Ein magenta-farbener Schleim ergießt sich zähfließend auf ein Schiffsdeck. Das zugeschleimte Fanggeschirr und die Seestiefel eines Fischers sind der Maßstab: der Schleimteppich ist groß!
Auf BBC und „I fucking love science“ bin ich diese Bilder gestoßen, mit furchterregenden Überschriften. Ein rosa Schleim breitet sich an der nordnorwegischen Küste und im Lyngen- und Kvænangen-Fjord aus, er schleimt die Fänge der Fischer zu und ist nicht zu stoppen. Das weckt Erinnerungen an marine Horroszenarien wie „Der Schwarm“ oder SF-Thriller.
Ein klassischer Globster!
Globster sind unidentifizierte Klumpen organischer Materie.
Aber: Der Schleim ist gar keine amorphe Masse, sondern enthält rundliche gelatinöse Strukturen.
Mein erster Gedanke: Rippenquallen!
Aber: Wie kann aus den zarten, ätherischen Meereswesen ein riesengroßer rosa Globster werden? Durch ein massenhaftes Auftreten und durch das Zusammenfallen der hohlen Ziere zu einem Haufen Gelee. Es geht hier um Millionen Kubikmeter der glibbrigen Meerestiere, im Zustand der fortschreitenden Verwesung. Ein Friedhof der Quallentiere.
Quallenflut statt Fischzug – Wo sind die Fische gelieben?
Diese Quallenflut ist völlig neu an der nordnorwegischen Küste. Der norwegische Fischereibiologe Prof. Roger B. Larsen (Arctic University of Norway) erklärte gegenüber der Presse, dass er so etwas noch nie gesehen habe: die Masse des Quallengelees besteht aus Beroe spp. Die Qualle sei seit Ende Oktober in der Region aufgetaucht, erzählten Fischer. Neben Beroe war auch noch eine bisher unbekannte marmorierte Qualle mit gelbem Kern aufgetreten, die Larsen völlig unbekannt ist und muss erst einmal identifiziert werden.
Außerdem sind im gleichen Areal auch noch große Mengen von Staatsquallen (Siphonoren) aufgetreten.
Diese massiven Quallenschwärme hatten sich etwa 15 Meter über dem Meeresgrund angesammelt, hatten die Sonargeräte der Fischer getäuscht. Direkt über dem Grund stehen nämlich normalerweise die größten Fischschwärme, deren Signale aber nicht von denen der Quallen zu unterscheiden waren. Wenn die Fischer dann das Netz aussetzen, hieven sie ein Netz voller Quallen, die erst einmal wieder aus dem Fanggeschirr und von Deck entfernt werden müssen. Eine anstrengende und zeitraubende Arbeit, die Ressourcen an Arbeitskraft und Arbeitszeit schluckt.
Obwohl diese Fjorde normalerweise gute Fischgründe sind, sind in den Netzen der Fischer zurzeit kaum Fische und Garnelen, sondern nur Quallen. “I’ve done annual cruises with my students here in the past, and have never seen anything like this,” meint Larsen. “It is obvious that there is something going on which [the] wildlife [is] unable to cope with.”
Die Quallenflut hat offenbar sehr negative Auswirkungen auf die Fjord-Fauna, wenn sie jetzt Fische und Krebse verdrängt hat.
Quallen sind auch in anderen Meeren ein zunehmendes Problem: Durch das Abfischen größerer Fische werden Plätze im Ökosystem frei, auf die die Quallen nachrücken. Gleichzeitig fressen viele Quallen Fischbrut, so dass der Fischbestand noch weiter abnimmt. Gleichzeitig fressen nicht sehr viele Meeresbewohner Quallen: Meeresschildkröten, Makrelen und Seehasen und wenige andere Arten naschen die Glibbertiere. Und – zumindest – in Europa sind Quallen keine verwertbare Nahrungsressource für Menschen.
Das Quallenproblem wird sich in der Zukunft noch verschärfen. Die norwegischen Fischer erhalten jetzt einen Vorgeschmack vom Ozean der Zukunft.
Rippenquallen – gläserne Jäger im Meer
Rippen- oder Kammquallen (Ctenophora) sind wie Medusen Nesseltiere, haben aber keine Nesselzellen. Rippenquallen und Medusen haben durchsichtige hohle Körper und schwimmen im Meer, mit Tentakeln fangen sie ihre Beute. Sie sind Jäger. Beide Tiergruppen sind sehr alt und schweben mehr, als sie schwimmen. Medusen („Quallen“) und ihre Verwandtschaft, zu der auch Staatsquallen gehören, haben Nesselzellen mit starkem Gift – manche von ihnen sind für Menschen tödlich. Rippenquallen haben kein Gift.
Rippenquallen haben acht Rippen, die mit Wimpern-Plättchen besetzt sind. Durch den Schlag der Plättchen entstehen Interferenz-Farben, dadurch erscheinen die Wimperreihen irisierend. Sie steuern ihre Bewegung über ein diffuses Nervennetz, ihr wichtigster Sinn ist eine komplex konstruierte Statocyste, ein Gleichgewichtsorgan. Manche Rippenquallen haben Tentakel mit Klebzellen.
Eine der ungewöhnlichsten und sicherlich ästhetischsten Rippenquallen ist der Venusgürtel (Cestum veneris).
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