Mein persönlicher Erklärungsansatz-Favorit ist das „Many Paths Model“:
Jeder Übergang und jede Entwicklung brauchen viele Zufälle, um zu einer vollständig neuen Funktion zu kommen. Allerdings können viele Kombinationen davon einen adäquaten funktionalen Output ergeben, auch wenn die genetischen oder anatomischen Details nicht identisch sind. Wenn Leben erst einmal vorhanden ist, werden sich innerhalb einer gewissen Zeitspanne gewisse Veränderungen einstellen, auch wenn der genaue Zeitraum nicht bekannt ist. Angesichts einer ganzen Menge von Kombinationsmöglichkeiten für die Weiterentwicklung ist nicht sicher, welche sich entwickeln wird, aber irgendeine wird es schon sein. Das ist eine Frage der Wahrscheinlichkeit.
Schlüsselereignisse der Evolution
Sie stellen, ausgehend von den Grundlagen zur Bildung von Lebensformen und der Habitabilität, die wesentlichen Schlüsselereignisse vor, die auf der Erde letztendlich zu unserer derzeitigen menschlichen technischen Zivilisation geführt haben. Wesentliche Entwicklungen der Multizellularität, der Energiegewinnung aus unterschiedlichen Quellen wie Licht oder Sauerstoff, die Entwicklung von Sexualität und Intelligenz, um nur einige zu nennen, haben sich auf der Erde in unterschiedlichen Organismengruppen unabhängig voneinander mehrfach entwickelt. In der Masse der irdischen Lebensformen ist in mehreren unterschiedlichen Gruppen ein Trend zu zunehmender Komplexität zu beobachten. Die einzigen Entwicklungen, für die sich dieser Nachweis auf der Erde nicht führen lässt, sind die grundlegende Entstehung von Leben und die Entwicklung einer technischen Intelligenz, so Schulze-Makuch & Bains.
Die Sicht der Autoren auf die Evolution erinnert mich an vieles, was ich im Studium über Evolution gelernt habe: Eine Menge von unterschiedlichen Lebensformen entwickelt sich recht unterschiedlich und teilweise parallel – so evoluieren auf der Erde Mikroben-Communities Seite an Seite mit vielzelligen hochkomplexen Formen wie Säugetieren. Außerdem verläuft Evolution in vielen kleinen Schritten. Irgendwann ist dann ein evolutives Plateau erreicht, von dem aus der nächste Schritt zu einer bedeutenden Innovation nicht mehr weit ist. Ein Beispiel dafür ist in der Säugetier-Evolution die Entwicklung des sekundären Kiefergelenks gewesen. „Aus einer Vorlesung bei meinem grandiosen Professor für Evolutionsbiologie, Otto Kraus, erinnere ich mich noch, dass das sekundäre Kiefergelenk unabhängig voneinander in verschiedenen Säugetiergruppen gleichzeitig entstand, also mehrfach, „entwickelt“ wurde. Er bezeichnete dies als evolutives Plateau – viele Säugetiergruppen hatten einen ähnlichen Stand erreicht und nahmen den nächsten Schritt in ähnlicher Weise zu einem ähnlichen Zeitpunkt.“ (Mehr zur Entwicklung des sekundären Kiefergelenks der Säuger gibt es in den Meertext-Beiträgen „Kiemenbogen, Kiefer und Ohr – ein Knorpel macht Karriere Teil 1 und 2.“)
Diese Beobachtung, dass manchmal die Zeit reif ist, um, die nächste evolutive Hürde zu nehmen, deckt sich mit allem, was ich über Biologie und Paläontologie weiß. Veränderungen entstehen niemals isoliert, sondern in einem vielfältigen Beziehungsgeflecht. Kein Organismus evoluiert einsam und allein vor sich hin, sondern ist immer eingebunden in das Diktat des Funktionieren-Müssens, des Überlebens- und Reproduktions-Wettbewerbs sowie in sein ökologisches Netz und die physikalischen Gegebenheiten.
Dass die Evolution ein regelrechter Wettbewerb ist und die Dynamik lebender Systeme plakativ abbildet, ist auch in van Valens Hypothese der Roten Königin enthalten.
Auch die Entwicklung verschiedener Lösungen für die gleiche oder ähnliche Herausforderung ist typisch für die irdischen Lebensformen: Es ist die biologische Analogie. Die bestbekannten Beispiele dafür sind Flossenstrukturen bei Meerestieren oder Flügel bei fliegenden Organismen – davon gibt es zahlreiche Beispiel aus unterschiedlichen Tierstämmen der Wirbellosen und Wirbeltiere.
Menschen, Menschenaffen, Krähen, Kraken…und Dinosaurier
Neben den Menschen zeigen bei den Säugetieren außer engen Hominiden-Verwandten wie den Menschenaffen auch andere, weiter entfernte Gruppen wie die Wale eine besonders starke Entwicklung des Gehirns und den Schritt zu dem, was wir „Intelligenz“ nennen (ohne diesen Begriff bis heute exakt definieren zu können). Innerhalb der Wirbeltiere ist es außerdem auch noch bei einigen Vogelgruppen zu ähnlichen Entwicklungen komplexer Intelligenz gekommen, nämlich bei den Papageien und Krähen. Die einzige Gruppe der Wirbellosen, die ebenfalls eine hohe Intelligenz entwickelt hat, sind die Kopffüßer.
(meertext…). Da die letzten gemeinsamen Vorfahren von Menschen (Säugetieren) und Kraken (Weichtieren) sicherlich mehr als 541 Millionen Jahre zurück in der grauen Vorzeit des Präkambriums liegen und die achtarmigen Meeresbewohner so ganz anders als wir Tetrapoden sind, werden Kopffüßer gern als Vergleiche für intelligente extraterrestrische Wesen herangezogen. Sie sind auf der Erde die denkbar fremdartigste Form von Intelligenz.
Die Evolution einer Kultur gestehen Verhaltensbiologen bisher einzelnen Walarten (bisher Pottwale, Orcas und Buckelwalen) und Menschenaffen zu. Kultur bezeichnet dabei das Lernen und Tradieren von gelernten Verhaltensweisen innerhalb einer Gruppe, die aus mehr Mitgliedern als der Mutter-Kind-Gruppe besteht.
Eine vollständig andere Form von Intelligenz und sozialer Organisation liegt bei Insekten vor, die allerdings noch schwieriger zu verstehen und bewerten ist.
Ein besonders ambitioniertes Gedankenexperiment des „Cosmic Zoo“ ist dann noch der Einschub zur hohen Encephaliserung einiger Dinosaurier, nämlich der Raptoren. Dabei stellen sie den besonders verkopften Troodon mit einem großen Gehirn sowie den Armen und Händen zum Zugreifen vor, mit den Worten vor: „We do not believe that technologically intelligent dinosaurs existed. But we cannot be sure. When we say „Humans are the only species to evolve technological intelligence”, we should add “probably” …” (S. 174).
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