Bildergebnis für yuri dayZum Gedenken an den wagemutigen Kosmonauten Yuri Gagarin, der am 12. April 1961 unerschrocken als erster Mensch ins All flog, wird jährlich am 12.04 die Yuris Night gefeiert. So auch in diesem Jahr bei ESOC (European Space Operations Centre) in Darmstadt (Intestine City at the banks of Darmbach).
Rainer Kresken referierte über die Entwicklung der sowjetischen Raketentechnik und den Flug Yuri Gagarins zu den Sternen (wunderbarer Vortrag!), anschließend gab es das übliche Fragen-und-Antwort-Spiel mit dem Referenten. Alles lief innerhalb der normalen Parameter innerhalb einer ausgelassen Space Community, bis zu dieser Frage: „Es gibt Gerüchte, dass Gagarins Flug am 12. April 1961 nicht der erste war. Davor soll angeblich schon ein missglückter Start gewesen sein. Was ist da ´dran und wie ist es zu dieser Verschwörungstheorie gekommen?“.
Diese Verschwörungstheorie war mir neu. Ich habe mich also durch einige Bücher geblättert – hier ist die Story. Da mir u. a. „Lügen im Weltraum“ von Gerhard Wisnewski in die Hände fiel, bezieht sich ein erheblicher Teil des Beitrags auf dessen Darstellung der Gagarin-Verschwörung.

Die Brüder Judica-Cordiglia
Die italienischen Amateurfunker Achille und Gian-Battista Judica-Cordiglia hatten lange vor Gagarins Flug eine Funkanlage zum Abhören sowjetischer Satelliten eingerichtet. 1961, kurz vor Gagarins Start, haben sie damit Stimmen aufgefangen – eine stark verzerrte weibliche und mehrere männliche – die russisch sprachen. Ihre Beobachtungen und Schlussfolgerungen waren so aufsehenerregend, dass der Reader´s Digest und andere Medien darüber berichteten. Bereits vor Gagarin sollen mehrere Kosmonauten und auch eine Kosmonautin ins All geschossen worden sein, über die aber nicht berichtet wurde. Waren diese unbekannten, undokumentierten Raumfahrer umgekommen? Umkreisen heute einige der Nachwelt unbekannte tote Kosmonauten gefroren die Erde? (Space debris, nennt man das heute.)

Soweit nachzulesen in Gerhard Wisnewskis „Lügen im Weltraum“, auf S. 19. im Kapitel „Verschollen im Weltraum.

Hier ist ein Video zur Cordiglia-Verschwörung:

 

Zweifel an der Provenienz
Wikipedia schreibt über die Judica-Cordiglia-Brüder und ihre Funkstation: „Achille (b. Paderno Dugnano, 1933 – d. Turin, 2015) and his brother Giovanni Battista (b. Erba, 1939) set up their own experimental listening station just outside Turin in the late 1950s. The brothers used a disused German bunker at a site named Torre Bert. Working with scavenged and improvised equipment, they claimed to have successfully monitored transmissions from the Soviet Sputnik program and Explorer 1, the first American satellite, using equipment that recorded flight information such as telemetry, voice recordings and visual data.”
https://en.wikipedia.org/wiki/Judica-Cordiglia_brothers

Der Eintrag merkt an, dass es seit den 60-er Jahren erhebliche Zweifel an der Provenienz dieser Beobachtungen und der Schlussfolgerungen gibt.
Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass dieses Brüderpaar mit seinen Beobachtungen und Interpretationen extrem allein da steht. Andere Amateurfunker scheinen diese Funksprüche nicht aufgefangen zu haben.


Phantom cosmonauts
In „Rocket Men: Vostok and Voshok”, einem Sachbuch zur frühen bemannten Raumfahrt der Sowjetunion, ist ein Kapitel namens „Phantom cosmonauts“ (auf S. 144 der Ausgabe 2002) enthalten.
Dort werden die Gerüchte aufgegriffen, dass es vor Gagarins Flug bereits misslungene Flüge und Unfälle gegeben habe.
Grund dafür sind eine Reihe unbemannter Flüge, die einzelne Komponenten des Raumfahrzeugs testen sollten.

Manche Gerüchte berichten von der Bergung lebloser Kosmonauten, die keine menschlichen Gesichter hatten.
Die Grundlage dieses Gerüchts ist, dass mindestens zwei Flüge mit Dummies („Mannequin“) in Druckanzügen und mit Helm stattgefunden haben. Dabei ging es unter anderem um die Erprobung der Lageregelung der Kapsel beim Wiedereintritt in die Atmosphäre. Bei der Bergung der Dummies waren ortsansässige Bauern anwesend, die später von leblosen und gesichtslosen Kosmonauten berichteten. Kein Wunder, es waren ja auch Space-Crashtest-Dummies.

