Für mich als Biologin ist ExoMars die aufregendst vorstellbare ESA-Mission – schließlich geht es um die Suche nach außerirdischen Leben!
Darum waren die Präsentation und ein Gespräch von und mit Jorge Vagos auf dem ExoMars 2016-Event war für mich das Highlight. Er ist ExoMars Project Scientist und koordiniert die astrobiologische Mars-Forschung.
Die Vorstellung von Marsianern und einer Zivilisation auf dem Roten Planeten spuken schon seit Jahrhunderten durch die Köpfe der Menschen. Heute wissen wir, dass es keine Kanäle, Städte und Zivilisationen auf dem Mars gibt.
Aber unser Nachbarplanet Mars ist immer noch im Fokus der Suche nach außerirdischem Leben.
Vor schätzungsweise 3,8 Milliarden Jahren haben sich, nach dem derzeitigen Forschungsstand, auf der Erde die ersten Lebensformen gebildet. Die ältesten irdischen Fossilien sind nach derzeitiger Schätzung 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahre alt. So sind die 3,5 Milliarden alten fossilen Stromatolithen aus Australien sicher biologischen Ursprungs, ob die etwa 3,8 Milliarden alten Bändereisenerze (banded iron formations) auf Bakterienbasis entstanden, ist nicht ganz unumstritten.
Aufgrund der Nähe und ähnlichen Umgebungsbedingungen könnte damals auch auf dem Mars Leben entstanden sein. Vor 4,3 oder 4,4 Milliarden Jahren herrschten auf dem Mars ganz andere Umstände als heute: es gab flüssiges Wasser und eine wesentlich dichtere Atmosphäre. Vor etwa 3,8 Milliarden Jahren verlor der Mars seine schützende Gashülle. Heute ist der Planet kalt, trocken und hat nur noch eine sehr dünne Rest-Atmosphäre. Es besteht also durchaus die Chance, dass in den frühen, lebensfreundlicheren Marslandschaften kleine „Marsianer“ „unterwegs“ waren.
Gibt es heute Leben auf dem Mars?
Trotz seiner heutigen Kargheit ist der Mars – abgesehen von der Erde – immer noch der beste Kandidat für Leben in unserem Sonnensystem!
Wie könnte man dieses Leben aufspüren?
Hier geht es um Lebensformen, die kaum Spuren auf der Oberfläche hinterlassen dürften, die möglicherweise sogar nur unterirdisch vorkommen.
Lebensformen sind, sehr einfach ausgedrückt, nicht ganz geschlossene Systeme, die Stoffe aus ihrer Umgebung aufnehmen, verarbeiten und dann – meist andere – Stoffe wieder abgeben. Sie betreiben Stoffwechsel.
Eine ganze Reihe von Mirkoorganismen scheiden dabei u. a. Methan aus. Ein flüchtiges Gas, das durch Gestein oder Sand nach oben entweicht und in die Atmosphäre aufsteigt. Methan ist ein Spurengas und nicht sehr stabil – es reagiert schnell mit anderen Substanzen. In der Atmosphäre hält es sich bis zu etwa 600 Jahren, danach ist es abgebaut.
Die ESA-Sonde Mars-Express hat Spuren von Methan gefunden. Da Methan instabil ist, muss es aus einer Quelle auf dem Planeten nachproduziert werden. Grundsätzlich kann Methan sowohl durch lebende biologische Prozesse als auch durch nicht-biologische Prozesse entstehen. Auf der Erde, so Jorge Vago, werden 90 % des Methans von Organismen produziert. Woher kommt das Methan des Mars?
Mögliche Methanquellen sind Vulkanismus, Meteoritenstaub, Kometeneinschläge, Methanhydrat (Methanklathrat), Serpentinisierung und Mikroben.
Außerdem hat MarsExpress eine weitere spektakuläre Entdeckungen gemacht: Es gibt große Mengen flüssigen Wassers auf dem Mars – allerdings unter der Planeten-Oberfläche. Eine andere wichtige Voraussetzung für Leben ist flüssiges Wasser, das universelle Lösemittel.
Weiterhin hat MarsExpress großflächige Ablagerungen von Ton-Sedimenten nachgewiesen, die teilweise mehrere Hundert Meter dick sind. Auf der Erde bilden sich Tonablagerungen unter Einfluss von Wasser, solche Sedimente sind eine exzellente Quelle für Fossilien.
Wo sind die Bio-Signaturen?
Darum gilt es jetzt, nach Bio-Signaturen zu suchen.
Allerdings gibt es dabei eine Komplikation: Die NASA-Mars-Sonde Phonenix hat Perchlorat gefunden!
Das hatte offenbar niemand erwartet, Vago spricht ausdrücklich von einem Überraschungsfund: „Phoenix found a surprising molecule: Perchlorate.“ Und es ist keine gute Nachricht, denn Perchlorat zerstört, wenn es erhitzt wird, Bio-Moleküle. Bisher läuft die Untersuchung von Bodenproben durch Marssonden nämlich so, dass die Probe zunächst erhitzt wird. Durch die Erhitzung aber hätte Perchlorat eventuell vorhandene Bio-Signaturen zerstören können!
Auch Curiosity hat die Mars-Bodenproben für die weitere Analyse erhitzt.
Dass bisher auf dem Mars keine Bio-Moleküle nachgewiesen werden konnten, kann also durch die Methode erklärbar sein. Die Sterilität des Mars-Bodens wäre dann ein anthropogenes Artefakt.
