Die Wissenschaftler fanden klare Hinweise auf eine laufende natürliche Auslese. Es war erkennbar, dass zwei extremere Formen (Ökotypen) der Rundnasen-Grenadierfische bevorzugt auftraten, auf Kosten der intermediären Form. Das ist eine disruptive Selektion. Bei der disruptiven (=aufspaltenden) Selektion werden Extreme verstärkt – „durch bspw. Parasiten, Krankheitserreger und Fressfeinde spaltet sich ein Merkmalsmaximum auf. Randbereiche der Verteilung treten als neue Maxima hervor.“

Sowie klare Unterschiede wie Körpergröße oder –form, Färbung, Verhaltensweisen, Kommunikation oder anderes innerhalb einer Art oder eines Bestandes auftreten, kann es dazu kommen, das sich Individuen des gleichen Typus bevorzugt paaren. Das kann ein besonders prachtvoller Farbfleck sein, eine auffallende Färbung oder ein akustisches Signal wie ein Balzruf. So kommt es zu einer Bevorzugung bestimmter Merkmale bei der Paarung, was dann relative schnell innerhalb einiger Generationen zu einer Aufspaltung in unterschiedliche Typen führen kann.

Im vorliegenden Fall gab es keinen klaren Hinweis auf die bevorzugte Paarung innerhalb eines Typus. Fest steht: Junge Rundnasen-Grenadierfische leben und schwimmen gemeinsam in einer Tiefe um annähernd 1000 Meter. Erst mit dem Eintritt der Geschlechtsreife ziehen sie dann in die bevorzugte Meeresetage um, die ihrem Genom entspricht.
Ein klarer Fall, wie sich innerhalb eines einzigen Fischbestands zwei Gruppen von „Experten“ herausbilden können, die im gleichen Meeresgebiet einfach in unterschiedlichen Tiefen leben. Solche unterschiedlichen Anpassungen innerhalb eines Bestands können bei plötzlichen ökologischen Veränderungen – wie sie etwa der Klimawandel mit sich bringt – von erheblichem Vorteil sein, in Ausnahmefällen sogar das Überleben einer Population sichern.
In diesem Fall kann die Differenzierung in die beiden Ökotypen etwa durch das bessere Nahrungsangebot im Mesopelagial, das aber gleichzeitig auch einen höheren Feinddruck und ein wechselhafteres Ökosystem bedeutet und ein stabileres tieferes Ökosystem im Bathypelagial, das allerdings auch weniger Nahrung bedeutet, erklärt werden.

Besonders wichtig finde ich Rus Hoelzels Schlussfolgerung zum Meer als komplexem Lebensraum: “The oceans represent vast expanses across which there are few obvious barriers to movement. As in the environment above the sea, we tend to think about movement in a horizontal dimension, across the breadth of the oceans, but at sea there are perhaps even greater habitat boundaries and gradients as species move vertically with depth. Our research shows that these fish have adapted to life at different depths, and that they segregate by depth as they mature, based on their genetic makeup.”

Das Meer ist eben nicht einfach eine Wassermasse, sondern bietet im für uns scheinbar gleichförmigen Wasserkörper eine Vielzahl von verschiedenen Ökosystemen an. Die Grenzen zwischen diesen verschiedenen Lebensräumen sind für Menschen oft unsichtbar, sie können durch Strömungen, Licht, Temperatur, Salzgehalt oder anderes induziert werden. Bei der Bewirtschaftung mariner Ressourcen sollte man diese Diversität von Ökosystemen immer im Hinterkopf haben, denn sie ist eine Dimension der Biodiversität. Die biologische Vielfalt besteht aus der Vielzahl der Arten, der Genome und der Lebensräume. Nur wenn wir alle drei Komponenten berücksichtigen, können wir die Biodiversität verstehen und erhalten. Wie bereits gesagt: Gerade im Zuge der schnellen Veränderungen im Zuge des Klimawandels ist diese Diversität für viele Arten eine Überlebensversicherung.

Reference:
Michelle R. Gaither, Georgios A. Gkafas, Menno de Jong, Fatih Sarigol, Francis Neat, Thomas Regnier, Daniel Moore, Darren R. Grӧcke, Neil Hall, Xuan Liu, John Kenny, Anita Lucaci, Margaret Hughes, Sam Haldenby, A. Rus Hoelzel. Genomics of habitat choice and adaptive evolution in a deep-sea fish. Nature Ecology & Evolution, 2018; DOI: 10.1038/s41559-018-0482-x

https://natureecoevocommunity.nature.com/posts/30893-adapting-to-habitat-depth-in-the-deep-sea

Deep-sea fish choose habitat according to genotype, new research says

Grenadierfisch als Speisefisch
Diesen Fisch habe ich bewußt noch nie probiert. Fast alle Dorschartigen fand ich mit ihrem festen Fleisch bisher aber sehr lecker – bis auf Schellfisch, der auch “Stinkefisch” genannt wird, wegen seiner unnachahmlichen Schmodder-Note. Beim Grenadierfisch ist allerdings anzuraten, das Tier zu filetieren. Zart besaitete Gäste könnten sonst möglicherweise schreiend vom Tisch aufspringen. Rezepte für die Verarbeitung der Filets sind im Internet genug zu finden.
Im Japanischen werden Grenadierfische Hoki genannt – dort sind natürlich pazifische Grenadier-Arten gemeint – und geben u. a. eine gute Sushi-Zutat ab.
Das Alter von Grenadierfischen wird, je nach Quelle, mit 25 bis maximal 54 Jahre angegeben. Fische, die ein so hohes Alter erreichen können, sind kaum nachhaltig zu bewirtschaften, so gelten auch die Rundnasen-Grenadierfische als überfischt.