Bei einigen anderen unbemannten Flügen sollte die Funkverbindung erprobt werden: Ein Tonband an Bord des Raumschiffes war die Stimme aus dem All. Mit der Auswahl der Tonspur hatten sich die Raumfahrt-Offiziellen schwer getan. Auf keinen Fall sollte es bedrohlich klingen, im Kalten Krieg war die Lage diffizil und Spionage an der Tagesordnung. Der Vorschlag, harmlos klingende Lieder abzuspielen, wurde schnell wieder verworfen. Zu nahe lag die falsche Schlussfolgerung eines im All durchgedrehten und deshalb singenden Kosmonauten. Stattdessen einigte man sich schließlich auf einen ganzen Chor – der im Leben nicht in die Raumkapsel gepasst – und das Rezitieren russischer Suppenrezepte: „Finally, in order to  prove that this was nothing more than a taped message, they decided,  to use a recording  of a whole choir and a voice reciting Russian soup recipes.“
Dabei war wohl auch eine weibliche Stimme, die über die Brüder Judica-Cordiglia dafür sorgen sollte, das Gerücht einer verunglückten Kosmonautin in die Welt zu setzen. Lange bevor Walentina Wladimirowna Tereschkowa dann wirklich als erste Frau ins All flog.
(Ob ein Borschtsch-Rezept dabei war, konnte ich leider nicht recherchieren, das ist tatsächlich eine nicht bewiesene Behauptung meinerseits.)
Andere Kosmonauten sollen auf geheimnisvolle Weise verschwunden sein. Diesem Gerücht lag wohl zugrunde, dass auf manchen offiziellen Photos eine ganze Reihe von Kosmonauten im Training abgebildet waren, die später nie wieder auftauchten. Das, so die „Rocket Men“-Autoren lag vor allem daran, dass nicht alle Personen, die am Training teilnahmen, auch wirklich ins All geflogen sind. Viele von ihnen sind einfach sang- und klanglos in anderen Projekten “verschwunden”: „of the twenty men selected in 1960, only twelve actually made a spaceflight“.
Für Journalisten auf der Suche nach Schlagzeilen natürlich eine Steilvorlage. Wegen der extremen Informationsarmut und Wortkargheit der UdSSR-Offiziellen musste auch niemand eine Richtigstellung befürchten.

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Kommentare (18)

  1. #1 stone1
    https://onestoneblog.wordpress.com/2018/04/12/eine-ominoese-buechse/
    14. April 2018

    Ungewöhnlich, ein Beitrag ganz ohne Meer. Von dieser VT hab ich noch nie gehört, immerhin ist sie nicht ganz so absurd wie die Nicht-Mondlandungsgeschichte oder gar die Flacherde. Sensationell, die haben bei der bemannten Raumfahrt doch gleich mit einem ganzen Chor angefangen statt nur mit einem einzelnen Spaceboy. Wer hätte das gedacht? ; )

    Zufälligerweise hab ich heute schon mal nach einem speziellen Song gesucht und jetzt wurde er auch gefunden, der passt hier eigentlich auch ganz gut.

  2. #2 rolak
    14. April 2018

    Soweit nachzulesen in ..

    Wird doch wohl hoffentlich keiner als Kaufanreiz empfinden – eine dem für Wisnewski-Publikationen angemessenen Ideal ‘Kopie auf gebrauchtem Klopapier’ sich nähernde Version kann ggfs verliehen werden.

    Schöner Bericht über die Auseinandersetzung mit einem Gerücht, Bettina!

    Ergänzend zu stone1s Vorschlag noch einen Brocken aus alten KonzertTagen.
    weia, 45y ago…

  3. #3 RPGNo1
    14. April 2018

    Gerhard Wisnewski ist komplett in die VT-Szene abgetaucht. Psiram hat einen sehr guten Artikel dazu:
    https://www.psiram.com/de/index.php/Gerhard_Wisnewski

  4. #4 Bettina Wurche
    14. April 2018

    @stone1: Der Song ist wirklich so richtig spacig, danke! Naja, seit ich in Südhessen gestrandet bin, gerate ich halt häufiger in die christliche Raumfahrt und nicht mehr so oft in die Seefahrt. Aber die nächsten Meeresstories sind natürlich geplant : )

  5. #5 Bettina Wurche
    14. April 2018

    @rolak: Danke für diese Einschätzung, die sich mit meiner deckt. Darum habe ich ja auch noch das Video, wie Rainer einige behauptungen Wisnewskis zerpflückt, angehängt. Das war kein Kaufanreiz, sondern eine Quellenangabe. Auch Dir danke für den Song.

