Ein aufgerissenes Maul voller durchsichtiger Zähne, eine tödliche Falle für alles, was dort hineingerät. Die Zähne stehen dicht an dicht und sind nach hinten gebogen – versucht eine Beute, zu entkommen, spießt sie sich mit jeder Zuckung weiter auf. Durchsichtige Glubschaugen vervollständigen den scheinbar grimmigen Gesichtausdruck, der durch das oberständige Maul suggeriert wird. Hoch über den Kopf erhoben trägt der Fisch eine Angel mit einem Leuchtorgan. Hinter dem Maul beginnt ein mehr oder weniger großer faltiger Sack in Braun-Rosa-Schwarz, einige Flossen mit dicken Flossenstrahlen und durchsichtiger Haut vervollständigen die Erscheinung: ein Tiefsee-Anglerfisch!
Die Familie der Tiefsee-Angerfische (Ceratioidei) ist eine Unterfamilie der Anglerfische. Sie sind Ikonen des harten und andersartigen Lebens in den dunklen Abgründen der Tiefsee, die den meisten Menschen einen Schauder über den Rücken jagen.
Der Schauder verdoppelt sich, wenn man mehr über sie erfährt: Die Männchen sind auf ihre Funktion als Samenspender reduziert und winzig, sie hängen festgewachsen an dem wesentlich größeren Weibchen. Manche von ihnen sind gerade noch 6 bis 7 Millimeter groß, während die Weibchen meistens zwischen 10 und 25 Zentimetern groß werden. Dabei lassen schreckliche Namen wie Peitschenangler, Fächerflosser oder Teufelsangler eigentlich wesentlich größere Meeresmonster vermuten.
Ein jetzt veröffentlichtes Video zeigt eine Aufnahme eines solchen verwachsenen Pärchens in ihrem Lebensraum in 800 Metern Tiefe: Ein Fächerflossen-Anglerfisch-Weibchen schwimmt in einem Glorienschein ihrer extrem verlängerten und leuchtenden Flossenfortsätze. An ihrem Bauch, als kleines, bräunliches, sackartiges Anhängsel, ihr Gefährte und Samenspender. Sein Kopf ist bereits in ihrer Bauchwand verschwunden.
Dieses Video der deutschen Extremtaucher Kirsten und Joachim Jakobsen, die mit ihrem selbst konstruierten Tauchboot vor den Azoren vertikal unterwegs waren, zeigt zum ersten Mal ein glückliches Paar Tiefseeangler (Das Video stammt von 2016, ist jetzt aber erst publiziert worden).
Die Momentaufnahme aus dem Leben von Mrs. und Mr. Tiefseeangler hat den Tiefseefisch-Forscher Ted Pietsch in Begeisterung versetzt: “I’ve been studying these [animals] for most of my life and I’ve never seen anything like it,” erklärt Ted Pietsch (University of Washington in Seattle). Seine Begeisterung ist verständlich. Die meisten seiner Forschungsobjekte sind tote Fische, die oft seit Jahren oder Jahrzehnten in Alkohol liegen und ausgeblichen und verformt sind. Videos von lebenden Tieren hingegen gibt es nur eine Handvoll. “So you can see how rare and important this discovery is,” erklärte Pietsch gegenüber dem Science Magazine “It was really a shocker for me.”
Ted Pietsch ist ein Experte für diese Tiefseekreaturen, Kirsten und Joachim Jakobsen hatten ihm das Video geschickt; Pietsch hat die Meereskreaturen als Caulophryne jordani identifiziert.
Die antennenartigen Fortsätze des Fisches sind außergewöhnlich. Pietsch interpretiert sie als sensorisches Netzwerk, ähnlich den hoch empfindlichen Schnurrhaaren von Katzen. (meertext: Da Katzen sehr selten im freien Wasser schwimmen, fallen mir dazu allerdings eher die Schnurrhaare (Vibrissen) von Robben ein, mit denen sie die Spur ihrer Beute im Wasser nachspüren können.)
Im Tiefseeangler-Netz sind leuchtenden Punkte zu sehen, die Pietsch als mögliche Bioluminiszenz interpretiert. Das beleuchtete Netz könnte mehrere Funktionen haben: Zunächst könnte es Beute anziehen. Weiterhin könnte sich der gar nicht große Tiefseeangler damit wesentlich größer erscheinen lassen und mögliche Freßfeinde verscheuchen.
Rätselhafte Tiefseewesen
Pietsch hat übrigens das Buch „Oceanic Anglerfishes: Extraordinary Diversity in the Deep Sea” geschrieben und dabei natürlich nicht nur die Biologie dieser Tiere vorgestellt, sondern auch ihre Erforschungsgeschichte.
Seit dem 19. Jahrhundert sind Tiefsee-Anglerfische der Wissenschaft bereits bekannt, Forscher fragten sich allerdings lange, wo denn die Männchen dieser Tiefseefische sein mögen. Alle untersuchten Anglerfische stellten sich stets als Weibchen heraus. Sie fingen zwar auch äußerlich ähnlich aussehende Fische, die aber wesentlich kleiner waren und weder das große bezahnte Maul noch die namensgebende Angel hatten. So ordneten sie diese zunächst in anderen taxonomischen Gruppen ein.
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