Der Name „Boaty Mc Boatface“ hatte im vergangenen Jahr viel Staub (oder Schlamm?) aufgewühlt. 2016 wurde ein Name für das neue 200 Millionen £ teure Forschungsschiff gesucht. Einige offizielle Vertreter des britischen Forschungsrats Natural Environment Research Council (NERC) hatten die Idee, die Öffentlichkeit einzubeziehen. Leider reagierte die Öffentlichkeit ganz anders, als man sich das in der Chefetage vorgestellt hatte.

An Vorbildern für berühmten Engländer in der Arktis- und Antarktisforschung, nach denen man Polarforschungsschiffe benennen könnte, hat es wirklich nicht gefehlt, der Entdecker Ernest Shackleton oder der Marineoffizier James Clark Ross sind nur zwei Namensgeber für Forschungsschiffe. In diesem Fall stimmten sehr viele Menschen für den Entdecker Henry Worsley, der kurz zuvor in der Antarktis umgekommen war. Es kam, wie es kommen musste. Der BBC-Radio-Moderator James Hand schlug im Scherz etwas ganz Anderes vor: „Boaty Mc Boatface“.

Und die Social Community griff den Vorschlag begeistert auf und stimmte dafür.
Die NERC-Chef-Etage versank in Verzweiflung: Sollte man ein 200 Millionen £ teures Polarforschungsschiff wirklich „Boaty Mc Boatface“ taufen? Oder sollte man die Öffentlichkeit brüskieren und das nicht genehme Ergebnis ignorieren?
Schließlich kam es zu einer tragfähigen Lösung: Der berühmte Dokumentarfilmer Sir David Attenborough war gerade 90 Jahre alt geworden, sein Name stand auf Platz 5 der Liste der vorgeschlagenen Namen. Schließlich hatte dieses Urgestein der BBC-Dokus auch spektakuläre Aufnahmen in der Antarktis und Arktis gemacht. Das Forschungsschiff ist also RRS “David Attenborough” getauft worden. Und das bordeigene ROV-Tauchboot der auf den Namen „Boaty Mc Boatface“.

Boaty Mc Boatface erforscht die Tiefenströmung vor den South Orkneys

Bildergebnis für Autosub Long Range vehicles

Autosub Long Range (NOC)

Das kleine gelbe Tauchboot wird nun auf seiner ersten Reise die runde gelbe Nase tief in ozeanographische Angelegenheiten stecken.

Boaty und seine beiden Geschwister-Tauchbötchen gehören zu den modernsten und leistungsfähigsten Tauchvehikeln, die es zurzeit gibt: Die 2 Autosub Long Range vehicles sind eine Spezialentwicklung für das britische National Oceanography Centre (NOC). Sie können Tausende von Kilometer fahren, bis in 6000 Meter Tiefe tauchen und sind auch unter einer Eisschicht in polaren Gewässern einsetzbar. Boaty und seine autonomen Tauchgeschwister sollen den Ozeanographen helfen, die Prozesse der Veränderungen in den Polargebieten zu untersuchen, etwa die Eisschmelze. Dabei können dieses ROVs sich weit vom Mutterschiff entfernen. Ab und an tauchen sie auf und funken ihre Datenströme zum Schiff und den wartenden Wissenschaftlern.

Boatys erste Mission geht in die die tiefen Strömungen des Südatlantiks, im Auftrag des Forschungsprojekts Dynamics of the Orkney Passage Outflow (DynOPO), einer gemeinsamen Expedition des BAS (British Antarctic Survey), der University of Southampton und NOC). Zur Erinnerung: Die South Orkneys sind gleich um die Ecke von South Georgia, nicht weit entfernt von den Falklandinseln und nahe der Antarktischen Halbinsel.

Flow of bottom water in Orkney passage (BAS)

Dort, in der Tiefe des Südatlantiks vor den South Orkney-Inseln, formen sich Wassermassen zu einer gewaltigen Tiefenströmung. Ein Tiefenwasser-Highway mit submarinen Wasserfällen, der Auswirkungen auf den gesamten Südatlantik hat. Diese tiefen Meeresströmungen haben auch direkte Auswirkungen bis zur Wasseroberfläche und auf die Eisbedeckung. Ihre Erforschung steht natürlich auch in direktem Kontext mit dem Klimawandel, diese Strömungen müssen in Klimamodellen berücksichtigt werden.

