Flohkrebse in extremen Lebensräumen
Viele Flohkrebs-Arten haben extreme Ökosysteme wie die Tiefsee oder die antarktischen Gewässer erobert, wo Nahrung knapp ist und sie regelmäßig Hungerperioden überleben müssen. Für solche extremen Herausforderungen sind sie bestens ausgerüstet. Flohkrebse sind gute Schwimmer und können sich mit den Spitzen der Füßchen sicher auf der Beute verankern. Ihre Sinnesorgane leiten sie zur nächsten Beute. Neben den sehr guten Chemorezeptoren haben sie auch noch Sensoren für mechanische Reize: Feinste Sinnesborsten an den Beinchen nehmen Wasserströmungen wahr und geben dem Krebs außerdem Informationen über die Position seiner Beine. Weiterhin haben die Mini-Meeresbewohner leistungsstarke Facettenaugen, nur die Tiefseebewohner sind sehschwach.
Die meisten Amphipoden werden höchstens wenige Zentimeter groß. In extremen Ökosystemen gibt es allerdings auch extrem große Arten – in der Tiefsee lebt die bis zu 30 Zentimeter große Alicella gigantea.
Dieses Video der Universität Aberdeen zeigt Alicella gigantea:
Und dann haben die Flohkrebse noch eine besondere Stärke: „Sie sind die Kängurus unter den Krebsen“ erzählt Oliver Coleman. Die Mütter legen wenige, dafür besonders große und dotterreiche Eier. Ihren Nachwuchs tragen sie in einem Brutbeutel, dem Marsupium, mit sich umher. So hat der vielbeinige Nachwuchs einen großen Vorrat an stärkender Babynahrung, kann trotz der schlechten Umweltbedingungen schnell wachsen und wird durch die Mutter behütet. Die Weibchen sind durch ihre gefüllten Brutbeutel fette Beute für andere Tiere, darum schwimmen sie oft nicht zu Kadavern, sondern begnügen sich mit den kleinen organischen Abfällen des Detritus.
Für den sommerlichen Badeurlaub gibt Oliver Coleman Entwarnung: Natürlich leben auch in europäischen Gewässern wie der Nordsee und dem Mittelmeer Flohkrebse. „Als Aasfresser haben sie eine wichtige ökologische Aufgabe“ erklärt der Meeresbiologe. „Allerdings verschmähen sie auch lebende Tiere nicht – vor allem in Netzen oder Käfigen gefangene Fische, die nicht fliehen können. In der Antarktis traf ich einen japanischen Kollegen, der für physiologische Experimente einige Eisfische lebend fangen wollte. Als er das Netz aus dem Wasser zog, waren darin nur noch die Mittelgräten der Fische zu sehen und wimmelnde Heerscharen von kleinen gelblichen Amphipoden. An einigen Stellen war noch sichtbar, dass die Krebse sich mit Fraßgängen in die lebenden Fische hineingebohrt hatten – Piranha-Amphipod! kommentierte der Kollege. Aber ich habe noch nie von einem Fall gehört, in dem sie einen Menschen gebissen haben. Mir selbst ist es auch noch nie passiert.“
Für Strandurlauber besteht also keine Gefahr. Allerdings sollte man nicht gerade auf einer Tierleiche stehen bleiben.
Dieser Beitrag erscheint in leicht redigierter Fassung auch auf Spektrum.
PS: Zunächst hatte ich versucht, von australischen Biologen noch ein Statement zu bekommen, das hat leider nicht geklappt. Vielleicht hätte es auch nicht noch wesentliche neue Informationen zu diesem speziellen Badeunfall mehr gebracht. Stattdessen habe ich mich entschlossen, noch einmal mehr Background zu bekommen. Es ist nicht ganz einfach, einen Experten für Flohkrebse zu finden, der auch noch ein paar gute Stories erzählen kann. Zufälligerweise kenne ich so jemanden – Dr. Oliver Coleman. Wir haben uns in der Antarktis kennengelernt, auf RV “Polarstern”. Mehrfach habe ich wunderbare Vorträge des passionierten Meeresbiologen und Tauchers gehört, der seine kleinen Lieblingstiere als “Juwelen des Meeres” bezeichnet. Das Interview war ein herrlicher Klönschnack und hat mir viel Freude bereitet und es hat sich gelohnt – allein schon wegen der “Piranha-Amphipoden”.
Auch an dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön an Olli!
Kommentare (13)