“Jurassic shark! Fishing trawler crew discover terrifying prehistoric beast with 300 TEETH among their catch!”
Ein Hai wie eine Seeschlange – und dann noch ein Relikt aus dem Erdmittelalter?
Eine vollmundige Sensationsmeldung, garniert mit dem Bild eines grauslichen Meeresviechs.
Extra blutrünstig mit blutverschmiertem Maul.
Vor Australien ist einem Fischtrawler ein 2 Meter langer Kragenhai ins Netz gegangen.
South East Trawl Fishing Association (SETFA)-Mitarbeiter Simon Boag gab der Presse ein begeistertes Interview.
Der „Monster-“ und “Nie-zuvor-gesehen”-Status
Mr Boags Aussage “[…] this was the first sighting of the species alive by humans.” ist nicht richtig.
2007 gab es reichlich Aufregung um Filmaufnahmen eines vor Japan gefangenen Kragenhais:
2011 schwamm vor South Carolina noch ein Tier vor die Kamera:
Ein ungewöhnlicher Gast aus der Tiefe
Die schlangenartigen, schokobraunen Tiefseetiere existieren heute in einer Gattung mit zwei Arten. Der Kragenhai Chlamydoselachus anguineus (Garman, 1884) ist schon 1884 (!) wissenschaftlich beschrieben worden.
(Garman, S. 1884 (17 Jan.): An extraordinary shark. „Bulletin of the Essex Institute“ v. 16: 47-55)
2009 folgte dann mit dem Südafrikanischen Kragenhai Chlamydoselachus africana (Ebert & Compagno, 2009) die zweite Art.
Die Kragenhaie sind gemeinsam mit den Kammzähnerhaien (Hexanchidae) die Ordnung Hexanchiformes – namengebend sind ihre 6 Kiemenspalten! Die meisten rezenten Haie haben nämlich nur 5 davon.
Die Hexanchiformes gelten wegen dieses basalen Merkmals als die urtümlichste Gruppe der Haie.
Die erste Kiemenspalte umläuft den Kopf fast vollständig, dadurch kommt es zu dem „Kragen“ und dem Trivialnamen.
Ein Kragenhai sieht ganz anders aus als etwa ein Hochseehai. Die schnellen Jäger der Hochsee haben aufgrund ihrer perfekten Hydrodynamik eine charakteristische „Torpedo“-Silhouette. Grundhaie wie Katzenhai oder Ammenhai hingegen haben viel längere, schlangenähnlichere Körper. Der Kragenhai ist also ein typischer Grundhai – Schnelligkeit ist hier nicht das oberste Gebot. Auch die Anzahl der Flossen ist anders als beim Otto-Normal-Hai.
Zu dem länglichen Körper und der schlängelnden Fortbewegung kommt noch die stumpfe runde Kopfform.
Das Maul ist sehr groß und reicht über mehr als die Hälfte des Schädels – dadurch wirkt der Kopf reptilartig. So kommt der Knorpelfisch zu seinem französischen Trivialnamen requin lézard = „Eidechsenhai“.
Die etwa 300 Zähne sind in 25 Reihen angeordnet, 13 im Ober- und 12 im Unterkiefer.
Mehrere Reihen von Zähnen hintereinander, von den die jeweils vorderste im Einsatz ist und regelmäßig ersetzt wird – das ist ein typisches Hai-Merkmal. Dieses sogenannte Revolvergebiss gibt es heute in vielen Spezifikationen. Die meisten Haie haben 7 Reihen Zahn-Reihen.
Kragenhai-Zähne sind gleichförmig (=homodont), das ist eher ungewöhnlich: „Die Zahnkrone wird von drei etwa gleich langen, schlanken, zurück gebogenen Spitzen gebildet, an der Zahnbasis können kleinere Spitzen entwickelt sein. Die Einzelzähne haben einen großen Seitenabstand zueinander.“
Die nadelspitzen, stark nach hinten gebogen gebogenen Zähne erinnern an einen Fangkorb. Perfekt geeignet, um glitschige Tintenfische oder Fische festzuhalten, um sie dann im Ganzen zu verschlucken. Das Verschlingen ganzer Beutetiere ist übrigens weder für Haie noch für andere Wasserbewohner ungewöhnlich. Und auch für viele Landbewohner nicht.
Die Nahrungsaufnahme der Kragenhaie ist von Sanforda Moss in “Feeding Mechanisms in Sharks“ analysiert worden. Sie hat sich mit der Evolution der Kiefer-Mechanik von Haien beim Fressen beschäftigt. Den Mechanismus der Nahrungsaufnahme der Kragenhaie ordnet sie bei den eher ursprünglichen Entwicklungen ein.
Über die Lebensweise dieser Tiere ist insgesamt noch wenig bekannt.
Das ist nicht überraschend für Tiere aus der Tiefe des Meeres ohne fischereiwirtschaftliche Bedeutung.
Auch zum Verbreitungsgebiet gibt es nur fragmentarische Fakten.
Zur Populationsstärke gibt es dementsprechend noch gar keine Daten.
Es gibt bisher zu wenige Informationen, um ihn direkt in eine der Gefährdungsstufen „Critically Endangered“, „Endangered“ oder „Vulnerable“ einzusortieren. Aber es ist zu befürchten, dass, sowie es mehr Informationen gibt, genau dort landen wird. Darum wird er auf der Roten Liste unter „Near Threatened (NT)“ geführt („A taxon is Near Threatened when it has been evaluated against the criteria but does not qualify for Critically Endangered, Endangered or Vulnerable now, but is close to qualifying for or is likely to qualify for a threatened category in the near future.”)
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