Darum wird ExoMars erstmals andere Untersuchungsmethoden einsetzen, ohne eine Erhitzung des Perchlorats und die mögliche Zerstörung möglicher Biosignaturen.
Können Mars-Fossilien irdisches Leben erklären?
Der Mars ist heute kalt, trocken und fast ohne Atmosphäre – er sieht wenig lebensfreundlich aus. Vor 3,8 Milliarden Jahren hat er seine Atmosphäre und dann auch sein Oberflächenwasser verloren.
Vor 4,3 Milliarden Jahren hatte der Rote Planet eine dichtere Atmosphäre und flüssiges Oberflächenwässer. Zu dieser Zeit könnte es, ähnlich wie auf der Erde, zu einer chemischen und dem Beginn einer biologischen Evolution gekommen sein.
Auf der Erde sind solche alten Fossilien nicht bekannt, weil Gesteine aus dieser Zeit sehr selten erhalten sind. Die Plattentektonik sorgt dafür, dass große Bereiche der Erdkruste immer wieder „überarbeitet“ werden. Dazu kommen die verschiedenen Verwitterungsprozesse durch Wetter, Klima, Wasser und Pflanzen, so dass alte Gesteine oft in schlechtem Zustand sind. So gibt es keine aussagekräftigen steinernen Zeugen aus der frühen chemischen und biologischen Evolution der Erde.
Auf dem Mars hingegen schon, erklärte mir Jorge Vago nach seinem Vortrag. Nicht an der Oberfläche, aber in tieferen Schichten. Mars hat keine Plattentektonik.
Wenn wir also annehmen, dass die Bedingungen für die Evolution in unserem Sonnensystem gleich waren, ist es nicht so unwahrscheinlich, dass es auch auf dem Mars Leben gab.
Aber wir müssen tief bohren! – „But we have to drill deep!”
Das wird die Aufgabe von ExoMars 2018 sein: Der Rover wird eine Bohrausrüstung haben, mit der er bis in 2 Meter Tiefe vordringen kann. Das ist wesentlich tiefer, als jede bisherige Mars-Bohrung.
In 2 Metern Tiefe ist der Bohrer unter dem „Verwitterungs“-Horizont (degradation horizon). Die Gesteine der obersten Mars-Schichten werden durch UV-Strahlung (bis in 1 Millimeter Tiefe), durch Oxidation (bis in 1 Meter Tiefe) und durch Ionisierende Strahlung (bis in 1,5 Meter Tiefe) zersetzt. Erst in unter 1,5 Metern Tiefe ist unverwittertes Gestein in seiner ursprünglichen Zusammensetzung zu erwarten (im Vortrag, s. u., ist dazu eine sehr gute Graphik und Erklärung zu sehen).
ExoMars 2018: Baikonur (Erde) – Oxia Planum (Mars)
Den Landeplatz des ExoMars2018-Rovers haben die Projekt-Wissenschaftler sorgfältig ausgewählt. Schließlich soll der Rover nicht einfach irgendwo im Staub landen, sondern in anstehendem und möglichst altem Gestein.
Seit Oktober 2015 steht fest: Der Rover wird im Gebiet Oxia Planum landen.
Dort liegen ausgedehnte Ablagerungen von Tonmineralien und eine durch Wasser geformte Landschaft, die darauf hin deuten, dass hier einst Seen, Flüsse und ein Fluß-Delta waren.
Das Alter dieses Areals ist durch die übliche Methode bestimmt worden, mit der hohen Anzahl der Einschlagskrater.
Die Suche wird dann ganz gezielt an Bruchkanten von massivem Sedimentgestein stattfinden, genauso wie Paläontologen auf der Erde vorgehen.
Dann wird der Rover vor allem auf zwei Details achten:
1. auf die Oberflächentextur der Gestein
2. auf organische Moleküle, die im Kontext mit dem Gestein stehen könnten.
Falls auf dem Mars fossile Lebensspuren erhalten sind, dann sind die tieferen Schichten alter Tonmineralien, die sich im Wasser abgelagert haben, die allerbesten Plätze, um danach zu suchen. Mikroorgansimen kommen oft als Mikrofilme vor, dann überziehen sie als dichte Matten die Oberfläche eines Substrat. Besonders oft sind sie an feuchten Grenzflächen zu finden, etwa feuchten Steinen oder auch an Wasseroberflächen.
Und das ist die Mission des ExoMars 2018 Rovers: Die Suche nach Lebensspuren.
Die erste exobiologische Mission seit den Viking-Marssonden – Jorge nennt sie die “Cadillacs” der Mars-Forschung – in den 70-er Jahren.
Nach seiner Präsentation habe ich ihn noch etwas gefragt:
“Für wie wahrscheinlich halten sie es, Spuren fossilen lebens auf dme Mars zu finden? Was schätzen Sie“
Jorge antwortete: “50%!”
Das ist sehr viel mehr, als ich erwartet habe!
Zum Nachlesen und Anhören:
Vago, J; et al: “ESA ExoMars program: The next step in exploring Mars”; Solar System Research 49(7):518-528 · December 2015; DOI: 10.1134/S0038094615070199
Präsentation von Jorge Vago beim ExoMars 2016-Event:
Lohnt sich unbedingt: Er spricht sehr deutlich und die Abbildungen sind hilfreich.
Mein Artikel enthält mehr Details, die ich zusätzlich recherchiert habe.
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