Der Furor der Pottwalbullen ist legendär. Jedenfalls in der Literatur.
Seit „Moby Dick“ ist es um den Ruf dieser großen Wale schlecht bestellt.
Ein großer alter weißer Pottwal – Moby Dick – lieferte sich eine Privatfehde mit Captain Ahab.- versenkte in einem Berserker-Kampf auf Leben und Tod den Walfänger „Pequod“. Zu diesem Zeitpunkt war über Pottwale noch wenig bekannt: Einzelne große Bullen scharen Weibchen in Harems um sich und außerdem sind die Biester bösartig.
Die historisch belegte Vorlage „Im Herzen der See“ hatte den Grundstein für das Pottwal-Image als Bad Guy gelegt.
Soweit das literarische Vermächtnis des Pottwals aus der Zeit des groß angelegten Walfangs auf diese großen Zahnwale und ihr kostbares Kopföl.
2002 publizierten Carrier, Deban und Otterstrom eine wissenschaftliche Untersuchung und kamen zu dem Ergebnis, dass die Nase des Pottwals ein gigantischer Rammbock sei. Dabei hatten sie vor allem die physikalischen und mechanischen Eigenschaften des Pottwalkopfes untersucht. (Carrier, David R.; Deban, Stephen M. & Otterstrom, Jason (2002): “The face that sank the “Essex”: Potential function of the spermaceti organ in aggression”; Journal of Experimental Biology; 205, pp. 1755 – 1763).
Ihre Hypothese, dass die Bullen sich mit diesen “Rammbock”-Nasen gegenseitig rammen und drohen, ist allerdings durch das tatsächliche Verhalten der Pottwale nicht belegt.
Das Gegenteil ist der Fall!
Der engagierte Biologe und passionierte Segler Hal Whitehead hatte in den 80-er Jahren die Arbeit mit lebenden Großwalen im Freiland mit entwickelt – als Gegenentwurf zur damals üblichen Forschung an im Walfang getöteten Walen.
Der Biologie-Professor von der Dalhousie Universität und sein Team betreiben seit 30 Jahren Feldstudien an diesen größten aller Zahnwalen. Mit dem Forschungssegelboot „Baleana“ begleiten sie Gruppen von Weibchen und ihren Jungtieren. Whitehead hat mehrere Aufsehen erregende Entdeckungen gemacht, die soziale Kommunikation der Pottwale durch geklickte Codas, Clans mit eigenen Dialekten und eine Wal-Kultur sind die wichtigsten Schlagworte.
Hier ist ein Eindruck, wie es in den Familiengruppen vor den Galapagos-Inseln zugeht:
Zu einer möglichen Gewalt innerhalb der Pottwale hat er niemals einen Hinweis bekommen. Er hält es sogar für hochgradig unwahrscheinlich, dass ein Tier, das derart stark von seinem Sonar abhängt, wie die Pottwale, dieses kostbare Organ derartig gefährden würde. Und dabei gebe ich ihm Recht. Mehr zu diesem Thema ist hier nachzulesen: https://scienceblogs.de/meertext/2013/04/22/moby-dicks-supernase-ein-sturmbock/.
Damenwa(h)l – kein blind Date im Ozean
Mr. und Mrs Pottwal leben getrennt
Die Pottwalbullen leben einzeln oder in lockeren Verbänden im subpolaren Gewässern, sie kommen nur gelegentlich zu den Familienverbänden in wärmeren Gewässern, um sich zu paaren. Bei den Bullen konnten bisher weder enge Beziehungen zueinander noch eine derartig ausgefeilte Kommunikation nachweisen.
Ungeklärt ist auch, wie sie mit den Damen ihrer Wahl kommunizieren, denn sie beherrschen die Clan-Dialekte nicht.
Auf jeden Fall zeigen die männlichen und weiblichen Wale bei ihren Treffen viel Interaktion. Whitehead ist überzeugt: Die Pottwaldamen wählen ihre Partner gezielt aus und scheuchen unliebsame Bewerber davon. Besonders interessant ist, dass die genetische Analyse der Familiengruppen zeigt, dass viele der Mitglieder den gleichen Vater haben! Kommt der gleiche Pottwal in mehren Jahren immer wieder zur gleichen Familiengruppe zurück? Oder paart sich der Pottwal in einer Saison mit vielen Weibchen? Das ist bis jetzt völlig ungeklärt.
Fest steht: Diese Treffen sind nicht zufällig.
Mr und Mrs Pottwal sind getrennt lebend. Aber wenn sie sich treffen…dann tobt im kühlen Ozean heißes Blut : )
Pottwale sind mein Monatsthema für November und Dezember 2015
Für einen umfangreichen Beitrag für „Bild der Wissenschaft“ habe ich vor zwei Wochen Hal Whitehead interviewt – es geht um die Kommunikation und das Verhalten, mit dem sich die Pottwal-Clans voneinander abgrenzen. Das einstündige Interview mit ihm war einfach wunderbar. Er bestätigte noch einmal, dass er äußerst selten aggressive Aktionen von Pottwalen gesehen habe, weder bei Männchen noch bei Weibchen.
Vielmehr scheinen sie sehr behutsam miteinander umzugehen.
Auf seiner Seite Whitelab stehen fast alle Publikationen bis in die 90-er Jahre zurück als pdf.s, ich habe seitenweise gelesen und geschwelgt (der Zugriff ist offen für jedermann und jederfrau).
Kommentare (7)