Der Machtkampf der Borg-Queen mit dem menschlichen Captain Picard und dem Maschinenwesen Data ist legendär: Dem Menschenmann bietet sie Macht durch Assimilation, den Maschinenmann versucht sie, mit Emotionen zum Überlaufen zu verführen. Natürlich scheitert sie bei beiden – allerdings war Data kurz versucht, ihr Angebot anzunehmen, immerhin 0,68 Sekunden lang. Für einen Androiden eine Ewigkeit.
Der Cyberpunk der 80-er Jahre greift die düster-dystopische Architektur aus Fritz Langs Metropolis auf, reichert sie mit den stroboskopartig blitzenden Werbetafeln des Tokyoter Stadtteils Shibuya und an und katapultiert die Science Fiction ins Computer- und Netzwerk-Zeitalter. Noch vor der Einführung der e-Mail. Begriffe wie Cyberspace stammen aus SF-Büchern und werden nur wenige Jahre später Bestandteile unseres Alltags. Globalisierte Konzerne regieren, Vernetzung und Überwachung sind allumfassend, die Spaltung in Arm und Reich in Stadt-Molochen und andere Zukunftsvisionen sind Alltag für viele Menschen. Hier zeigt sich die Stärke der Science Fiction, mögliche künftige Entwicklungen voraus zu denken und exemplarisch durchzuspielen. Meilensteine des Cyberpunk sind der Roman „Neuromancer“ (1984) von William Gibson und der Film „Blade Runner“ (1982) von Ridley Scott (nach Philip K. Dicks Roman: „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“).Trostlose Zukunftswelten in düsterem Dauerregen und in dystopischen Straßenschluchten. Wieder geht es um die Frage: Wie unterscheiden sich Mensch und Maschinenmensch, welche Rechte haben Cyborgs?
Besteht im Cyberpunk- oder Computer-Zeitalter überhaupt noch die Notwendigkeit von Sex und Gender? Im Cyborg Manifesto (1991) erörtert Donna Haraway ihre Gedanken zur postfeministischen Science Fiction. Sie sieht Cyborgs als Geschöpfe in einer Post-Gender-Welt. Schließlich ist durch die Schaffung künstlicher Menschen die Rolle der Frau als „Gebärerin“ überholt. Die feministische Science Fiction ist bevölkert von Cyborgs, die den Status von Mann oder Frau, Mensch, Artefakt, Rassenzugehörigkeit, individueller Identität oder Körper fragwürdig erscheinen lassen. Allerdings beginnt sie ihr Cyborg-Manifesto mit dem Hinweis, ihr Manifest sei ironisch. Ich vermag nicht zu beurteilen, welcher Anteil davon ironisch gemeint ist, das möge jede/jeder selbst beurteilen.
Außerhalb der feministischen Science Fiction ist das Konzept der Überwindung von Sex und Gender nicht verbreitet. Ganz im Gegenteil weisen auch Roboter, Cyborgs und KIs oft sehr stark ins Auge fallende Geschlechtsmerkmale auf, sowohl äußerlich als auch im Verhalten.
Florentine Strzelcyk greift in ihrem Essay „Maschinenfrauen – Weibliche Cyborgs – Sci-Fi Filme“
allerdings zu kurz, wenn sie SF grundsätzlich als konservativ und patriarchalisch beschreibt. Sie bezieht sich dabei vor allem auf „Metropolis“ und „Star Trek: First Contact“. „Wie die Maschinen-Maria ist auch die Borg Queen negativ als Vamp sexualisiert, und wird damit zur Gefahr für die männlichen Protagonisten Kapitän Picard und Commander Data.“ Im Weiteren beschreibt sie Data als jungfräulich. Mit diesen Aussagen zeigt Strzelcyk eine tiefe Unkenntnis des Star Trek-Universums. Denn KennerInnen wissen: Data ist mitnichten jungfräulich, sondern „voll funktionsfähig“, unter Trekkies ein Running Gag. Außerdem ist die Borg-Queen zwar eine Frau, aber neben der „Verführerin“ auch die fürsorgliche Mutter, im Sinne einer Bienenkönigin. Des Weiteren verführt sie nicht nur männliche Protagonisten, sondern auch weibliche, sie ist omnisexuell. In späteren Voyager-Folgen umgarnt die Borg-Queen Captain Janeway und Seven of Nine, die ihr natürlich ebenfalls widerstehen.
Mir kommt es vielmehr so vor, als ob in der SF sogar mehr starke weibliche Gestalten vertreten sind, als in vielen anderen Genres. Das Äußere sowohl der weiblichen als auch der männlichen Darsteller ist natürlich extrem gefällig, oft übertrieben. Aber solange die schneckenbezopfte Prinzessin Leia eine Lasergun trägt und ihre Truppen in den Kampf führt, Captain Janeway erfolgreich ein Raumschiff kommandiert und die zyklopenäugige Leela aus Futurama ihr Planet Express Ship sicher durch alle galaktischen Unbilden führt halte ich diese Charaktere für moderner als viele andere weibliche Rollenvorbilder, deren vorrangiges Ziel oft immer noch ist, den männlichen Helden zu erobern und ein Happy End zu erheiraten.
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