Jetzt muss etwas geschehen – Geschwindigkeitsbegrenzungen, die Verlegung von Schiffsrouten, und andere Möglichkeiten zur Vermeidung von Kollisionen sind denkbar. Die Forderung nach Geschwindigkeitsbegrenzungen für bessere Überlebenschancen der Glattwale ist übrigens nicht neu, sondern wurde 2014 von Mark Schrope in seiner Nature-Publikation “Ship speed limits can save right whales” gut begründet. Außerdem sollte eine akustische Überwachung des Gebiets stattfinden, so dass die Schiffe alarmiert werden können, wenn sie in die Nähe eines Wals kommen. In der Umgebung von Boston klappt das schon ganz gut.
Zunächst hat die kanadische Fischereiaufsicht die Schneekrabben-Fischerei geschlossen. Rund 98 % der Quote sind ohnehin eingebracht, für die restlichen 2 % will man auf keinen Fall weitere Glattwal-Leben riskieren.

DFO hat jetzt einen ganzen Maßnahmen-Katalog initiiert, um kurzfristig weitere Waltode zu verhindern, die Ursachen zu ergründen und langfristige Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

“Work is already underway at DFO to help protect the North Atlantic Right whale population, including:

  • Closing Snow Crab Fishing Area 12 in the Southern Gulf of St. Lawrence (all fishing gear to be removed from the water)
  • Issuing a notice to the commercial fishing industry in the Gulf of St. Lawrence asking fishermen to watch for whales and to report any sightings;
  • Surveillance flights along the coasts of the Gulf of St. Lawrence to determine if there are any additional possible Right Whales carcasses;
  • Surveillance flights to confirm positions of live Right Whales continues in the Gulf;
  • Broadcasting notices on the marine radio system to request shipping and fishing industries be on alert for whales;
  • Addressing threats to marine mammals in Canadian waters and enhancing capacity to respond to marine mammal incidents through the Government of Canada’s $1.5 billion investment in the Oceans Protection Plan;
  • Issuing a notice requesting that mariners voluntarily reduce speed along the Laurentian channel in shipping lanes between the Magdalen Islands to the Gaspé peninsula until September 30, 2017;
  • Providing $56,000 to Dalhousie University to support the development of a real-time whale alert system for mariners, which can inform measures to help reduce whale and ship collisions in Canadian waters; and
  • Continuing to work with partners to necropsy dead whales to better understand what may have caused”.

Die Einbeziehung der Fischer und das Suchen nach Lösungen, die für Wale und Fischer vertretbar sind, halte ich dabei für einen ebenso wichtigen Aspekt wie die Forschung. Schließlich sind die Fischer und auch die Seeleute auf anderen Schiffen die Experten für alles, was auf dem Meer passiert. Und gerade für Fischer ist ein in den Netzen verhedderter Wal auch ein erheblicher finanzieller Einschnitt, schließlich ist das teure Netz danach unbrauchbar zerschnitten. Walschutz ist also nicht nur ein Anliegen einiger Umweltschützer und Forscher, sondern geht einen sehr großen Teil der Bevölkerung an, die einbezogen wird. Ein gutes Beispiel für modernen Umweltschutz.

Vorbild Kanada: Wale wichtiger als Fischerei

In Kanada ist es möglich, eine Wal-gefährdende Fischerei zu schließen.
Das wünsche ich mir für Deutschland auch.
Bei uns geht es nicht um spektakuläre Riesen, sondern um die kleinen Schweinswale. In der zentralen Ostsee ist der Bestand der einzigen deutschen Walart durch Stellnetzfischerei von Nebenerwerbsfischern bedroht.
Ich wünsche mir für Deutschland eine starke und handlungsfähige Umweltpolitik und Fischereiaufsicht. Politiker, die nicht vor den Lobbyisten mit ihren irrationalen Forderungen einknicken. Und Fischer, die endlich mal anfangen, nachzudenken. Ob man überfischte Bestände immer weiter befischen muss. Und ob es nötig ist, für etwas Nebenerwerbsfischerei die letzten Wale zu riskieren. Oder ob man nicht endlich mal im 21. Jahrhundert ankommen könnte, und nicht endlich mal verantwortungsvoll und nachhaltig handeln könnte, anstatt einfach einen Bestand nach dem anderen ´runterzufischen („fishing-down-the-food-web“).
Die Ostsee ist längst überfischt und ernährt ihre Fischer nicht mehr.
Vielleicht könnte es sogar mehr Geld einbringen, mit dem Fischerboot Touristen zu den Schweinswalen und Robben zu bringen und ihnen die Ostsee nahezubringen?
Es ist allerhöchste Zeit zum Handeln!