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Kommentare (15)

  1. #1 Cornelia S. Gliem
    11. März 2018

    Interessant. Ja die 3. Dimension – vergessen wir erdbewohner gern. Bitte – wieso würden zartbesaitete vom Tisch aufspringen ohne filetieren 🙂 ?
    Und wenn er als überfischt gilt – wieso ihn essen?

  2. #2 Bettina Wurche
    11. März 2018

    @Cornelia S. Gliem: Ich würde ihn genauso wenig essen wollen, wie Schwarzen Seehecht oder Thunfisch und wollte mit der INfo auch keine Empfehlung zum Verzehr abgeben. Und der ganze Fisch, mit den Riesenaugen, dem Rattenschwanz, den ausgefranster Flossensäumen, … könnte für manche Personen schon etwas gruselig aussehen. Hier ist ein Bild des ganzen Tieres: https://www.simfisch.de/fischlexikon-grenadierfisch/

  3. #3 RPGNo1
    11. März 2018

    Die 3-Dimensionalität eines Ökosystems. Es ist gut, daran erinnert zu werden, denn diese Information wird zu leicht vergessen, wie @Cornelia korrekt anmerkt.
    Mir fallen da spontan 2 weitere Beispiele ein.
    a) Der Erdboden, wo in den obersten Zentimetern ganz andere Lebewesen aufgefunden werden können als vielleicht in 1 m Tiefe.
    b) Das Etagenprinzip eines Dschungels bzw tropischen Regenwalds.

  4. #4 Bettina Wurche
    11. März 2018

    @RPGNo1: JEDES Ökosystem ist dreidimensional. Auch der Buchenwald hinterm Haus, die Wiese, ja sogar das Moos. Das Sandlückensystem an Bach und Strand, der Luftraum, … absolut alles. Und genau das wird viel zu oft vergessen.

  5. #5 rolak
    11. März 2018

    dreidimensional .. zu oft vergessen

    Wie auch der <1m-Abstand zwischen Kopf- und Filzläusen. Oder die paar μm zwischen einem Kolibakterium diesseits und jenseits der DarmwandMembran.

    btw: Aufgrund einer transdimensionalen Verwerfung ist vom Grenadierfisch oben nur die äußerste Spitze seines gar nicht mal so kümmerlichen Schwanzes zu sehen (FF/W7).

  6. #6 Bettina Wurche
    11. März 2018

    @rolak: Ist die Abbildung jetzt ganz zu sehen? Bei mir erschien sie vollständig, mir ist kein Formatierungsfehler aufgefallen.

  7. #7 rolak
    11. März 2018

    superduper – ein Grenadier glotzt mich konsterniert-fragend an.

    mir ist

    Es erwartet mit Sicherheit auch niemand, daß Du sämtliche Varianten sämtlicher möglicher Betrachtungsweisen auf Fehlerträchtigkeit abklopfst, Bettina. Falls sich jetzt hier nix getan hätte, wäre eine Inspektion sämtlicher beteiligter addons drangewesen. Insofern schönen Dank für die befreite Zeit!

  8. #8 tomtoo
    11. März 2018

    @bettina
    “””Und der ganze Fisch, mit den Riesenaugen, dem Rattenschwanz, den ausgefranster Flossensäumen, … könnte für manche Personen schon etwas gruselig aussehen”””
    Also ich finde die klasse. Aber wenn schon dann bitte einen der am Popo leuchtet, und auf dem Teller mit seiner Schwimmmblase ‘Spiel mir das Lied vom Tod’ summt. Wär doch was für’s Restaurant am Ende…… ; ))

  9. #10 rolak
    11. März 2018

    für’s Restaurant am Ende

    Ok, tomtoo, jeder nach seiner Fasson und von mir aus, doch für mich wäre es vor allem das Restaurant jenseits des guten Geschmacks.

  10. #11 tomtoo
    11. März 2018

    @rolak
    Aber..Aber..speziel der Anus zusammen mit dem Leuchtorgan genossen, wird dort als sehr schmackhaft angepriesen. ; )
    Und bezgl. der Musik wird gemunkelt einige spezielle Züchtungen können auch Meat Loaf,bat out of hell summen, gourmets behaupten aber das würde nicht so gut mit dem feinen Fischaroma harmonieren.*schulterzuck*

  11. #12 Erik
    4. Februar 2020

    Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht 🙂
    Probieren würde ich diesen Fisch schon gerne mal. Allerdings, wenn das Filet nicht so zart ist, wie bei den anderen Dorschfischen, dann weiß ich nicht, ob ich das wirklich mögen würde, Probieren kann man ja mal.
    Erik von Angel Trolley

  12. #13 Bettina Wurche
    4. Februar 2020

    @Erik: Dann berichte uns doch mal, wenn Du probiert hast. Ich habe keine Beschreibung des Geschmacks gefunden und ihn selbst nie verkostet, da wäre ich neugierig. Er ist unter dem Handelsnamen Hoki erhältlich.

  13. #14 Peter
    16. September 2022

    Ich finde Plattfische auch etwas gruslige schau dir mal das Bild auf dieser Seite an: https://www.fischerwissen.de/plattfisch-angeln/

  14. #15 Bettina Wurche
    18. September 2022

    Sorry fürs späte Freischalten! Ja, Plattfische sehen ganz schön irritierend aus. Ich finde die schiefe Schnute und den scheelen Blick ja irgendwie knuffig.