Die RRS “James Clark Ross” wird Boaty in einen schmalen, 3500 Meter tiefen Graben nordöstlich der Antarktischen Halbinsel setzen, in die Orkney-Passage. Sie ist das Eingangstor für einen großen Teil des Tiefenwassers (Bottom water), also des Wasserkörpers direkt über dem Meeresboden, der vom Weißen Kontinent in den Atlantik fließt.

Die Eisbedeckung kühlt nämlich das darunterliegende Meerwasser ab, das daraufhin dichter wird und so nach unten auf den Meeresboden absinkt. Das dichte kalte Wasser fließt dann vom Kontinentalsockel in die tieferen, abyssalen Bereiche nördlich der Antarktis ab und verursacht eine stetige und kraftvolle Strömung Richtung Norden. Im Bereich der Orkney-Passage fließt ein Viertel des Tiefenwassers in die große Strömung der thermohalinen Zirkulation – das globale ozeanische “Förderband”.  Diese Zirkulation in der Tiefe des Ozeans ist ein wesentliches Element der Verteilung der Wärmeenergie und somit unseres Klimasystems.

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Kommentare (18)

  1. #1 Dampier
    14. März 2017

    Das kleine gelbe Tauchboot wird nun auf seiner ersten Reise die runde gelbe Nase tief in ozeanographische Angelegenheiten stecken.

    Dafür liebe ich deine Artikel.

    Unglaublich spannende Missionen. Und wieder mal ein Hoffnungsschimmer, was die Menschen mit ein bisschen Goodwill so draufhaben …

  2. #2 tomtoo
    14. März 2017

    @Bettina

    Vielen Dank ! Sowas ist köstlich. Steigert sofort meinen Glauben an die Menschheit wieder ! : )

  3. #3 Bettina Wurche
    14. März 2017

    @Dampier, @tomtoo: Danke, Ihr beiden. Ja, genauso geht es mir auch! In diesen Zeiten braucht man eine Auszeit, um sich bei etwas Ozeankram zu entspannen. Danke, Dampier fürs Schreibkompliment : )

  4. #4 RPGNo1
    14. März 2017

    Ach, Boaty Mc Boatface. Ich erinnere mich. 🙂
    “David Attenborough” ist natürlich ein absolut würdiger Name für ein Forschungsschiff. Wie könnte man einen großartigen Tierfilmer besser ehren?
    Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn die Verantwortlichen Humor bewiesen und die öffentliche Stimme akzeptiert hätten. Aber so hat wenigstens ein “Kind”, sprich Tauchboot, den gewähleten Namen.

    PS: Bettina, mir ist aufgefallen, dass unter dem Foto des Forschungschiffs “RRS Richard Attenborough” steht. Der war sicher ein bekannter Schauspieler (und der ältere Bruder von David), aber er ist doch nicht der korrekte Namensgeber.

  5. #5 Bettina Wurche
    14. März 2017

    @RPGNo1: Ohhh…danke. Ja, das war ne schwierige Sache. Muss man aber mit rechnen. Social Media sind wie die Zauber im Zauberlehrling : ))

  6. #6 RPGNo1
    14. März 2017

    In Deutschland gab es in 2011 auch schon Trouble bei einer Namensgebung.

    Die Wahl eines Namens für einen neuen Straßentunnel fiel auf Bud Spencer. Dieser fühlte sich geehrt, allerdings erwies sich der Gemeidenrat als humorlos. Das Ergebnis der Abstimmung sei nicht bindend. Später wurde dann jedoch beschlossen ein Schwimmbad “in Bud-Spencer-Bad umzubenennen, da Carlo Pedersoli dort in den 1950er Jahren an einem Schwimmwettbewerb teilgenommen und im 100-m-Kraul gewonnen hatte. Die Umbenennung des Freibades fand am 2. Dezember 2011 statt und wurde vom eigens dafür angereisten Bud Spencer vorgenommen.”
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bud_Spencer#Namenspatron_in_Schw.C3.A4bisch_Gm.C3.BCnd

  7. #7 Bettina Wurche
    14. März 2017

    @RPGNo1: Ja, ich erinnere mich. Die Reaktion fand ich auch extrem unentspannt. Direkte Kommunikation mit dem Volk ist nicht jedermanns Sache : )

  8. #8 imNetz
    14. März 2017

    Bei der Namensfindung für die nördliche Autobahnbrücke bei Budapest gabs auch Komik:

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Megyeri_h%C3%ADd#Namensgebung

  9. #9 tomtoo
    14. März 2017

    @ROGNo1

    Super Geschichte. Bud Spencer Tunnel. :))
    War doch das was entstand wenn Bud “höflich” um einen Weg nach drausen gefragt hat oder ? (Im Film)
    Warum sind manche Menschen so humorlos ?