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Kommentare (18)

  1. #1 Herb
    2. August 2017

    Der einzige Trost an der traurigen Geschichte ist dass Kanada entschlossen handelt. Die EU Staaten verhandeln sicher so lange bis die Schweinswale in der Ostsee ausgestorben sind.

  2. #2 RPGNo1
    2. August 2017

    @Bettina
    Wikipedia sagt, dass es mal an die 100000 Atlantische Nordkaper gegeben haben soll. Der Bestand für 2010 wird mit etwa 500 Tieren beziffert. Was für Gemetzel hat es da über die Jahrhunderte gegeben.
    Ist der Atlantische Nordkaper damit der seltenste Großwal oder sind andere Arten noch stärker bedroht?

  3. #3 Bettina Wurche
    2. August 2017

    @RPGNo1: Die ursprüngliche Baseline zu schätzen, ist nicht einfach. Dabei werden z. B. die alten Fangjournale ausgewertet udn viele andere Quellen. Aber, ja, es war ein gigantisches Gemetzel.
    Das kann man nicht nach Art beurteilen, sondern nur nach Beständen. Ein Bestand ist die “Fortpflanzungs- und Lebensgemeinschaft” einer Untergruppe einer Art.
    Z. B.: Blauwal: North Atlantic: Pre-whaling: 1,300, Current ~500.
    Mehr dazu hier: https://www.fisheries.noaa.gov/pr/species/mammals/whales/blue-whale.html
    Die nordatlantischen Glattwale liegen mit dem nordatlantischen Blauwal gleichauf, die DFO nennt 525 als derzeitige Schätzung.
    Hier ist eine andere Quelle, die für 2010 490 Nordkaper nennt:
    https://iwc.int/estimate
    Wale kann man nicht zählen. Stattdessen werden die Sichtungen in einem spezifischen Gebiet gezählt, daraus werden dann nach bestimmten statistischen Parametern Schätzwerte für Bestände erstellt, das ist recht kompliziert und je nach Walart und Surveytyp unterschiedlich.

    Blauwale und Glattwale des Nord-Atlantiks dürften heute die seltensten Großwale sein.
    100.000 Glattwale im Nord-Atlantik erscheinen mir recht viel, ich habe die Zahl dort jetzt nicht gefunden.
    Grundsätzlich ist es so, dass diese Tiere einst auch an der europäischen Küste lebten. Der Biskaya-Bestand ist der erste ausgerottete Walbestand, durch die Basken, später auch die anderen Tiere des europäischen Bestands. Dann waren die Glattwale, weil sie so behäbgig sind und viel Öl und Barten ergeben, über Jahrhunderte hinweg die liebsten Wale zum Abschießen. Erst mit der Erfindung von Schiffsmotor und Harpunenkanone konnten die Walfänger die schnelleren Furchenwale erreichen.
    Der heutige Glattwalbestand ist ein trauriger Rest ihrer einstigen Verbreitung.

  4. #4 Bettina Wurche
    2. August 2017

    @Herb: Wir haben in Europa großartige Abkommen zum Walschutz und fordern gerade im eigenen Land davon nichts ein. Ich bin mittlerweile so wichtig wütend udn finde es einfach nur erbärmlich. Außerdem sind nur Deutschland und Polen betroffen, ein bilaterales Abkommen für den Phocoena-Bestand der zentralen Ostsee kann ja wohl nicht so schwierig sein. O. k., Polen ist an Umweltschutz zur Zeit null interessiert (s. Abholzung des Urwalds von Bialowiesza). Aber es feht schon in Deutschland an der politischen Entschlossenheit.

  5. #5 RPGNo1
    2. August 2017

    @Bettina
    Danke schön für die zusätzlichen Informtionen.

  6. #6 Gerhard
    3. August 2017

    Ich bin nur selten hier, leider.
    Ich kann es im Grunde nicht verstehen. Artenschwund ist ein allgegenwärtiges Thema, für viele Jahre schon.
    Thomas Grüter hat jüngst in seinem neuesten Artikel gesagt, daß die Menschheit erst reagiert, wenn eine echte Katastrophe da ist.

