Unser Stundenplan war sehr voll. Viele Forschungsprojekte und dann auch zweieinhalb Stunden Sport am Tag. Es ist total wichtige dem Muskel- und Knochenabbau in der Schwerelosigkeit entgegen zuwirken. Sport ist ihm der Schwerelosigkeit nicht so einfach. Für das Laufband musste ich mich mit Gurten befestigen. Aber es hat gut geklappt, ich habe sogar 4 Kilo Muskelmasse zugelegt. Diese Sportübungen sind auch total wichtige für die Osteoporose-Forschung.
Mein Arbeitsplatz war im Forschungslabor Columbus. Das sieht total vollgestopft und unübersichtlich aus, aber alles war genau an seinem Platz. Das kleine Raumlabor hat eine ähnliche Ausstattung wie ein Forschungslabor an einer Universität, nur auf viel kleinerem Raum.
Die Versuche, die auf der ISS gemacht werden, kann man auch wirklich nur dort in der Schwerelosigkeit durchführen. Dazu gehören die medizinischen Experimente zur Osteoporose- und Krebsforschung. Die Krebszellen schweben nur in der Schwerelosigkeit dreidimensional in der Lösung. Das ist viel besser als zweidimensional im der Petri Schale.
Die Versuche kamen per Raumtransporter. Die “Dragon” parkte unter der ISS, die hat keine automatische Andockvorrichtung. Wir mussten sie mit dem Roboterarm greifen und in die richtige Position bringen. Die europäischen ATVs docken ja automatisch an.
Oft mussten wir Versuche umbauen, weil es aus nicht vorhersagbaren Gründen nicht wie vorgesehen klappte. Vieles, was man sich auf der Erde ausgedacht hatte, ließ sich nicht so einfach umsetzen. In einem Fall musste ich einen metallenen Bolzen absägen, um einen Versuchsaufbau passend zu machen. Dabei ging es um den Elektromagnetischen Levitator, EML. In der Schwerelosigkeit in kann man nicht so einfach Metall sägen, denn dabei entstehen Metallspäne. Und diese Späne könnten dann eingeatmet werden, oder ins Auge geraten, das hätte für uns gefährlich sein können. Dann habe ich nachgedacht und habe vorgeschlagen, das Sägeblatt mit Rasierschaum einzuschmieren, davon hatte ich sehr viel mitgebracht. Die Metallspäne sollten darin haften bleiben. Die Leute von der Bodenkontrolle haben das dann ausprobiert und nachdem sie ganz sicher machen, dass es klappen würde, haben sie uns das dann erlaubt. Das war so eine richtig McGyver-mäßige Idee, das braucht man da.
Der EML ist ein High-Tech-Ofen, in dem werden metallische Legierungsproben behälterfrei geschmolzen und erstarren. Die Experimente sollen dabei helfen, metallurgische Produktionsprozesse auf der Erde effizienter zu gestalten.
Und dann kommt der Transporter – das ist für die Astronauten wie Weihnachten!
Er bringt dann neue Versuche, Essen und frische Unterwäsche und Pakete von den Familien. Sein Essen und auch die Wäsche muss man sich eineinhalb Jahre vorher aussuchen. Das muss man natürlich gut überlegen. Ein Kollege hatte nicht so sorgfältig nachgedacht und hatte sich zu kleine Unterwäsche bestellt. Der musste dann ein halbes Jahr lang in zu kleiner Wäsche herumlaufen.
Bei der Fußball-WM hatten wir total Glück. Die Spiele kamen für uns gerade zur Abendbrotzeit, so dass wir dann auch Zeit hatten, sie zu gucken. Beim Länderspiel „Deutschland – USA“ hatten wir gewettet, wie es ausgeht. (Er lacht und zeigt ein Bild, auf dem er und zwei Astro-Kollegen in die Kamera grinsen. Die beiden anderen haben eine sehr seltsame, irokesenartige Frisur.) Und jetzt raten Sie mal, wer verloren hat.
Hier ist ein Blick in mein „Schlafzimmer“, das einzige bißchen Privatsphäre, was jeder von uns auf der ISS hat. Ich hatte als Begleiter übrigens die Maus dabei. (DIE Maus von „Die Sendung mit der Maus“!)
https://spezial.wdrmaus.de/die-maus-im-all
Als mein Kollege und ich die ISS verließen, um im Weltraum zu arbeiten, waren wir erstmal überwältigt. Ich war im Anzug komplett abgeschlossen gegen die Außenwelt, der Anzug ist ja selbst wie ein kleines Raumschiff, trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sich wie in einem kalten Luftstoß meine Nackenhaare aufstellten. Das war natürlich nur Einbildung.
Der Rückflug geht schnell, es dauert nur etwa drei Stunden. Dafür ist das eine heftige Achterbahnfahrt. Die Bremsraketen für den Abstieg heißen auf Russisch übrigens Raketen für eine weiche Landung. Also, wenn das schon die weiche Landung war,…Endlich waren wir unten angekommen, da erfasste der Wind unseren Fallschirm und wir kugelten noch ein Stückchen über den Boden der Steppe.
Und dann kamen wir endlich zum Stehen. Wir waren zu dritt natürlich extrem eingepfercht, und konnten uns in den schweren Anzügen und in der ungewohnten Schwerkraft ohnehin kaum bewegen, aus der Kapsel kommt man auch nicht allein raus. Wir wurden rausgezogen, das war wirklich anstrengend, so stelle ich mir eine Geburt vor.
Publikumsfragen: Ein Plädoyer für den Broccoli und die Raumfahrt
Eine Kinderfrage nach dem Essen auf der ISS beantwortet Gerst mit einem glühenden Plädoyer für Broccoli, Tomatensuppe und dem Eingeständnis, dass er von frischem Salat geträumt habe.
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