Bei „Pottwal“ denken die meisten Menschen an den größten aller Zahnwale, ein mehr als 15 Meter graues Ungetüm mit großen Zähnen, stetig auf der Laue r nach dem nächsten Tiefseekraken. Und von Melville in „Moby Dick“ unsterblich geschrieben.
Aber Pottwale können auch anders.
Neben dem genannten großen Zahnwal Physeter macrocephalus gibt es auch noch die Familie der Zwergpottwale mit dem Pottwal und dem Kleinen Pottwal.
Sie werden nur bis 3,30 Meter groß und leben in tropischen Gewässern. Über das Leben der Tiere ist extrem wenig bekannt, sie werden selten lebend gesichtet.
2012 und 2013 hatten Paläontologen an der Karibik-Küste von Panama zwei fossile Pottwale entdeckt. Die wissenschaftliche Analyse ergab: Es handelt sich um zwei Exemplare einer neuen Art und neuen Gattung: Nanokogia isthmia.
Der Vergleich mit den bisher gefundenen Arten fossiler Zwergpottwale ergab eine noch größere Überraschung:
Das Spermaceti-Organ war bei diesen 7,5 Millionen Jahre alten Mini-Moby Dicks größer als bei den heutigen!
Das Spermaceti-Organ besteht aus Fett und Bindegewebe und kommt ausschließlich bei Pottwalen vor. Es ist eine Weiterentwicklung der üblichen Melone der Zahnwale, einer Fettlinse, die den hervorragenden Biosonar der Zahnwale ermöglicht. Warum und wann genau es zu dieser Sonderentwicklung kam, kann heute niemand erklären. Das Spermaceti-Organ und die Melone sind natürlich nicht fossil erhaltungsfähig. Aber es hinterlässt charakteristische Spuren im Schädel, so können Wal-Paläontologen sie rekonstruieren.
Mittlerweile ist bekannt, dass dieses namensgebende Organ im Laufe der Pottwal-Evolution zweimal schrumpfte. Es war groß, um dann wieder kleiner zu werden.
Der Name „Nanokogia“ ist gut gewählt: Die Maße der gefundenen Schädelknochen deuten darauf hin, dass die Tiere insgesamt nur 1.95–2.16 Meter groß waren.
Pottwal-Fossil-Geschichte im Überblick
Über den Fossilbefund dieser ungewöhnlichen Zahnwale mit der ausgeprägten „Nase“ ist nicht sehr viel bekannt, es gibt nur wenige Funde. Die Pottwale sind schätzungsweise wenig über 30 Millionen Jahre alt, wie die Bartenwale.
Wie es zu dem enorm vergrößerten Spermaceti-Organ kam, ist völlig ungeklärt. Alle Experten sind sich allerdings einig: Im Miozän gab es mehrere Gattungen und mehrere Arten Pottwale nebeneinander, die Funde stammen aus dem Atlantik und Pazifik.
Ursprünglich hatten Pottwale im Ober- und Unterkiefer Zähne. Ein Prachtexemplar mit dieser Bezahnung ist der schätzungsweise 13,50 bis 17,50 Meter lange Livyatan melvillei. Er gehört zu den „Orca-Pottwalen“, ist etwa 12 Millionen Jahre alt und soll die zahlreichen kleinen Bartenwale dieser Zeit gejagt haben.
Über Zwergpottwal-Fossilien ist noch viel weniger bekannt.
Die beiden jetzt entdeckten Nanokogia isthmus-Exemplare sind also eine neue Art und eine neue Familie und ergänzen den raren Fossilienbefund.
Und: Sie hatten eine größere Melone als ihre heutigen Verwandten.
Wozu könnte eine besonders große Melone nützlich sein?
Velez-Juarbe, der Kurator für Marine Säugtiere im Natural History Museum of Los Angeles County, hat eine Idee: Vielleicht war eine große Melone zeitweise ein attraktives sekundäres Geschlechtsmerkmal?
„We really need to test this hypothesis“ erklärte er gegenüber Live Science. “We need to find more complete fossils.”
Sexuelle Attraktivität ist sicherlich immer eine gute Hypothese.
Ein anderer Erklärungsansatz könnte sein, dass die größere Melone leistungsstärker war und die Tiere aus irgendeinem Grund in dieser Zeit in diesem Meeresgenbiet ein leistungsstärkeres Biosonar brauchten. Meint Nicholas Pyenson, ein Kurator für fossile marine Säugetiere im National Museum of Natural History in Washington, DC, der an dieser Studie allerdings nicht beteiligt war.
Die Arbeit von “Evolutionary Patterns among Living and Fossil Kogiid Sperm Whales: Evidence from the Neogene of Central America” stellt nicht nur die neuen Fossilien vor, sondern bietet auch einen guten Überblick über den Stand der Wissenschaft der fossilen Zwergpottwale.
Ein Besuch in Dänemark führte zum Mini-Bericht über Mini-Pottwale
Zu diesem Beitrag hat mir ein Besuch im Walfossilien-Museum in Gram (Museum Sönderjylland Naturhistorie og Palæontologi) vor einigen Wochen inspiriert. Meine Wal-Freundin Ilka und ich hatten einen Ausflug nach Sönderjylland gemacht und hinter dem idyllischen Schloß Gram (Gram Slot) endlich mal das Wal-Museum besucht. Ein kleines, aber feines Museum mit didaktisch gut gemachter Ausstellung und wunderbaren rezenten und fossilen Walen.
Die Fundstelle liegt heute ca 30 Kilometer landeinwärts und war vor ca 9 Millionen Jahren Nordseeküste. Hier sind in einer Tongrube gleich eine ganze Reihe von gut erhaltenen fossilen Walen gefunden worden, Pott- und Bartenwale von rund 7 Metern Länge. Und jede Menge anderer Meereswesen aus der jüngeren Vergangenheit.
Das Fachsimpeln an so spannendem Material hat natürlich Riesenspaß gemacht. Dann erfuhren wir im Gespräch mit einem Museumsmitarbeiter noch, dass der ukrainische Wal-Paläontologe Pavel Goldin gerade im Museum arbeitet. Ilka kennt ihn persönlich, ich habe einige seiner Publikationen gelesen (der Mann hat RICHTIG Ahnung von fossilen Walen) – und so fragten wir, ob er Zeit für ein kurzes Hallo hätte.
Hatte er.
Und dann ging der Expertentalk nochmal einen Gang härter in die nächste Runde.
Ein außerordentlich gelungener Ausflug.
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