paarung. Und offenbar ist den Personen, die die Filme dann mit Text unterlegen, auch nicht immer das Geschlecht der einzelnen Tiere deutlich. Darum sind solche Amateur-Aufnahmen immer mit Vorsicht zu genießen, sie können mißverständlich und falsch interpretiert sein.

Mounting oder Aufreiten ist bei Säugetieren verschiedenster Spezies ein übliches Verhalten.
Auch unter Delphinen ist es weit verbreitet – bei beiden Geschlechtern und Tieren aller Altersgruppen. Es kommt auch vor, dass Weibchen bei Männchen aufreiten und Jungtiere bei ihren Müttern. Die möglichen verhaltensbiologischen Erklärungen reichen von spielerischem Verhalten und Bestätigen von Freundschaft bis zu Dominanz- und Aggressions-Verhalten.
Letztendlich ist es die gleiche Verhaltensweise wie die, die ein domestizierter Hund zeigt, der den Fuß seines Besitzers „bespringt“.
Wenn ein Delphin in dieser Weise einen Schwimmer belästigt, kann es ruppig werden; schließlich haben die kleinen Wale haben Kraft und Schwung. Aber es kann keinesfalls eine zielgerichtete Kopulationsabsicht seitens des Delphins unterstellt werden.

Fazit

Gregg ist grundsätzlich dagegen, „sexual coercion“, Socio-Sexual behavior und „mounting“ als Synonym für „Vergewaltigung“ zu nutzen. Dieses entsetzliche, brutale und das Opfer erniedrigende Verhalten mit einem schrulligen Verhalten von Delphinen gleichzusetzen, würde die Brutalität herunterspielen und trivialisieren.
Das dolphins are rapists–Mem ist zwar sehr plakativ und garantiert Aufmerksamkeit – ob als Hashtag oder als T-Shirt-Aufdruck. Aber es ist falsch.

Und die Verhaltensweisen von Delphinen sind auch ohne diese zusätzliche Sensationsheischerei eine Beobachtung wert – jedes Mal, wenn ich einen oder mehrere Delphine sehe, eine Mutter mit ihrem Kalb oder eine ganz Gruppe ums Schiff, fühle ich mich reich beschenkt.

Sarasota Dolphin Research Program

Die Delphine in der flachen, warmen Sarasota Bay vor Florida werden seit den 1970-er Jahren erforscht, damit ist das Sarasota Dolphin Research Program eines der ältesten Delphin-Forschungsprojekte der Welt. Hier lebt ein großer Bestand von mehreren Generationen Großen Tümmlern (Tursiops truncatus) und bietet landnah die Möglichkeit, das Familienleben und die Beziehungen der Kleinwale zueinander über lange Zeit hinweg zu studieren. Neben Forschung sind natürlich der Delphinschutz und auch die Wissensvermittlung über diese ganz besonderen Meeressäuger wichtige Punkte. Nur Tiere, deren Bedürfnisse und Umwelt wir kennen, können wir schützen. Darum ist die Erforschung und Sammlung von biologischen (Alter, Fortpflanzung), verhaltensbiologischen (Mutter-Kind-Verhalten, Gruppenstrukturen), ökologischen (wieviel Nahrung brauchen sie und was fressen sie) sowie von tiermedizinischen Daten maßgeblich für den Delphinschutz, in der Sarasota Bay und anderswo. Weiterhin werden hier Maßnahmen zum Delphinschutz wie Regulierungen der Schifffahrt oder Touristik erarbeitet und erprobt. Ganz wichtig ist auch, dass in der Sarasota Bay die Delphin-Rettung bei Strandungen und Unfällen sowie die medizinische Versorgung und Pflege verunglückter Kleinwale durchgeführt und weitervermittelt wird. Davon profitieren auch die Delphine anderer Populationen, auch außerhalb der USA.

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Kommentare (9)

  1. #1 Georg Hoffmann
    21. Januar 2015

    Orang-Utans, Schimpansen und auch Affen?

    Es gab doch mal diese Diskussion mit/Attacke auf diese beiden Biologen, die angesichts der brutalen Verwandschaft (s.o.) argumentierten, dass forced copulation auch teil des menschlichen Verhaltensspektrums sein koennte. Sicher ist “Vergewaltigung” ein unzureichender Ausdruck fuer das Treiben von Enten, aber inwiefern ist Vergewaltigung (ie beim homo sapiens) auch forced copulations? Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass die beiden mit irgendetwas beschmissen wurden, als sie derartige Thesen vorstellten.

