Rosetta-Grand-Finale

Das Motto am 29. und 30.09.2016

„Wie genau konnte ESA überhaupt den Landepunkt vorher bestimmen?“ fragte Dampier.
Die kurze Antwort lautet: Die Kameras machen´s möglich.

Die längere Antwort habe ich am Freitagabend bekommen.
Die beiden Rosetta-Tage waren für mich noch einmal extrem fesselnd. Die für mich wichtigsten Punkte, nämlich die möglichen Implikationen der Rosetta-Mission für die Astrobiologie und die Entstehung des Lebens auf der Erde, hatte ich ja am Donnerstag im Science Board schon gehört. Die Vorträge hatten es in sich und waren ein phantastischer Überblick über die bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse.
Am Freitag war ja dann „nur noch“ das „technische Ende“ der Mission.

Matt Taylor

Matt Taylor – bei einer ca 30-sekündigen Pause zwischen Interviews, Gesprächen, Vorträgen etc.

Und eigentlich war um 13:38 Uhr so ziemlich alles vorbei. Aber eine ganze Menge Leute, ESOC-Mitarbeiter, die den Betrieb von Rosetta durchgeführt haben, Wissenschaftler und Journalisten konnten sich danach noch nicht so recht losreißen. Die Stimmung war wuselig, kommunikativ, begeistert und immer noch extrem aktiv. Dann gab es ja noch einen Nachschlag in Form mehrerer Vorträge. Und einfach so viele interessante Gesprächspartner und Bekannte, dass ich zwar mehrfach eigentlich gerade gehen wollte, mich dann aber doch noch mit jemandem in eine interessante Unterhaltung vertiefte oder in noch einen Vortrag ´reinhörte. Unversehens war es dann nach 20:00 Uhr…und ich konnte noch die Antworten für einige besondere Eurer Fragen finden.
Die Photos sind Aufnahmen vom Freitag und fangen die Stimmung ein, nach dem unglaublich erfolgreichen Ende eines Projekts, das seit mehr als 20 Jahren begonnen hatte, mit einem kleinen Raumschiff, das mehr als zehn Jahre lang unterwegs war.

Presseraum-Holger-Sierks-präsentiert-die-letzten-Bilder

Holger Sierks erklärt OSIRIS

OSIRIS: Rosettas wissenschaftlicher Blick
Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung leitet das Konsortium des Kamerasystems OSIRIS auf der Raumsonde und hatte nachmittags eine detaillierte Präsentation zu OSIRIS.
Er betonte noch einmal die Bedeutung von OSIRIS für das Gelingen der gesamten Mission: Schließlich basierte der Kometenritt auf visueller Navigation! Natürlich hatte Rosetta  ein eigens dafür vorgesehenes Navigationskamera-System (aus zwei redundanten Kameras) dabei und OSIRIS war in erster Linie für die wissenschaftliche Beobachtung vorgesehen.
Auch NAVCAM und OSIRIS waren redundant angelegt, für den Ausfall der Navigationskameras (NAVCAM (dies ist übrigens KEINE ägyptische Gottheit)) wäre die Sonde mit dem OSIRIS-Kamera-System weiterhin navigierbar gewesen.OSIRIS ist Rosettas optisches, spektroskopisches und Infrarot-Instrument und somit das visuelle System der Raumsonde. In 924 Tagen haben die Kameras fast 68000 Aufnahmen des Kometen  67P/Tschurimov-Gerasimenko in hoher Auflösung „geschossen“, aus unterschiedlichen Winkeln, vom Nukleus des Kometen und seiner Koma. Diese Instrumentkombination besteht aus einer Weitwinkel- und einer Nahwinkel-Kamera (wide- und narrow-angle camera – WAC und NAC) und ist eine Gemeinschaftsarbeit von Forschungsinstituten aus sechs europäischen Ländern und der Industrie gewesen, neben der ESA waren auch die NASA und die Canadian Space Ageny beteiligt. Das OSIRIS-Team bestand in der Phase des Betriebs aus immerhin 97 Mitarbeitern.
Hier ist mehr zu seinem Vortrag und hier ist noch ein aufschlussreiches Interview mit ihm.

Visuelle Navigation und Punktlandung auf dem Kometen.
Die meisten Raumsonden navigieren radiometrisch. Normalerweise sind die Bahnen, Orbits und Masseschwerpunkte der zu erforschenden Himmelskörper bekannt.
Allerdings kommt die Radiometrie kommt dann an ihre Grenzen, wenn die Bewegung eines Himmelskörpers nicht exakt vorhersagbar ist. Wie bei 67P/ Tschurimov-Gerasimenko. Die Umlaufbahnen von Kometen werden durch unregelmäßige Kräfte beeinflusst, darum sind sie nicht so exakt kalkulierbar.

