Den Begriff „Ingenieure des Meeres“ finde ich nicht sehr passend. Denn nach heutigem Sprachgebrauch schafft ein „Ingenieur“ komplexe technische Werke, aktiv und zielgerichtet. Ein Wal hingegen setzt niemals komplexere Technik als einfache Werkzeuge wie Schwämme, Schnecken, oder ähnliches ein. Im vorliegenden Fall unternimmt er keine anspruchsvollere Aktivität als zu fressen und Stoffwechsel zu betreiben. Das reicht mir nicht für einen Ingenieur. Immerhin trägt ein Wal aber Nährstoffe zwischen den einzelnen Wasserschichten umher, das ähnelt dem Kompost umräumen und verteilen eines ursprünglichen Gärtners oder Farmers.
Der Meeresforscher Victor Smetacek vom Afred Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung nennt Großwale „Gärtner“ des Ozeans. Der Begriff trifft es eher, schließlich düngen die Meeressäuger das pflanzliche Plankton und lassen so Myriaden von Meeresalgen wachsen (Übrigens steht er auch Co-Autor von Joe Romans Publikation, ist aber wahrscheinlich nicht für den Titel verantwortlich).
Victor Smetacek forscht vor allem im Südpolarmeer. Das Meer um den sechsten Kontinent beherbergte in früheren Zeiten gigantische Wal- und Krillbestände, die sich heute kaum noch jemand vorzustellen vermag. Die Blauwale sind auf einen Bruchteil ihrer einstigen Bevölkerungsstärke geschossen worden, die Bestände dieser größten aller Wale haben sich bis heute nicht erholt.
Auch das Antarktische Krill ist nie wieder zu solchen Mengen angewachsen, wie in der Ära vor dem Antarktischen Walfang. Das erscheint paradox, denn nun sind ja nicht mehr so viele hungrige Wale da, um die kleinen Garnelen aufzufressen. Viele Wissenschaftler meinen, dass dies im Kontext mit dem Klimawandel stehe. Victor Smetacek hat allerdings eine andere Erklärung, die mit den Walen zusammenhängt. Die Erwärmung des Klimawandels sei im Südpolarmeer schließlich noch gar nicht angekommen.
Im Südpolarmeer ist Eisen der knappste Faktor, der das Algenwachstum und somit die Futterquelle für den Krillkrebs Euphausia superba limitiert. Und Walkot enthält Eisen. Viele Wale bedeuten viele Wal-Fäkalien, das führt zu viel Eisen im Wasser und ermöglicht mehr Algen- und somit Krillwachstum. Die kleinen Schwebegarnelen werden dann wiederum von den Walen geerntet.
Da die Walbestände nun aber auf einen Teil ihrer einstigen Größe zurückgegangen sind und sich vor allem die sehr großen Arten wie Blauwale nicht wieder erholen werden, bleibt der Eiseneintrag ins Südpolarmeer wesentlich geringer als vor der Walfang-Ära. Und damit fehlt auch die Nahrungsgrundlage für die Krillschwärme.
Die Internationale Walfangkommission gibt als geschätzten Blauwalbestand für die Südliche Hemisphäre 2300 Tiere an (Stand 1997/98), das Überleben der Art ist nicht gesichert. Andere Walarten haben sich besser erholt, werden wohl aber auch kaum jemals wieder ihre alte Populationsstärke erreichen und geben ebenfalls viel weniger Dünger ab.
Der Kot von Pottwalen soll besonders eisenhaltig sein, schreibt Trish J. Lavery (Department of Environment, Australia). Das liege an der bevorzugten Tintenfisch-Diät dieser großen Zahnwale. Sie schätzt die Eisenproduktion allein der Pottwale auf der Südhalbkugel auf 50 Tonnen jährlich (Trish J. Lavery, et al, Victor Smetacek: “Iron defecation by sperm whales stimulates carbon export in the Southern Ocean; 2010). Die tief tauchenden Pottwale holen die rare Ressource Eisen aus der dunklen Tiefe ihrer Jagdgründe in die durchlichtete Zone des Meeres, wo das Sonnenlicht die Photosynthese von Algen ermöglicht.
Übrigens: Abgesehen vom Walkot-Eintrag gelangt Eisen sonst vor allem über Saharasand, der von Staubstürmen in die Atmosphäre gewirbelt und dann über weite Strecken verdriftet wird, ins Meer. Dann lässt der rötliche Wüstenstaub Meereswüsten erblühen.
„Whale pump“ – der Wal als CO2-Umwälzpumpe
Wale transportieren Nährstoffe durch verschiedene Wasserschichten.
Außerdem hat die Eisendüngung der Wale auch noch einen weiteren Effekt: Sie ist von globaler Bedeutung für das Klima! “Algen liefern ebenso wie Landpflanzen die Basis allen Lebens; sie bauen aus dem Treibhausgas CO₂ Zucker, Eiweiße und Fette auf. Diese sonnenbetriebene Riesenpumpe und das Meerwasser haben rund die Hälfte des gesamten von Menschen emittierten CO₂ aus der Luft geholt.“ erklärt Victor Smetacek.
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