  7. #7 Bettina Wurche
    3. August 2017

    @Gerhard: Mir kommt es eher so vor, dass die meisten Menschen erst reagieren, wenn sie die Katastrophe, die ihnen schon auf die Füße gefallen ist, überhaupt gar nicht mehr ignorieren können. Ich beschäftige mich gerade intensiv mit Plastikmüll im Meer, diese Katastrophe ist längst überall angekommen.

  8. #8 Gerhard
    3. August 2017

    Plastikmüll im Meer:
    Da gibt es doch Untersuchungen des Meeresbodens unweit eines der Plastikozeane, der einen Grad an Vergiftung aufweist, der unvorstellbar ist. Jahrzehntelang ist dieses Zeug hinuntergerieselt und hat sich in seine problematischen Bestandteile chemisch aufgespalten.

  9. #9 Bettina Wurche
    3. August 2017

    @Gerhard: Es ist schon wesentlich schlimmer. Der Plastikmüll ist zwischen Arktis und Antarktis bis in die abyssalen Tiefen nahezu flächendeckend verbreitet. Plastik nimmt in Mageninhalten von Tieftauchern wie Pott- und Schnabelwale zu, wir haben die ersten daran verreckten Tiere.
    https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/muell-im-meer-wal-hatte-30-plastiktueten-im-magen-a-1132942.html
    https://www.nationalpark-wattenmeer.de/sh/misc/untersuchung-der-gestrandeten-pottwale-grosse-mengen-plastikmull-den-magen-gefunden
    Gleichzeitig nimmt Mikroplastik im Plankton zu.
    Außerdem ist die Belastung von Tieren mit Umweltgiften mittlerweile so hoch, dass manche Walgruppen aussterben werden – sie sind unfruchtbar geworden, u. a. auch durch Weichmacher
    https://scienceblogs.de/meertext/2016/01/07/farewell-lulu-orca-auf-den-hebriden-tot-gestrandet/
    https://www.bbc.com/news/science-environment-39738582

    Ich habe im Juni einen Vortrag zum Thema “Wale in einem Meer aus Müll” für ProWIN gemacht, mir ist bei der Recherche schlecht geworden.
    Dann habe ich jetzt gerade für Greenpeace zwei Beiträge geschrieben, auch zum Thema Plastikmüll im Meer. Wenn die online sind, werde ich es hier ankündigen. In Zukunft wird das Plastikthema auch auf meertext verstärkt erscheinen.

  10. #10 Gerhard
    4. August 2017

    Das ist um einiges heftiger als bisher von mir gewusst.
    140 Mio Tonnen Plastikmüll!
    Was ist das eigentlich für eine Zahl?!
    2007 setzte ein Künstler, Chris Jordan, visuell Abfallberge um:
    https://www.chrisjordan.com/gallery/rtn/#silent-spring

    Auf diese Weise hat man eine handliche Vorstellung, wie groß solche Zahlen wirklich sind.

  11. […] Bei Meertext gibt es schlechte Nachrichten zu lesen: Vor Kanada sind einige tote Nordatlantische Glattwale gefunden worden. Grund ware wohl Schiffskollisionen und Fischereinetze. Man will jetzt appellieren, dass Schiffe langsamer fahren und den Fang nach einer Krabbenart frühzeitig beenden. […]

  12. #12 Bettina Wurche
    4. August 2017

    @Gerhard: Mit Zahlen bin ich da sehr vorsichtig. Letztendlich haben wir Stichproben und Schätzungen, die Plastik-Belastung ist regional und saisonal unterschiedlich. Mikroplastik lässt sich überhaupt nur sehr aufwändig und nicht flächendeckend nachweisen. Sicher ist: Es ist unglaublich viel Plastik.

  13. #13 tomtoo
    4. August 2017

    @Bettina
    Wollte ja eigentlich die ganze Zeit was zu deinem Artikel schreiben. Aber macht gerade keinen Sinn bei mir. Bin so pessimistisch bzgl. des Schicksals der Großtiere im allgemeinen. Bzgl. des Plastiks in den Meeren freue ich mich auf deine Artikel und irgentwie doch nicht. Ziemlich Schizo gelle ?

