Auf marinedebris.info haben Ozean-Experten “Ocean-Clean-up” diskutiert:
Ihre wichtigesten Kritikpunkte:
1. Ungenügende praktische Erprobung der Methode
Slat hat vor den Azoren bereits eine kleine Versuchsanlage gestestet.
Wissenschaftler halten sie jedoch für absolut unzulänglich.
Die Meeresforscherinnen Martini und Goldstein meinen, dass dabei weder die Strömungsverhältnisse realistisch waren noch der Beifang an Tieren und Pflanzen überprüft wurde.
2. Zweifel an der Stabilität der Anlage
Stiv Wilson zweifelt an der die Stabilität der geplanten Anlage. Die Versuchsstudie und die Planung der Anlage unterschätzen Seegang, Stürme und Meeresströmungen.
3. Besiedlung und Verkrustung der Anlage durch Meerestiere
Auf einem Bauwerk im Ozean siedeln sich sehr schnell Organismen an, sie würden die Müll-Fangarme verkrusten und unbrauchbar machen.
4. Direkte Auswirkungen auf Meerestiere
Das Abschöpfen von Partikeln von der Meeresoberfläche würde auch die dort lebenden Organismen treffen. Vor allem die treibende Welt des Planktons in den Grenzschichten (Neuston und Pleuston), wie etwa die Blaue Flotte.
Ob sich andere Organismen dort verheddern könnten, ist noch nicht geklärt.
Auch die Tiere, die das Plastik selbst als Lebensraum nutzen, würden mit abgeschöpft.
Meine Einschätzung: Lob und Kritik
Boyan Slat und seine Mitstreiter haben ein ambitioniertes Projekt angeschoben und brillant vermarktet. Unter Nutzung ihres jugendlichen Elans und der modernen Medien.
Insgesamt erscheint das Projekt für diese Dimension fast naiv, es ist in vielerlei Hinsicht zu wenig durchdacht.
Darum nehmen Meereswissenschaftler es jetzt auch detailliert auseinander, um zu zeigen, dass das Marine debris-Problem wesentlich komplexer und komplizierter ist.
Ich kann beide Seiten verstehen – die ambitionierten jungen Erwachsenen, die endlich ein Problem angehen möchten, und die erfahrenen Älteren, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung wissen, daß alles komplizierter ist, als es auf den ersten Blick erscheint.
Aber warum nutzen hier nicht beide Seiten die Stärken des anderen?
Slat und sein Team wissen, wie man eine Idee zum Nutzen der marinen Ökosysteme in die Öffentlichkeit bringt und viele Menschen mobilisiert, es zu unterstützen und zu finanzieren. Slat hat ein globales Problem gewaltigen Ausmaßes avisiert und einen Lösungsansatz erdacht. Er hat seine Lösung verständlich vorgestellt und viele Menschen aktiviert, dieses Ziel zu unterstützen.
Die Meereswissenschaftler und andere Experten wiederum wissen, dass es nicht eine große Lösung geben kann, sondern eher mehrere kleine. Sie könnten zielgerichtet verschiedene Lösungen entwickeln, wie Müll an Flussmündungen abgeschöpft werden kann oder welches Instrumentarium in welcher Dimension auf offener See besser geeignet wäre.
Kooperation statt Aktionismus und „Kaputt-reden“ – das wäre doch mal ein lohnenswertes Ziel.
Ganz sicher bin ich mir allerdings, dass es so etwas nicht zum Nulltarif geben wird. Slat hat wirklich „schöngerechnet“. Und da würde ich mir wünschen, dass ein weit voraus denkender Mensch mit einem großen Finanzvolumen dafür ein Projekt auslobt. Ein internationales, interdisziplinäres Projekt, das junge und ältere Menschen an einen Tisch bringt und etwas Großartiges zum Wohle unserer Meere plant und umsetzt.
Und was kann jeder selbst tun?
Jeder Verbraucher kann seinen Anteil am globalen Marine debris-Problem selbst verringern.
Das Umweltbundesamt empfiehlt dazu:
- „Verwenden Sie keine Peelings, Duschgels und Zahnpasten, die Kunststoffe (zum Beispiel Polyethylen) enthalten.
- Werfen Sie Müll nicht achtlos weg, sondern stets in den Mülleimer. Nehmen Sie alles wieder mit, was Sie für den Strandtag oder das Picknick im Freien eingepackt haben.
- Kaufen Sie langlebige Produkte – so schonen Sie wertvolle natürliche Ressourcen und vermeiden Müll. Nutzen Sie plastikfreie Verpackungen wie Papiertüten für Brot oder Obst und Gemüse, Mehrwegflaschen oder noch besser Glasflaschen aus der Region und eigene Textiltragetaschen für den Einkauf.
- Trennen Sie Ihren Müll. Nur so ermöglichen Sie, dass Plastik und andere Stoffe überhaupt recycelt werden können.
- Beteiligen Sie sich an freiwilligen Säuberungsaktionen an Küsten, Stränden und Flussufern.“
In Hamburg lädt z. B. die Meeresschutzorganisation Deepwave e. V. zum Strandsäubern ein. - Werfen Sie von Schiffen aus keinen Abfall ins Meer.
Quellen:
Kommentare (31)