  10. #10 Bettina Wurche
    14. März 2017

    @imNetz: Chuck Norris-Brücke. WTF – wie kommt man auf so was ?

  11. #11 Bettina Wurche
    14. März 2017

    @tomtoo: Gute Frage. Was wäre schlimm daran, die Menschen morgens auf dem Weg zur Arbeit oder sonstowohin erstmal zum Grinsen zu bringen? Gut gelaunte Untertanen sind wahrscheinlich zu gefährlich, für echte Machthaber. Darum verbieten Leute wie Erdogan Satire bzw. lassen ihre Minister den Frauen das Lachen verbieten. Humor ist eine zu starke Waffe.

  12. #12 tomtoo
    14. März 2017

    @Bettina

    Gut Laune verbindet die Menschen. Das ist gefährlich ! ; )

  13. #13 Gerhard
    15. März 2017

    Spannende Geschichte, danke!
    “Wasserkörper” – schöner Begriff.
    Wieso machen eigentlich die Briten das? Und wer finanziert das?

  14. #14 meregalli
    15. März 2017

    Fehlt nur noch eine Ausnehmung neben den Kontaktdaten am Rücken Boaties für einen “Telefonschilling”, wie ihn früher die Halsbänder von Hunden zierte, die entlaufen könnten.

  15. #15 RPGNo1
    15. März 2017

    Meine Einschätzung ist ja, dass Amtsträger/Behörden vor allem in Europa solche skurrilen Namensvorschläge nicht akzeptieren (wollen), weil sie die Befürchtung haben, dass irgendwie die Würde ihres Amtes, der Stadt oder der öffentlichen Einrichtungen darunter leiden könnte. Diese Blöße will man sich nicht geben.
    Die Amis sind diesen Fällen sehr viel entspannter. WIr könnten uns in diesem Fall eine Scheibe abschneiden. Man muss sich nur mal die seltsamen Städtenamen anschauen.
    https://www.americanet.de/seltsame_ortsnamen.html

  16. #16 Bettina Wurche
    15. März 2017

    @Gerhard: “Wasserkörper” ist ein Begriff aus Hydrographie/Ozeanographie und bezeichnet eine geographisch und/oder oder physikalisch definierte Wassermasse.
    Die drei Autosub Long Range gehören dem NOC (s. link), die haben sie wohl auch entwickelt (s. Video). Damit dürfte das NOC auch zumindets einen Teil der Finanzierung beigesteuert haben. Gut möglich, dass auch NERC mitgfinanziert hat. Letztendlich sind es Steuergelder, da es um Klimaforschung geht, könnten auch noch Projektmittel dabei gewesen sein. Das weiß ich aber nicht.
    Die South Orkneys “fallen völkerrechtlich unter den Antarktisvertrag, der in der Antarktis keine staatliche Souveränität zulässt, werden jedoch von Großbritannien und von Argentinien beansprucht.” (Wikipedia).
    De facto beanspruchen die Briten mehrere Inselgruppen vor der Antarktischen Halbinsel bis zu den Falklands, besetzen dort viele Antarktisstationen und haben regelmäßigen Schiffsverkehr und Forschungsprojekte in dem Areal. Es geht um eine geostrategisch extrem wichtige Region, nicht nur für sichere Häfen im Südpolarmeer sondern auch um die Beanspruchung von Arealen zur Ausbeutung von Ressourcen, von Fischerei bis Ölexploration. Dazu kommt demnächst mehr, bin gerade am Schreiben.

  17. #17 Gerhard
    15. März 2017

    Danke für die aufklärenden Worte, @Bettina.

  18. […] Wenn man einen Wettbewerb ins Leben ruft, um ein Forschungsschiff zu benennen. Dann sollte man eigentlich auch das Ergebnis akzeptieren. Boaty McBoatface ist dann doch kein Name für ein britisches Forschungsschiff geworden, aber zumindest für einen Tauchroboter. Meertext weiß mehr über dessen Einsatz. […]