    Anyhow, Ricky Gervais meinte, dass Delphine homosexuelle Beziehungen unter Einbeziehung des Atemlochs haben und hat daher auf entsprechende Probleme aufmerksam gemacht.
    Minute 3 ca.

  2. #2 Bettina Wurche
    21. Januar 2015

    @ Georg: Ja, ich habe auch mehrfach von homoerotischen Beziehungen unter Delphinen und Bonobos gehört. Wird aber sehr kontrovers diskutiert, ob es da um die genannten socio-sexual contacts geht oder um eine echte Zweierbeziehung. Zumal Wale ja nicht monogam sind.

    In der Abgrenzum zwischen dem Treiben von Viechern und gewaltsamen Sexualkontakten unter Menschen finde ich de facto die juristische und moralische Komponente wichtig und ausschlaggebend. In einer modernen menschlichen Gesellschaft ist für “forced copulation” kein Platz mehr. Auch wenn es vielleicht mal zum Verhalten dazu gehört haban mag.
    Aber heute ist der Schutz auf körperliche Unversehrtheit ein hohes Gut. Und das gilt es zu schützen.

    Diesen Fall der Affenforscher kenne ich nicht, aber mit Primatenforschung habe ich auch nie viel zu tun gehabt.

  3. #3 Georg Hoffmann
    21. Januar 2015

    @Bettina
    Homoerotisch ist eigentlich nicht sooo wichtig. Entscheidend ist, dass es Arten gibt, die Individuen besitzen die AUF EIGENE NACHKOMMEN verzichten und halt irgendwas anderes treiben (woran sie sich nu reiben ist eigentlich nicht so entscheidend). Das ist ja evolutionstheoretisch die maximale Strafe, die einem Gen aufgelegt sein kann. Aber lassen wir das. Es ist ja nicht dein Thema und wir hatten das hier auch irgendwo schon einmal auf Scienceblogs.

    Zurueck zum Thema:
    “In einer modernen menschlichen Gesellschaft ist für “forced copulation” kein Platz mehr.”
    Das ist natuerlich ganz ausser Frage. Auch fuer Gier mag es einen “natuerlichen” Hintergrund geben, deswegen bleibt Steuerhinterziehung trotzdem verboten und seit neuestem sogar das schlechthin geaechteste Verbrechen schlechthin. Trotzdem hat es anscheinend immer viel Emotionen gegeben, wenn einige auf einen irgendwo auch in den Genen schlummernden Hintergrund zu soetwas Schrecklichem wie Vergewaltigung hingewiesen haben.
    Nach einigem Herumgegoogele habe ich das hier gefunden.
    https://en.wikipedia.org/wiki/Sociobiological_theories_of_rape

    Ist ganz interessant und gar nicht mal so neben dem Thema hier.

  4. #4 Georg Hoffmann
    21. Januar 2015

    Holy shit. Nach einer weiteren Runde Google habe ich den Artikel von damals gefunden. Ich habe irgendwo in meinem Hirn einen Spiegel Artikel vom April 2000 gespeichert. Schlimm.

    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-16215674.html

  5. #5 Bettina Wurche
    22. Januar 2015

    @ Georg. Danke für den link. Gerade diesen Artikel finde ich nicht sehr gelungen. Er ist eine Glosse auf der soziobiologischen Modewelle mit beträchtlichem Ideologieanteil, sonst nichts.
    (Ich bin nicht einmal sicher, ob die Tatsache, dass “Loser” eher zu Vergewaltigern werden , mit den Kriminalstatistiken übereinstimmt, aber das nur am rande).
    Auf jeden Fall ist er inhaltlich nicht korrekt.Denn auch bei Primaten ist Altruismus verbreitet und scheint evolutiv “erfolgreich” zu sein:
    https://www.scinexx.de/wissen-aktuell-13763-2011-08-09.html

  6. #6 Georg Hoffmann
    22. Januar 2015

    @Wulsche
    Nun ich habe den Spiegel-Artikel so verstanden, dass Evolutionsbiologie kein Wunschkonzert ist. Altruismus toll, steckt in den Genen. Vergewaltigung, pfui. Politisch gesteuerte Machtausuebung und anerzogener Unterwerfungsakt.
    Der Ideologieanteil scheint mir da auch erheblich.

  7. #7 Georg Hoffmann
    22. Januar 2015

    Sorry @Bettina meinte ich.

