Die Kometensonde Rosetta hat Unmengen von Daten gesammelt, bis jetzt sind schätzungsweise 5 % davon ausgewertet. Genügend Daten, so erzählt Dr. Matt Taylor, um Wissenschaftler-Teams noch für Dekaden zu beschäftigen. Er hat einige der Wissenschaftler zu einem Science Briefing am 28.09.2016 im ESOC eingeladen, um einen Überblick über ihre bisherigen Ergebnisse und die Implikationen der Rosetta-Mission für die aktuelle Kometenforschung vorgestellt. Ich durfte dabei sein und natürlich vor allem den Resultaten über Kometen-Landschaften, Kometen-Staub und Kometen-Suppe andächtig gelauscht, außerdem konnte ich Frau Prof. Kathrin Altwegg dann noch mit ein paar Fragen löchern zu den astrobiologischen Details.
Eines der Missionsziele des europäischen Kometenritts war die Frage nach der Entstehung des Lebens in unserem Sonnensystem und auf der Erde. Vorweg soviel: 67 P Tschurjumow-Gerassimenko enthält die Aminosäure Glycin. Glycin ist damit die erste Aminosäure, die auf einem Kometen nachgewiesen wurde. Doch dazu später mehr…
Wer sich für die 10 einzelnen Vorträge interessiert: Emily und Claudia haben auf den ESA-Blogs darüber berichtet.
ROSINA schnüffelt in der Kometen-Suppe
Die Schweizer Physikerin Prof. Kathrin Altwegg hat sich mit dieser Frage beschäftigt und stellt in einem ersten Überblick vor, welche Voraussetzungen für Leben in P67 „Tschuri“ nachweisbar sind.
Das Massenspektrometer-Duo ROSINA “erschnüffelt” Moleküle: “ROSINA, the Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis, is a combination of two mass spectrometers and a pressure sensor. The mass spectrometers will determine the composition of the comet’s atmosphere and ionosphere, measure the temperature and bulk velocity of the gas and ions, and investigate reactions in which they take part.” ROSINAs Hardware hat ein Konsortium aus vier europäischen Ländern und den USA erarbeitet, unter der Federführung liegt des Physikalischen Instituts der Universität Bern (Switzerland) mit Kathrin Altwegg.
Bis jetzt sind jede Menge Moleküle nachgewiesen, darunter auch viele langkettige Kohlenwasserstoff-Verbindungen, die nach unserem derzeitigen Stand – neben Wasser – für die Entstehung von Leben eine Voraussetzung sind. (Persönliche Anmerkung: Jedenfalls nach Ansicht der meisten Wissenschaftler. Einige Stimmen kritisieren diesen „Kohlenstoff-Chauvinismus“ für zu anthropozentrisch bzw. terrazentrisch und halten auch andere biochemische Grundlagen für möglich, statt des bindungsfreudigen Kohlenstoffs sei auch etwa Silizium denkbar – diese Diskussion sei hier aber ausgeklammert).
Die Koma des Kometen, also seine Staub- und Gashülle, nennt Kathrin Altwegg “Kometen-Suppe” – ein Hinweis auf viele gute Ingredienzien. Allerdings weniger für die Gourmets, sondern eher für Biochemiker, denn für die menschliche Nase riecht diese Suppe nicht gut und ist obendrein nicht sehr gesund. Sie enthält Gase wie Ammoniak, Schwefelwasserstoff, andere Schwefelverbindungen und Blausäureverbindungen – der Kometenduft ist eine durchdringende Mischung aus verfaulten Eiern und Urin, mit einer leichten Bittermandelnote.
Der “Kometen-Zoo”
Die Physikerin Kathrin Altwegg hat für Ihren Vortrag die Zutaten der Kometen—Suppe in einen Kometen-Zoo sortiert. Sie möge gern Tiere und könne sich die komplexen chemischen Verbindungen mit dieser Sortierung nach ihren (tierischen) Eigenschaften einfach besser merken. Didaktisch genial und sehr unterhaltsam, gerade für mich als Zoologin.
Zuallererst geht es aber noch einmal um die Frage, ob die Kometen das Wasser auf die Erde gebracht haben. Nein, das ist nicht der Fall. Die Signatur aus Wasser und schwerem Wasser zeigt große Unterschiede zwischen der Erde und Kometen und ist auch inmnerhalb der Kometen noch einmal unterschiedlich: „Earth did not get the bulk of water from comets!“
Dann ordnet sie die chemischen Gruppen in einen Zoo: Flüchtige Substanzen, Gase wie CO, CO2, Stickstoff und der unerwartete Sauerstoff sind die Schmetterlinge.
Die langkettigen Kohlenstoffmoleküle wie Methan, Ethan, Propan, Butan, Pentan bis zu Heptan sind die langhalsigen Giraffen. De facto sind noch längere Ketten dabei, “aber da suchen wir noch nach den dazu gehörigen Molekülen.
Die aromatischen Verbindungen erinnern mit ihren runden Strukturen – den Ringen – und ihrer Größe an Elefanten. Von Benzol bis Naphtalin. Darus können wir übrigens auch schließen, dass es auf dem Kometen 67 P keinen Motten gibt.
