„Wie genau konnte ESA überhaupt den Landepunkt vorher bestimmen?“ fragte Dampier.
Die kurze Antwort lautet: Die Kameras machen´s möglich.
Die längere Antwort habe ich am Freitagabend bekommen.
Die beiden Rosetta-Tage waren für mich noch einmal extrem fesselnd. Die für mich wichtigsten Punkte, nämlich die möglichen Implikationen der Rosetta-Mission für die Astrobiologie und die Entstehung des Lebens auf der Erde, hatte ich ja am Donnerstag im Science Board schon gehört. Die Vorträge hatten es in sich und waren ein phantastischer Überblick über die bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse.
Am Freitag war ja dann „nur noch“ das „technische Ende“ der Mission.
Und eigentlich war um 13:38 Uhr so ziemlich alles vorbei. Aber eine ganze Menge Leute, ESOC-Mitarbeiter, die den Betrieb von Rosetta durchgeführt haben, Wissenschaftler und Journalisten konnten sich danach noch nicht so recht losreißen. Die Stimmung war wuselig, kommunikativ, begeistert und immer noch extrem aktiv. Dann gab es ja noch einen Nachschlag in Form mehrerer Vorträge. Und einfach so viele interessante Gesprächspartner und Bekannte, dass ich zwar mehrfach eigentlich gerade gehen wollte, mich dann aber doch noch mit jemandem in eine interessante Unterhaltung vertiefte oder in noch einen Vortrag ´reinhörte. Unversehens war es dann nach 20:00 Uhr…und ich konnte noch die Antworten für einige besondere Eurer Fragen finden.
Die Photos sind Aufnahmen vom Freitag und fangen die Stimmung ein, nach dem unglaublich erfolgreichen Ende eines Projekts, das seit mehr als 20 Jahren begonnen hatte, mit einem kleinen Raumschiff, das mehr als zehn Jahre lang unterwegs war.
OSIRIS: Rosettas wissenschaftlicher Blick
Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung leitet das Konsortium des Kamerasystems OSIRIS auf der Raumsonde und hatte nachmittags eine detaillierte Präsentation zu OSIRIS.
Er betonte noch einmal die Bedeutung von OSIRIS für das Gelingen der gesamten Mission: Schließlich basierte der Kometenritt auf visueller Navigation! Natürlich hatte Rosetta ein eigens dafür vorgesehenes Navigationskamera-System (aus zwei redundanten Kameras) dabei und OSIRIS war in erster Linie für die wissenschaftliche Beobachtung vorgesehen.
Auch NAVCAM und OSIRIS waren redundant angelegt, für den Ausfall der Navigationskameras (NAVCAM (dies ist übrigens KEINE ägyptische Gottheit)) wäre die Sonde mit dem OSIRIS-Kamera-System weiterhin navigierbar gewesen.OSIRIS ist Rosettas optisches, spektroskopisches und Infrarot-Instrument und somit das visuelle System der Raumsonde. In 924 Tagen haben die Kameras fast 68000 Aufnahmen des Kometen 67P/Tschurimov-Gerasimenko in hoher Auflösung „geschossen“, aus unterschiedlichen Winkeln, vom Nukleus des Kometen und seiner Koma. Diese Instrumentkombination besteht aus einer Weitwinkel- und einer Nahwinkel-Kamera (wide- und narrow-angle camera – WAC und NAC) und ist eine Gemeinschaftsarbeit von Forschungsinstituten aus sechs europäischen Ländern und der Industrie gewesen, neben der ESA waren auch die NASA und die Canadian Space Ageny beteiligt. Das OSIRIS-Team bestand in der Phase des Betriebs aus immerhin 97 Mitarbeitern.
Hier ist mehr zu seinem Vortrag und hier ist noch ein aufschlussreiches Interview mit ihm.
Visuelle Navigation und Punktlandung auf dem Kometen.
Die meisten Raumsonden navigieren radiometrisch. Normalerweise sind die Bahnen, Orbits und Masseschwerpunkte der zu erforschenden Himmelskörper bekannt.
Allerdings kommt die Radiometrie kommt dann an ihre Grenzen, wenn die Bewegung eines Himmelskörpers nicht exakt vorhersagbar ist. Wie bei 67P/ Tschurimov-Gerasimenko. Die Umlaufbahnen von Kometen werden durch unregelmäßige Kräfte beeinflusst, darum sind sie nicht so exakt kalkulierbar.
Einer der Gründe ist, dass so ein Komet viel Eis enthält. Sowie das Eis genügend Sonnenenergie erhält – durch die Positionierung zur Sonne und einen genügend kleinen Abstand zur ihr – taut das Eis zu Wasser oder Wasserdampf. Dann verschwindet der Wasserdampf (mit Staubpartikeln und flüchtigen Gasen) von der Kometenoberfläche ins All. Dieser Vorgang, das sogenannte Outgassing, erzeugt einen Rückstoß wie ein Raktentriebwerk, und macht die Bahn des Kometen unberechenbar.
