Aale (Anguilla anguilla) sind ganz besondere Fische. Schon ihr schlangenartiges Äußeres ist außergewöhnlich.
Dunkelgrau bis schwarz, nur mit winzigen Schuppen besetzt, das Maul voller spitzer Zähne schlängeln sie sich auf geheimnisvollen Wegen durch die Gewässer Europas, Kleinasiens und Nordafrikas. Aale wandern zum Ablaichen aus den Süßgewässern durch die Tiefen des Atlantiks bis in die Sargasso-See vor den Bahamas – diese Wanderung gab den Menschen lange Zeit Rätsel auf.
Ihr hoher Fettgehalt von bis zu 30 % und ihr ganz eigener Geschmack machen sie – geräuchert oder frisch – zu einem begehrten Edelspeisefisch.
Aber es steht nicht gut um den Aalbestand.
Der Europäische und Nordamerikanische Aal (Anguilla rostrata) stehen auf der „Roten Liste“.
Ihnen macht die Zerstörung ihrer Lebensräume, die Gewässerverschmutzung und natürlich die Fischerei zu schaffen.
Schließlich sind schon die Baby-Aale, die Glasaale, die in Richtung der europäischen Flüsse wandern, eine begehrte Beute. Vor allem in Südeuropa isst man nicht nur die fetten erwachsenen Tiere, sondern auch die zierlichen gläsernen Aalkinder. Sie werden gleich löffelweise etwa als Tapa verzehrt. Das ist natürlich alles andere als nachhaltig.
Eine zusätzliche Belastung sind neu eingewanderte Parasiten, gegen die das Aal-Immunsystem offenbar hilflos ist.
Seit den 80-er Jahren werden die Fische auch noch vom Schwimmblasenwurm Anguillicoloides crassus heimgesucht. Ein Nematode (Fadenwurm), der es auf die Liste der „hundert schlimmsten invasiven Arten Europas“ geschafft hat (Nentwig: “Unheimliche Eroberer”).
Der Nematode nistet sich in der Schwimmblase des Aals ein. Da ein Nematode nicht allein kommt, sondern „rudelweise“ auftritt, beeinträchtigen die Untermieter die Schwimmleistung des Wirts massiv. „Durch innere Entzündungen werden die Tiere geschwächt“, erklärt Prof. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum an der Goethe Universität Frankfurt. Das hat vor allem für die anstrengende und lange Wanderung der erwachsenen Aale in die Sargasso-See Folgen – die Aale verbrauchen durch den geringeren Auftrieb zu viel Energie – viele sterben entkräftet.
Invasion aus dem Kaspischen Meer
Der unerwünschte Schwimmblasenbewohner Anguillicoloides crassus ist bei Aalen sehr verbreitet: 50 bis 90 % der Fische sind befallen. Die Nematoden nutzen verschiedene als Transportsysteme als Zwischenwirte, vom Ruderfußkrebs bis zum kleinen Fisch.
In der Schwarzmund-Grundel (Neogobius melanostomus) fanden Frankfurter Wissenschaftler nun eine mögliche Lösung, wie die Parasiten das Immunsystem der Aale überwinden können. Diese kaspische Grundel ist auch eine invasive Art – das bis zu 20 Zentimeter lange, grau-braun gefleckte Fischlein wurde über Ballastwasser an Bord von Schiffen aus dem Kaspischen Meer eingeschleppt. Die Grundel fühlte sich hier wohl und vermehrte sich schnell; Barsche, Hechte und Aale haben sie zum Fressen gern.
Bei der Untersuchung einer Schwarzmund-Grundel entdeckten die Fisch-Experten dann noch weitere Passagiere in dem kleinen Fisch. „Als wir im Rahmen einer Studie Kratzwürmer aus einer Grundel isolierten, befreiten sich aus diesen nach einiger Zeit winzige lebende Larven des Schwimmblasenwurms“, erklärt Sebastian Emde. „Um diesem Phänomen des ,Parasiten im Parasiten‘ nachzugehen, führten wir eine Stichprobe mit 60 Grundeln aus dem Rhein durch.“ Jeder dritte Fisch hatte Kratzwurm-Zysten, die sekundär mit dem Parasiten Anguillicoloides infiziert waren.
Diese Schädlinge leben bei den Grundeln ausschließlich innerhalb der Zysten, nicht aber in der Leibeshöhle oder der Schwimmblase – so verstecken sie sich vor dem Immunsystem des Wirts. Und hat gute Chance, lebendig in einem Aal anzukommen, der gerade eine Grundel genascht hat.
Ein trojanischer Parasit!
Wie geht es nun weiter?
„In folgenden Studien und Versuchen möchten wir herausarbeiten, welche immunologischen Prozesse und Wirkmechanismen für dieses Wirt-Parasiten-Gefüge verantwortlich sind und wie die Übertragung von Anguillicoloides crassus nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch in der Natur funktioniert. Ferner werden wir untersuchen, ob diese neue Vorgehensweise des Parasiten auch bei weiteren Zwischenwirten nachgewiesen werden kann“, erklärt Prof. Sven Klimpel.
Zum Weiterlesen:
Emde et al.: Nematode eel parasite found inside acanthocephalan cysts – a “Trojan horse” strategy? Parasites & Vectors 2014 7:504
Pressemitteilung des Senckenberg
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