  8. #8 Trottelreiner
    22. Januar 2015

    @Georg:
    Bezüglich der “evolutionären Fitness” der Homoerotik wäre man wohl etwas differenzieren; zunächst einmal haben ja auch biologische Systeme ihre “failure modes”, und wenn das entsprechende Subsystem im Allgemeinen gut funktioniert, aber in ein paar Fällen “versagt” (von der Genweitergabe aus gesehen) fällt das eben unter “ein bißchen Schwund ist immer”.

    Außerdem könnte es natürlich auch sein, daß die Gene, die zu solchem Verhalten prädisponieren anderweitige Vorteile haben, ein Beispiel wäre z.B. ein Gen daß bei Weibchen die Fruchtbarkeit steigert, aber bei Männchen zu “homosexuellem” Verhalten prädisponiert.

    Verwandt, aber nicht identisch mit diesem Einwand ist die Frage der “inklusiven Fitness”; viele Menschenaffen und Wale sind soziale Lebewesen, die in Verwandtschaftsgruppen leben, und wenn Individuum A “homosexuelle” Verhaltensweisen zeigt und dadurch die Fortpflanzungschancen von den eng verwandten Individuen B, C etc. signifikant steigert, ist das mehr als ausgeglichen.

    Last but not least wäre zu fragen, inwiefern es sich hier wirklich um “Homosexualität”, also um ausschließlich gleichgeschlechtliche Beziehungenhandelt; in vielen Fällen wäre ja der Begriff “bisexuell” eher angemessen.

    Und dann kann man natürlich immer noch mit “Übersprungshandlungen” argumentieren, auch wenn das als überholt gilt:

    https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbersprungbewegung#Kritik

    Ansonsten würde ich bezüglich der “Vergewaltigungen” (oder “sexuelle Nötigungen”?) im Tierreich auch nur anmerken, das man das StGB im Tierreich besser nicht anwendet; sonst müssen wir noch darüber streiten, ob ein Tier das dem Anderen das Futter wegschnappt Diebstahl oder Mundraub begeht, immerhin hat es Hunger.

    Ich persönlich hatte das “dolphins are rapists”-Mem eher so verstanden (und auch selbst geäußert, mea occulpa), daß das “grundgute Tier” ähnlich realistisch ist wie der “edle Wilde”, es auch keine “guten” und “bösen” Tiere gibt und auch populäre Tiere wie Bonobos oder Delphine nicht unbedingt nachahmenswerte Verhaltensweisen zeigen.

    OK, and now for something completely different:

  9. #9 Heike Nürnberg
    Bottrop
    19. September 2019

    “Letztendlich ist es die gleiche Verhaltensweise wie die, die ein domestizierter Hund zeigt, der den Fuß seines Besitzers „bespringt“.

    Äh, nein. Dieses Verhalten von Hunden hat weder etwas mit “Spielen, “Aggression” noch “Dominanz” zu tun. Die Dominanztheorie beim Hund ist seit mindestens 20 Jahren widerlegt. Sie wurde von der Hackordnung der Hühner (da gibt es tatsächlich so etwas) auf Wölfe und Hunde übertragen. Sofern man Wolf und Hund nicht mit einem Huhn verwechselt, ist es also schlichtweg falsch.
    Ebenso verhält es sich beim Wolf und die daraus abgeleiteten Verhaltensweisen beim Hund. Wölfe leben in Familienverbänden, die aus Eltern, Kindern und evtl. den Kindern des Vorjahres bestehen. Tatsächlich aggressives Verhalten gibt es dort nicht untereinander. Man hat bei Beobachtungen gefangener und zusammen gewürfelter Wolfsgruppen vermutet, dass Wölfe in Familienverbänden sich genauso verhalten. Das wäre in etwa so, als würde man Gefängnisinsassen und Wärter untereinander beobachten und diese Beobachtungen auf die Gesamtgesellschaft übertragen.
    Hunde soziale Wesen, die lockere Kontakte mit ihren Artgenossen pflegen, schon mal in Gruppen abhängen, gemeinsam nach Futter suchen und dann wieder für sich selbst sind. Tatsächlich orientieren sie sich eher am Menschen als an ihren Artgenossen, was ihre Vorgänger eben evolutionär so erfolgreich gemacht hat.

    Long story, short: Ein Hund, der am Bein eines Menschen aufreitet steht unter Stress (das kann positiver wie negativer sein). Es handelt sich hierbei um Übersprunghandlungen