Alle Jahre wieder, erlangt zu Weihnachten ein Meereswurm ungeheure Popularität: Weihnachtsbaumwurm (vom englischen „Christmas Tree Worm“).
Spiralig aufgedrehte fiedrige Strukturen sind scheinbar auf den Meeresgrund gepflanzt. Die fiedrige Krone ist an der Basis breit und läuft dann nach oben spitz zu – wie ein perfekter Weihnachtsbaum. Gelb-orange-rot-blau wiegen sie sich sanft in den Wasserbewegungen. Ein Tier ist dahinter nicht zu erkennen.
Form und Farbe wirken extravagant – sie sind so auffällig, dass sie zum Gefressenwerden einladen. Bei der Annäherung passiert es dann – auf einmal sind sie weg! Blitzartig ziehen sich die bunten Püschel zurück.
Bei genauerem Hinschauen ist dann die Kalkröhre des Tieres zu erkennen: Die bunte Tentakelkrone gehört einem Kalkröhrenwurm. Diese Kalkröhren sind meist in Steinkorallen gebaut, der Wurm braucht nämlich einen festen Untergrund, um seine Behausung zu bauen.
Der Weihnachtsbaumwurm oder Bunte Spiralröhrenwurm (Spirobranchus giganteus) ist ein sessiler Borstenwurm (Polychaet), also fest sitzend. Die erwachsenen Tiere lassen sich nieder, bauen ihre Wohnröhre und ziehen dann als Erwachsene nicht noch einmal um. Aus der geschützten Röhre streckt das Tier seine Tentakelkrone in die Strömung und filtriert damit Plankton aus dem Wasser. Die gefiederten Strukturen sind mit Schleim bedeckt, in dem Nahrungspartikel stecken bleiben und mit Cilien besetzt, winzigen Dornen, die beim Festhalten und Weiterleiten der Beute helfen. Durch winzige Bewegungen gelangen die Nahrungspartikel dann wie auf einem Förderband zur Mundöffnung des Wurms.
Die Krone besteht aus jeweils zwei spiralig gewunden Fortsätzen und dient gleichzeitig der Atmung.
Die Sinnesorgane sind an die sitzende Lebensweise perfekt angepasst: Extrem empfindliche Strömungsmesser an den Tentakeln messen feinste Wasserbewegungen, die die Annäherung eines anderen Tieres ankündigen. Registrieren diese eine Bewegung im Wasser, zieht der Röhrenwurm die gefiederte bunte Krone in Sekundenbruchteilen in den Wurmbunker zurück, den er sogar noch mit einem kalkigen Deckel verschließt. Röhrenwürmer haben als Erwachsene zwar keine Augen mehr, aber noch lichtempfindliche Organe – auch ein Schattenwurf könnte die Annäherung eines potentiellen Fressfeindes ankündigen.
Einzelne Spirobranchus-Exemplare können bis zu 40 Jahre alt werden! Eine Methode zur direkten Altersbestimmung von Ringelwürmern ist bisher nicht bekannt, so haben Eijiroh Nishi und Moritaka Nishihira die Korallen zur Hilfe genommen. Korallen zeigen Wachstumsschichten, dunkle und helle Bänder wechseln sich wie die Jahresringe von Bäumen auch in den Kalkskeletten der Meerestiere ab. Nishi und Nishiwara haban also 11 Exemplare von S. giganteus aus 10 Polypenkolonien gesammelt und von den Korallenskeletten Dünnschnitte angefertigt. Dann haben sie die Altersschichten der Korallen im Röntgenbild sichtbar gemacht. So sind sie zu einer Schätzung des Wurmalters gekommen. (Nishi, Eijiroh; Nishihira, Moritaka (1996): “Age-estimation of the Christmas Tree Worm Spirobranchus giganteus (Polychaeta, Serpulidae) Living Buried in the Coral Skeleton from the Coral-growth Band of the Host Coral”).
Stephanie E. Petitjean und Amy E. Myers kamen bei ihren Untersuchungen auf „nur“ 26 Jahre Lebensalter der Kalkröhrenwürmer („Age, Characterization, and Distribution of Spirobranchus giganteus on Paraiso Reef“).
Familie Röhrenwurm – Mama, Papa, Trochophora
Ungewöhnlich für sessile Organismen ist, dass es weibliche und männliche Röhrenwürmer gibt und nicht etwa Hermaphroditen. Zur Paarung geben beide Geschlechter synchron ihre Fortpflanzungsprodukte ins Meer ab – diese Synchronität ist durch Licht gesteuert.
Aus einer befruchteten Eizelle wird dann innerhalb eines einzigen Tages eine frei schwebende Larve, die im Plankton von den Meeresströmungen verdriftet wird – eine Trochophora. Die Trochophora ist die typische Larve von Ringel- und Igelwürmern (Echiurida): die Halbkugel ist das Vorderende mit Licht- und anderen Sinnesorganen, es ist durch einen Wimpernkranz vom Hinterende getrennt. Der Wimpernkranz dient der Fortbewegung. Das Hinterende streckt sich im Laufe der Larvalentwicklung mit zunehmender Segmentierung, das Wurmbaby ähnelt dann immer mehr einem Wurm. Der junge Wurm lässt sich schließlich auf einem festen Substrat nieder – wie er seinen Wohnort auswählt, ist noch nicht bekannt.
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