  14. #14 Bettina Wurche
    4. August 2017

    @tomtoo: Nö, überhaupt nicht. Angesichts des Plastik-Themas bin ich auch im Frust versunken. Musste mich wochenlang zusammenreißen, um doofe Leute im Supermarkt nicht zu fargen, ob sie Bananen wirklich noch in Plastik verpacken müssen und doofe Tussis wirklich ihren Wegwerfbecher mit Plastikdeckel udn Plastikhalm nuckeln müssen. Das Problem ist einfach gigantisch. Ich tanke dann bei den Astrothemen etwas Antifrust und mache dann beim Meeresschutz weiter.

  15. #15 tomtoo
    4. August 2017

    @Bettina
    Ich glaub das mit dem Plastik ist sehr heftig.
    Es zersetzt sich , wird aufgenommen aber die Organismen haben kein Zeit sich daran anzupassen. Geht alles zu schnell. Die Natur könnte sich anpassen, aber nicht in so kurzer Zeit. Wenn das Meer als Abfallhalde betrachtet wird (aus dem Auge, aus dem Sinn, und billig entsorgt ) wirds sehr eng für uns. Bei den Großtieren hab ich eh kaum noch Hoffnung. Selbst wenn es Jagdverbote gibt. Immer mehr Schiffsverkehr, Verschmutzung, und eh schon geringe Bestände. Aber wie gesagt , bin besser still.

  16. #16 Wizzy
    7. August 2017

    Ich denke, wilde Natur wird es irgendwann nicht mehr geben. Spätestens wenn wir unsere “Landwirtschaft” (Algenfarmen zur Treibstoffherstellung für die Energiewirtschaft) wortwörtlich auf ganze Flächen der Weltmeere anwenden.

    Es gibt heute eine Minderheit an Futurologen, die die Grenzen des nachhaltigen Limits für die menschliche Bevölkerung auf 1 Billion Individuen (plus / minus 2 Größenordnungen) einschätzen, gegenüber der Mehrheit die diese Grenze jetzt schon überschritten wähnt. Ich persönlich denke, diese Minderheit hat Recht.
    Es wird dann keine Natur mehr geben, die ganze Welt eine aus heutiger Sicht trostlose Farm, und natürliche Artenvielfalt höchstens in kleinen Reservaten. Eine solche Entwicklung ist aus meiner Sicht der konsequente Endpunkt unseres bisherigen Handelns als Menschheit.

  17. #17 Bettina Wurche
    7. August 2017

    @tomtoo, @Wizzy: In Europa haben wir diese Entwicklung sehr klar vor Augen. Urwälder in dem Sinne gibt es kaum noch. Die letzten verbliebenen in Polen werden gerade weiter abgeholzt.
    https://www.deutschlandfunk.de/polen-abholzung-im-letzten-urwald-europas.1773.de.html?dram:article_id=389480
    Überhaupt scheint im neuen nationalistischen, antiglobalen, antidemokratischen Bewußtsein der Stolz auf das eigene Land dazu zu führen, dass genau dagegen ein regelrechter Krieg geführt wird. Anstatt das eigene Land mit seinen natürlichen lebenden und unbelebten Ressourcen als kostbares Erbe zu begreifen, findet ein beispielloser Ausverkauf mit flächendeckender Vernichtung dieser Ressourcen statt. So passiert es gerade in den USA, Polen und an anderen Stellen. Nur In Russland scheint es anders zu laufen: Putin hat den Tigerschutz zu seinem persönlichen Anliegen gemacht, diese Entwicklung tut den Sibirischen Tigern gut.
    In Deutschland haben wir schon längst keine Urwälder mehr, das Land ist seit Jahrtausendne beackert, genauso wie Nord- und Ostsee.
    So manche düstere futurologische Sichtweise des dytopischen Cyberpunk und anderer Science und Fiction-Szenarier scheint mittlerweile alltäglich oder in naher Zukunft wahrscheinlich : (

  18. #18 Wizzy
    7. August 2017

    …was auf der anderen Seite nicht heißt, dass ich die Bemühungen heutiger Umwelt- und Tierschützer nicht schätzen würde. Luther: Morgen Weltuntergang –> Heute Apfelbäumchen pflanzen. Und es gilt zum Glück eine (eingeschränkte) Schwierigkeit der Prognosen die die Zukunft betreffen.