Einer der Gründe ist, dass so ein Komet viel Eis enthält. Sowie das Eis genügend Sonnenenergie erhält – durch die Positionierung zur Sonne und einen genügend kleinen Abstand zur ihr – taut das Eis zu Wasser oder Wasserdampf. Dann verschwindet der Wasserdampf (mit Staubpartikeln und flüchtigen Gasen) von der Kometenoberfläche ins All. Dieser Vorgang, das sogenannte Outgassing, erzeugt einen Rückstoß wie ein Raktentriebwerk, und macht die Bahn des Kometen unberechenbar.

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Kommentare (9)

  1. #1 RPGNo1
    4. Oktober 2016

    @Martina
    Ein sehr schöner Text. Mich freut besonders, wie du die Stimmung der an der Mission beteiligten Mitarbeiter in Wort und Bild eingefangen hast. Das gibt nochmal ein ganz anderes Bild als die mehr technisch orientierten Reports, die man die letzten Tage in allen möglichen Medien lesen konnte. Die übrigens auch hochspannend waren, nicht dass wir uns falsch verstehen.

    Einen formellen Faux pas habe ich jedoch in deinem Text gefunden. Mehrere Absätze wie “Aber eine ganze Menge Leute, ESOC-Mitarbeiter, die den Betrieb von Rosetta durchgeführt haben,… ” und “Eine weitere Besonderheit von 67 P hat die gesamte Mission nicht gerade vereinfacht: Der Entenumriss („Rubberducky“) basiert darauf,…” sind im Duplikat vorhanden. Sind da zwei Word-Versionen zusammengestoßen? 🙂

  2. #2 RPGNo1
    4. Oktober 2016

    Argh, Asche auf mein eigenes Haupt.
    Ich meine natürlich Bettina, sorry. Wie komme ich denn auf Martina? *grübel*

  3. #3 Bettina Wurche
    4. Oktober 2016

    @RPGNo1: : )))

  4. #4 Bettina Wurche
    4. Oktober 2016

    RPGNo1: Und auf meins. Zu viele Korrekturen und Schiebereien mit zu vielen Bildern. Das Problem ist, dass ich so etwas in meinen eigenen Texten nicht mehr sehe. Danke.

  5. #5 Dampier
    4. Oktober 2016

    Hey – Danke für die ausführliche Antwort :))

  6. #6 Bettina Wurche
    4. Oktober 2016

    @Dampier: Bitte : )

  7. #7 Alex
    5. Oktober 2016

    Sehr interessanter Artikel.
    Vielen Dank.

  8. #8 Gerhard
    7. Oktober 2016

    Sehr schöner und atmosphärischer Bericht!

    Witzig fand ich “Alle noch vorhandenen Sachfehler habe ich allein zu verantworten : )).”
    Bei soviel Technik und Input wäre das kein Wunder 🙂

  9. […] Als Ziel-Komet für die ESA-Mission ist er der Star unter den Kometen geworden. Keinesfalls eine Notlösung,  war er eine wesentlich größere Herausforderung für die ESOC-Crew. Bei der Annäherung wurde nämlich deutlich, dass es sich um einen Doppelkometen handelt. Ein größerer Körper ist über einen Hals mit einem kleineren Körper verbunden. Nach dem ersten ungläubigen Staunen ward er liebevoll “Rubberducky” (Gummiente) genannt. Diese völlig unerwartete Form machte die Suche nach einem Landeplatz für den kleinen Kometenlander Philae extrem schwierig. Philae sollte ohne eigenen Antrieb auf die Kometenoberfläche absteigen, darum konnte man nur ein Zielgebiet wählen, nicht aber den genauen Zielpunkt. Und die Kartierung der Oberfläche musste zügig erfolgen, bevor P 67 mit zunehmender Oberflächentempertaur zu viel Aktivitäten entwickelte. Oberflächenaktivität bedeutet hier schließlich, dass auf besonnten Flächen Eis unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit Eis aus dem festen unmittelbar in den gasförmigen Aggregatzustand wechselt (sublimiert) und als “Jet” entweicht. Solche Jets hätten den kleinen Lander einfach wegblasen können. Schließlich gab es einen geeigneten Landeplatz, etwa von der Größe eines Fußballfeldes. Dieser letzte Reiseabschnitts von Rosetta und Philae war absolut dramatisch. Glücklicherweise ging ja dann alles gut – Philae landete nicht einmal, sondern gleich mehrmals. Wie die Flugdynamiker am beweglichen Kometen navigiert haben und welche besonderen Schwierigkeiten dabei auf… […]