Eine lustige Gruppe von Molekülen sind die Alkohole, zumindest einige davon haben das Potential, Menschen und Tiere ja zu „lustigem“ Verhalten bringen. Darum sind sie hier unsere Affen.
Glycin, die Aminosäure, die in Proteinen vorkommt und eine Grundlage für das Leben auf der Erde ist, sei hier der König der Tiere (- eher die Königin?-) – der Löwe. Der Löwe ernährt sich von Zebras. Darum nennen wir die Vorstufen des Glycins wie Ammoniak, Methylamin und Ethylamin die Zebra-Moleküle.
Einige andere unangenehm riechende Substanzen mit Schwefel seien hier die Skunks (Schwefelwasserstoff, Schwefelmonoxid, Schwefeldioxid, Kohlenstoffdisulfid) und der Pfeilgiftfrosch steht für die bunt gefärbten Schwefelverbindungen wie den blauen Schwefel S2, den gelben S3 und den roten S4. Einige giftige Verbindungen assoziieren wir mit Schlangen: Acetylen, Blausäure (Cyan-Wasserstoff) und Formaldehyd.
Der Pfau symbolisiert die schönen und solitären Edelgase: Argon, Xenon und Krypton.
Neben den flüchtigen Substanzen wirbelt der Sonnenwind auch noch Partikel von Natrium, Kalium, Silizium und Magnesium auf.
Chlorwasserstoff, der in der Reaktion mit Natrium zu Meersalz wird, und einige andere chemische Spezies haben wir als tropische Fische klassifiziert. In dieser Gruppe schwimmt auch der Phosphor mir, der als elementarer Bestandteil von DNA und Zellmembranen ein Schlüsselelement des Lebens ist.
Eine komplexe, schwierig zu klassifizierende Sauerstoff- und Wasserstoff-Verbindungen nennen wir exotische Vögel: Sie sind komplexer als andere Verbindungen, haben aber weder Ketten noch Ringe, sondern sind vielfach verzweigt.
Zuletzt gibt es noch das Dicyan, das sich in unseren Messergebnissen immer hinter etwas anderem versteckt hat – wir brauchten fast zwei Jahre, um es zu entdecken. Ein richtiges Chamäleon.
An den äußeren Rändern des Zoos sind Ohren, Geweihe oder Schwanzspitzen von anderen Tieren zu sehen, die wir noch nicht genau identifizieren können. Sie stehen für weitere chemische Verbindungen, die wir noch genauer untersuchen müssen.
Der Kometen-Zoo mit seinen bunten Bewohnern ist natürlich nur eine bunte Metapher. Denn, soviel ist sicher: Kometen enthalten kein Leben! Sie enthalten zwar biochemische Moleküle und Wasser, aber es fehlt ihnen die Energie!
Aber sollte ein Stück eines solchen Kometen, der so viele Ingredienzien für Leben enthält, ins Wasser fallen, könnte es wirklich interessant werden. Kometen haben das Potential, den Prozess der Entstehung des Lebens auf der Erde mit initiiert zu haben!”
Glycin – eine Ausnahme-Aminosäure
Kathrin Altwegg und ihr Team haben bis jetzt Glycin auf Tschuri nachgewiesen.
Glycin ist die ERSTE Aminosäure, die auf einem Kometen nachgewiesen werden konnte.
Moooment…da waren doch noch mehr Aminosäuren nachgewiesen worden? Oder?
Nein, erklärt mir Kathrin Altwegg, eben nicht. Das war zwar als Ergebnis des Stardust-Projektes so postuliert worden. Die NASA-Sonde Stardust war 2004 durch die dicke Staub- und Gaswolke, die den Kometen Wild-2 umgibt, geflogen und hatte einige Partikel in einer Probenkammer eingefangen. Zwei Jahre später waren diese Partikel per Fallschirm auf die Erde zurückgekommen und konnten analysiert werden.
Allerdings hatten die Forscher die biochemischen Verbindungen mit Wasser aus den Proben herausgelöst. Damit besteht die Möglichkeit, dass einige Verbindungen erst durch die Reaktion mit Wasser zu Aminosäuren reagiert haben. Der Beweis ist also nicht sicher.
Der Nachweis von Glycin in Tschuri ist hingegen sicher, weil durch die Untersuchung mit dem Massenspektrometer keine Kontamination und Reaktion mit Wasser erfolgt ist. Glycin ist die einzige bekannt Aminosäure, die sich ohne die Anwesenheit von flüssigem Wasser bilden kann!
Weitere Aminosäuren sind bis heute nicht sicher nachgewiesen. Allerdings gibt es in den Kometengasen eine ganze Reihe von Verbindungen, die bei Kontakt mit Wasser zu Aminosäuren reagieren könnten. Und so könnten, so Kathrin Altwegg, doch – auch – Kometen diese wichtigen Grundbausteine des Lebens auf die Erde gebracht haben. Schließlich gibt es auf der Erde wirklich viel Wasser, so dass die Kometentrümmer bei einem Impact sehr sicher mit diesem wichtigsten aller Lösemittel reagieren konnten.
In diesem Artikel steht mehr zum Glycin-Nachweis, auch die Publikation ist dort angegeben.
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