Zum Termin in Heppenheim konnte Matthias Maurer übrigens nur kommen, weil dafür das für den Nachmittag angesetzte Tauchtraining „abgekürzt“ wurde – mit der Simulation eines Notfalls. Er musste in seinen „verunglückten“ Kollegen „retten“ und ihn in die Luftschleuse zurückschleppen. Alles in 10 Metern Tiefe.
Im Pool des Astronautenzentrums in Köln trainieren die ESA-Astronauten für die Außeneinsätze im All die sogenannten „Weltraumspaziergänge“. Die natürlich alles andere als Spaziergänge sind, sondern extrem anstrengend. Ein Unterwasser-Szenario kommt einem Einsatz im Weltall so nahe, wie man es auf der Erde nur simulieren kann.
Feueralarm im Weltraum!
Die Simulation von Notfällen nimmt einen sehr wichtigen Platz im Astronautentraining ein. Auf der ISS gibt es drei Arten von Notfällen:
1. Feuer
Bei Feueralarm werden die Belüftung und der Strom des betreffenden Moduls abgestellt. Ohne Sauerstoffzufuhr erstickt das Feuer von selbst.
Feuer im Weltraum gab es bisher nur ein einziges Mal, 1997 auf der MIR
2. Druckverlust
Zum Druckverlust kann es etwa durch den Einschlag eines Mikro-Meteoriten oder bei der Kollision mit Space debris (Weltraummüll) kommen. In dem Fall muss das Loch gefunden und repariert werden. Gegebenenfalls muss das Modul isoliert und das Loch später repariert werden.
3. Luftkontamination mit Ammoniakgas
Die Radiatoren auf der westlichen Seite der ISS enthalten Ammoniak. Effizient in der Kühlung, allerdings hochgiftig in der Atemluft. Gerät es durch ein Leck in die Station, müssten sich die Astronauten in den russischen Teil der ISS zurückzuziehen. Dort sind die Wärmeaustauscher weniger effizient, laufen allerdings auch ohne Ammonium.
Forschung auf der ISS
Die ISS bietet als einziges Labor überhaupt die Möglichkeit, Versuche unter Schwerelosigkeit durchzuführen. Bisher hat sich herausgestellt, dass viele Materialien und organische Strukturen wie Gewebe oder Organismen unter Schwerelosigkeit offensichtlich anders reagieren und neuartige, bisher unbekannte Eigenheiten entwickeln.
Gravitation sorgt für eine spezifische Anordnung innerhalb von Mischungen, natürlich haben schwerere Anteile die Tendenz, sich aufgrund der Gravitation nach unten zu bewegen. Flüssigkeiten haben dadurch die Tendenz, sich zu entmischen. In Legierungen bedeutet das, dass sich das schwere Metall unten sammelt und die Legierung keinesfalls gleichmäßig durchmischt ist. Das bedeutet für die daraus produzierten Teile, dass sie an verschiedenen Stellen leicht unterschiedliche Materialeigenschaften haben.
Für die Materialwissenschaft bedeutet Schwerelosigkeit, dass sich etwa Metalle in Legierungen wesentlich gleichmäßiger mischen, das hatte Alexander Gersts Experiment 2014 während seiner Mission “Blue Dot” auf der ISS gezeigt.
Für mich als Biologin ist vor allem die Gravitationsbiologie interessant:
Experimente mit Pflanzen auf der ISS haben ergeben, dass sich unter dem Einfluss der Schwerelosigkeit Gene aktivieren, die normalerweise inaktiv sind.
Experimente mit der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), einer auch auf der Erde beliebten Experimentier-Pflanze, hatten gezeigt, dass in dem Kreuzblütler-Genom bestimmte Gene aktiviert werden, die der Pflanze zu einer höheren Stress-Resistenz verhelfen. Etwa eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen Trockenheit. Das ist keinesfalls trivial, sondern kann wichtige Hinweise für die Zucht von Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen, geben. Eine wertvolle Eigenschaft in Zeiten des Klimawandels, der für große Gebiete der Erde aller Voraussicht nach mehr und längere Trockenperioden bedeuten wird.
Die verringerte Gravitation hat offenbar auch signifikante Auswirkungen auf das menschliche Genom. Eine Zwillingsstudie der NASA hatte das kürzlich an den beiden Astronauten Mark und Scott Kelly nachgewiesen.
Beide Zwillingsbrüder haben das gleiche Astronautentraining absolviert und waren in vergleichbarem Gesundheitszustand. Dann lebte und arbeitete Scott Kelly gemeinsam mit dem Kosmonauten Mikhail Kornienko ein Jahr lang auf der ISS – dies war der erste so lange Aufenthalt von Menschen im Weltall! Sein Bruder Mark blieb auf der Erde und fungierte als Kontrollgruppe des Experiments. Erste Untersuchungen stellten erhebliche genetische Veränderungen bei Scott fest, die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen.
Reiseziel Mond. Oder Mars?
Den größten Teil des Vortrags machte natürlich das Astronautentraining aus, vor allem die Vorbereitung auf die Exploration in der Zeit nach der ISS. Matthias Maurer hatte sich schon in seiner Zeit vor der offiziellen Ernennung zum Astronauten mit dieser Zukunftsforschung beschäftigt.
Wohin geht es nach der ISS?
Das nächste Ziel ist der Mond!
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