Für die kurzfristige Navigation ist dann vor allem der Einfluss des Kometen auf die Raumsonde entscheidend, etwa durch die Koma und Irregularität des Schwerefelds, was ebenfalls nicht exakt vorausberechnet werden kann.
“Ein wichtiges Problem bei der Navigation ist die Unsicherheit bei der Vorhersage der Flugbahn von Rosetta. Dafür sind verschiedene Störkräfte verantwortlich, die bei einem so kleinen Körper relativ groß im Verhältnis zur einfachen Schwerkraft in Richtung Schwerpunkt des Kometen werden können. Da ist zunächst der Strahlungsdruck der Sonne, dessen Einfluss aber noch recht gut modelliert werden kann. Dann ist da der Gasdruck des Kometen auf Rosettas Sonnensegel, der wegen der schwankenden Kometenaktivität schwerer vorherzusagen ist und besonders um das Perihelium herum von Bedeutung war. Bei den geringen Entfernungen gegen Ende der Mission kommt dann noch die unbekannte Massenverteilung inerhalb des Kometen hinzu.” (Zitat Dr. Björn Grieger).
Diese Besonderheit von 67 P hat die gesamte Mission nicht gerade vereinfacht: Der Entenumriss („Rubberducky“) basiert darauf, dass zwei kleinere Kometen zusammengestoßen waren und dann einen gemeinsamen Himmelskörper gebildet haben. So hat er nun also nicht nur einen außergewöhnlich unregelmäßigen Umriss, sondern in den beiden Teilen auch noch eine unterschiedliche Dichte, was die Berechnung des gemeinsamen Schwerpunkts noch komplizierter macht.
So kann ein Orbit also immer nur kurzfristig geplant werden. Die Navigation relativ zum Kometen, die Landung des Landers Philae und auch die letztendliche Landung von Rosetta musste auf visuellen Daten basierend erfolgen.
Dafür wurde Rosetta 14 Stunden vor der Landung 20 Kilometer von 67 P wegbewegt. So kam der Komet vollständig in das Gesichtsfeld der Kameras, was natürlich die Voraussetzung für die Landung im angepeilten Zielgebiet war. Ohne die Gas- und Staubhülle des Kometen und außerhalb des Einflusses der Irregularität des Schwerefelds konnten die Kameras nun alle wichtigen visuellen Bezugspunkte von Tschury erfassen, um das Raumfahrzeug möglichst auf der anderen Kometenseite abzusetzen als den bereits gelandeten Philae.
Für dieses Orbitmanöver mit hoher Genauigkeit war es notwendig, die Accelerometer (Beschleunigungsmesser) neu zu kalibrieren. Ihre Kalibrierung ist temperaturabhängig, für höchste Genauigkeit muss ihre Umgebung thermisch stabil sein. Darum mussten 12 Stunden vor der Landung alle Geräte in einer stabilen Konfiguration gehalten werden, um die Temperatur möglichst stabil zu halten.
Nach der exakten Positionsbestimmung von Rosetta zur Erde und zum Kometen begann dann der Abstieg zur Oberfläche des kleinen Himmelskörpers, der zurzeit mit 14,3 km/sec durchs All saust.
Zunächst erfolgte die Navigation von Rosetta mit der dafür vorgesehenen NAVCAM.
Erst nach der Einleitung des Kollisionsmanövers, nachdem alle Befehle zu Rosetta abgeschickt worden waren, hat das Team noch einmal auf die OSIRIS-Kameras umgeschaltet.
Zunächst erfasste die Weitwinkelkamera (WAC) mit dem größeren Gesichtsfeld Tschurys Oberfläche – diese Bilder sind dunkler und schärfer – , ab 173 Metern über der Kometenoberfläche war dann die Position und das Zielgebiet klar und die NAC – die Kamera mit dem kleinen Gesichtsfeld und der höheren Auflösung – kam zum Einsatz, diese Bilder sind dann heller und etwas verschwommener. Näher ist niemals jemand an einen Kometen herangekommen. Und es dürfte auch nicht so schnell wieder der Fall sein.
(Ein ganz herzliches Dankeschön für besonders geduldige Erklärungen und Korrekturen geht an Dr. Ulrich Herfort, Dr. Björn Grieger und Rainer Kresken. Alle noch vorhandenen Sachfehler habe ich allein zu verantworten : )).
Die Band im Hintergrund des Rosetta-Kuchens spielte übrigens folgenden Song (dies ist KEINE Originalaufnahme) – ich bin ja nicht so für Dixie, Jazz etc, aber das fand ich echt passend:
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