Astrobiologie interessiert mich sehr. Bei seriösen Publikationen und Diskussionen zu diesem Thema bleibt es meist bei Gedankenspielen um sehr einfaches Leben, eher im mikrobiellen und einzelligen Bereich. Denn, so die derzeitige herrschende Meinung, wahrscheinlich gibt es auch an anderen Orten des Universums Lebensformen, aber höchst wahrscheinlich haben die sich nicht durch eine Verkettung glücklicher, stabiler Umstände wie wir auf der Erde über eine nage Zeit hinweg entwickeln können und sind darum wohl eher basal. Etwas enttäuschend für mich, als Zoologin bin ich ja eher an mehrzelligen komplexeren Lebensformen interessiert. „The Cosmic Zoo“ von Dirk Schulze-Makuch und William Bains macht an genau der Stelle weiter, wo Astrobiologie-Bücher normalerweise aufhören: Bei komplexeren Lebensformen!
Dass sich Leben auch auf anderen Himmelskörpern entwickelt haben wird, bezweifelt zurzeit kaum ein ernst zunehmender Wissenschaftler. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung gebietet das. Allerdings gehen die Meinungen, wie häufig die Entstehung von Leben vorkommen könnte, weit auseinander. Die meisten Wissenschaftler gehen weiterhin davon aus, dass Leben zwar durchaus auch denkbar sei, eine lange Entwicklung komplexer Organismen über intelligente Formen bis hin zu einer technischen Intelligenz mit zunehmender Komplexität immer unwahrscheinlicher ist. Wenn sie nicht sogar der „Rare earth“-Hypothese anhängen und davon ausgehen, dass trotz aller Voraussetzung dafür die Entwicklung von Leben selbst auf einem theoretisch geeigneten Himmelskörper sehr selten ist.
Theoretische Vorüberlegungen zur Bewertung von evolutiven Schritten
Dirk Schulze-Makuch & William Bains spielen mit dem Gedanken, dass die Evolution komplexer Lebensformen wie auf der Erde vielleicht doch nicht die absolute Ausnahme im Weltall sein könnte. Der weit verbreiteten „Rare Earth“-Hypothese stellen sie die „Cosmic Zoo“-Hypothese entgegen: “The Cosmic Zoo: The (Near) Inevitability of the Evolution of Complex, Macroscopic Life” (Life 2016, 6(3), 25; doi:10.3390/life6030025 ).
Der Abstract der Publikation lautet: “Life on Earth provides a unique biological record from single-cell microbes to technologically intelligent life forms. Our evolution is marked by several major steps or innovations along a path of increasing complexity from microbes to space-faring humans. Here we identify various major key innovations, and use an analytical toolset consisting of a set of models to analyse how likely each key innovation is to occur. Our conclusion is that once the origin of life is accomplished, most of the key innovations can occur rather readily. The conclusion for other worlds is that if the origin of life can occur rather easily, we should live in a cosmic zoo, as the innovations necessary to lead to complex life will occur with high probability given sufficient time and habitat. On the other hand, if the origin of life is rare, then we might live in a rather empty universe.”
Diese Grundannahme, dass wir auf unserem blauen Planeten vielleicht doch in einem kosmischen Zoo inmitten einer ganzen Vielzahl anderer Lebensformen, ja vieleicht sogar Intelligenzen und Kulturen leben könnten, ist die Basis ihrers Buches “The Cosmic Zoo”.
Schulze-Makuch, Dirk, Bains, William: “The Cosmic Zoo – Complex Life on Many Worlds”.
Es ist ein für interessierte Laien verständlich geschriebenes Lehrbuch, das ich hier vorstellen möchte.
Die Einschätzung, wie wahrscheinlich die Entwicklung von Leben ist, differiert je nach methodischem Ansatz und Grundannahmen beträchtlich. Genauso wie die Einschätzung, ob und wie dann weitere evolutive Schritte geschehen könnten. Schulze-Makuch und Bains betrachten die Evolution von Leben am Beispiel des irdischen Lebens. Das Augenmerk liegt dabei auf besonders wichtigen biologischen Innovationen, also evolutiven Schritten, die die Entwicklung maßgeblich beeinflusst haben. Solche Schlüssel-Innovationen haben dann jeweils den Übergang zu einer weiteren Stufe der Komplexität geebnet.
Zur Gewichtung und Klassifikation dieser Innovationen stellen sie einen Werkzeugkoffer voller wissenschaftlicher Werkzeuge (Tool-set) vor. Darin: Drei verschiedene theoretische Ansätze vor: Das „Critcal Path Model“, das „Random Walk Model“ und das „Many Paths Model“ (S. 9).
Dabei geht es um die grundlegende Philosophie hinter der Beurteilung von Fakten: Ist jeder evolutive Schritt ein Ereignis für sich, oder ist es wahrscheinlicher, dass verschiedene evolutive Schritte aufeinander folgen können oder müssen, wenn die Vorbedingungen dafür geschaffen sind?
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