Ardley ist eine kleine Insel nahe der Antarktischen Halbinsel mit einer großen Kolonie von Esels-Pinguinen (engl.: Gentoo; Pygoscelis papua), etwa 5000 Vögel leben dort.
Eine internationale Arbeitsgruppe, zu der auch Wissenschaftler des British Antarctic Survey gehören, ist in der Region auf der Suche nach Klimadaten unterwegs. Mitten auf Ardley liegt ein Süßwasser-See und solche See-Sedimente sind hervorragende Klimaarchive. So lässt sich an ihnen die Höhe des Meeresspiegels zu verschiedenen Zeiten ablesen: Wenn das Meer die Insel überflutete, lagerten sich im See-Sediment natürlich marine Organismen wie etwa Plankton ab. Anhand von Blütenpollen oder anderen Teilen von Pflanzen und Tieren lässt sich rekonstruieren, wie lange die Insel von Gletschern bedeckt war, wann sich die Gletscher zurückzogen und wie die Abfolge der Besiedlung abgelaufen ist.
Dass die Ardley-See-Bohrkerne ungewöhnlich waren, konnten die Antarktis-Forscher schon riechen: Auch wenn viele Bohrkerne organische Materie enthalten, rochen diese Bohrproben schon besonders streng.
Die strenge Duftnote war Pinguin-Guano!
Die Erklärung: Die Pinguin-Kolonie liegt an dem kleinen Süßwasser-See auf der Insel. Viele Schichten von Pinguin-Guano (Poop) liegen auf dem Boden des Sees und haben unter Luftabschluss und in kaltem Wasser biologische Informationen der Pinguin-Historie perfekt erhalten.
Die Pinguin-Kot-Schichten in dem 3,5 Meter langen Bohrkern wechseln sich ab mit Lagen vulkanischer Asche. Kein Wunder – eine der Nachbarinseln, etwa 120 Kilometer südwestlich, ist Deception Island, die Caldera eines aktiven Vulkans. Einer der wenigen Orte in antarktischen Gewässern, in denen man im Freiland ein warmes Bad nehmen kann.
Ein erwachsener Esels-Pinguin produziert etwa 85 Gramm Guano am Tag. Den Kot spritzt er mit hohem Druck und großer Geschwindigkeit aus der Kloake. In diesem Video führt ein Zügelpinguin den Stuhlgang der Pinguine prägnant vor, kommentiert von Chris Packham:
In fast 7000 Jahren ist die Pinguin-Community fünfmal auf besonders große Zahlen angewachsen, dabei ist sie dreimal fast ausgelöscht worden – durch Vulkanausbrüche: „What causes des biggest declines in the penguins is he volcanic activity on nearby Deception Island.” erklärte Stephen Roberts im BBC-Interview. Darum nennt er das See-Sediment ein Pinguin-Pompeji: “Like a penguin pompeii, the Ardley lake sediments contain the bony traces of animals caught in the ash fall.“
Die Knochen und Krallen im Bohrkern stammen vor allem von jungen Vögeln, die vor dem Vulkanausbruch noch nicht weglaufen konnten. Sie sind in den pyroklastischen Strömen des Deception-Vulkans umgekommen, ihre harten Bestandteile wie Knochen und Krallen wurden in der vulkanischen Asche erhalten.
Nach jedem verheerenden Vulkanausbruch sind die Eselspinguine aber bald zurückgekommen. Die Dominanz dieser rotschnäbeligen Pinguin-Art ist auffallend. Die Populationen der Pinguine dem eselsartigen Geschrei nehmen im Bereich der Antarktischen Halbinsel insgesamt zu, wie Untersuchungen der letzten 30 Jahre zeigen. Die Antarktische Halbinsel ist weltweit eine der Regionen, die sich am schnellsten erwärmen. Kein Problem für Eselspinguine, allerdings für einige andere Arten. Das hängt direkt mit ihrer Ernährung zusammen: Eselspinguine jagen vor allem kleine Fische. Adélies (Pygoscelis adeliae) und Zügel-Pinguine (engl.: Chinstraps; Pygoscelis antarctica) fressen vor allem antarktischen Krill. Die kleinen Garnelen überwintern unter dem antarktischen Eis und pflanzen sich dort auch fort. Der Krill ist also abhängig vom Eis. Die Eselspinguine hingegen sind mit ihrer Fisch-Diät weniger abhängig vom Eis, erklärt Dr Claire Waluda, eine Meeres-Ökologin und Pinguin-Expertin des BAS gegenüber der BBC: “They are less ice-adapted than the adélies and the chinstraps. This is what we think, although we’re not absolutely sure”. […] “Gentoos eat more fish, whereas adélies and chinstraps like krill (shrimp) and the krill breed under the ice shelves, so if you have more ice you have more krill and more krill-dependent penguins.”
Die Esels-Pinguine sind also flexibler in ihrer Nahrungsauswahl und weniger wählerisch mit der Wahl ihres Nistplatzes. Sie bilden keine großen Brutkolonien, sondern siedeln sich auch in kleineren Gruppen schnell an. Und höhere Temperaturen machen ihnen wenig aus, im Gegensatz zu ihren Vettern, den Adélies: “An heißen Tagen kann man die Adélies hecheln sehen, die Eselspinguine jedoch niemals.” meint Dr. Waluda.
Die Datierung von Moosen im See-Bohrkern hat gezeigt, dass die Pinguine Ardley vor etwa 6.700 Jahren besiedelt haben, nach dem Abschmelzen der Gletscher. Die Pinguin-Population erreichte dann fünf große Peaks, die dreimal durch Vulkanausbrüche nahezu ausgelöscht wurden, vor 5500, 4300 und etwa 3000 Jahren. Nach solchen Massensterben hat es zwischen 400 und 800 Jahren gedauert, bis die Population sich davon wieder erholte. Heute leben etwa 5000 Eselspinguine auf Ardley.
Der Deception-Vulkan ist in den letzten 200 Jahren zwar 20 bis zu 30-mal ausgebrochen, allerdings reichte der Ascheregen kaum bis Ardley, sondern traf vor allem die Pinguine auf Deception Island selbst. Die Eruptionen, die die Ardley-Pinguine fast ausgelöscht haben, müssen wesentlich stärker gewesen sein. Die schwarz-weißen Vögel sind in den pyroklastischen Strömen und ihrem glutheißen Asche- und Lavaregen umgekommen – gerade so wie die Menschen in Pompeji im Jahr 79 v. Chr.
Kommentare (14)