  6. #6 Bettina Wurche
    14. April 2018

    @RPGNo1: Da ist er nicht der einzige, dem sein VT-Geschreibsel auf die Füße fällt, dazu kenne ich noch ein paar Geschichten : ))) Der Eintrag bei Psiram liest sich schon fast wie eine Diagnose. Michelle Obama soll ein Mann sein…wie kommt man auf so etwas? Naja, ich treffe leider regelmäßig solche seltsamen Zeitgenossen. Kürzlich musste ich im bioversum (Stiftung Hessischer Jägerhof) vor die Kamera, wir konnten einen Beitrag über Klimawandel bei “Alle Wetter” (hr) platzieren. Ich führte die Versuche vor, die wir für eine Familienveranstaltung geplant hatten und erzählte dazu ein bißchen was. Drei Tage später liegt ein dicker Brief auf meinem Schreibtisch: Ich hatte mir prompt einen Klimawandeltroll eingefangen. Unseren Praktikanten musste ich dann erst einmal erklären, was ein Klimawandeltroll ist – die haben richtig was gelernt an dem Vormittag. Und mein Mann sagte abends zu mir: “Jetzt hast Du im Leben alles erreicht!”
    Mein Blog scheint für Trolle mittlerweile völlig unattraktiv zu sein, ich hatte eigentlich ein paar entsprechende Posts zur Mondlandungs-Archäologie erwartet : )

  7. #7 rolak
    14. April 2018

    Ja selbstverständlich ist Dein Text kein Kaufanreiz, Bettina – das galt nur denjenigen, die ihn als solchen fehlinterpretieren.

  8. #8 RPGNo1
    14. April 2018

    @Bettina
    Du hast nur nicht das richtige Thema: Die Mondlandungsverschwörung ist momentan einfach nicht en vogue. 🙂

    Wenn du was über Reichsbürger oder Chemtrails schreiben würdest, ja dann…
    Selbst ein Pizzagate (https://blog.gwup.net/2018/04/09/hey-kollegah-wir-stehen-bei-dir-schlange-um-uns-die-25-000-euro-fuer-pizzagate-abzuholen/) oder die “Methadonverschwörung” (https://blog.gwup.net/2017/09/23/wie-clickbait-schleudern-den-methadon-hype-ausnutzen/#comment-135095) bringt mehr Klicks. 😉

  9. #9 tomtoo
    14. April 2018

    @Bettina
    “…Mondlandungs-Archäologie…”troll ?
    Du meinst einen der fragt ob es mehr Katzen oder Hunde auf dem Mond gibt ?
    Haste doch ; )

  10. #10 Bettina Wurche
    14. April 2018

    @tomtoo: Neeee…ich hatte erwartet, dass ein Mondlandungsleugner auftaucht. VT über Hunde und Katzen auf dem Mond? Dort hoppelt doch nur der Jadahase umher.

  11. #11 tomtoo
    14. April 2018

    @Bettina
    Hasen ? Sry, du bist Biologin, aber wie sollen es die gegen alle die Katzen und Hunde durchstehen ? Meinst du da reicht einfach die Vermehrungsrate ? Ok, da gibt’s Krater, erleichtert den Bau von untermondischen Bauten. *kopfklatsch* Gar nicht dran gedacht!
    ; )

  12. #12 Michael
    Brühl
    14. April 2018

    Sehr guter Beitrag. Herzlichen Dank dafür. Es gilt wie immer: Leugnen ist weder Indiz noch Beweis.

  13. #13 Alderamin
    16. April 2018

    Schöner Artikel. Von der Gagarin-VT hatte ich nochj nichts gehört (nur von solchen, die sich um seine Tod drehen, war neulich auf WDR2 im Zeitzeichen).

    Und Rainer im TV, im Raumanzug mit der letzten Mond-Hasselblad, Klasse!

  14. #14 gedankenknick
    16. April 2018

    Quatsch Hasen, Katzen, Hunde, Mäuse (wegen dem Käse, aus dem der Mond besteht)! Alles Fake-News! Auf dem Mond gibt es Drachen. Weiß doch jeder! Zumindest jeder, der “Wahre Helden” gelesen hat…

    Siehe auch hier: https://www.thediscworld.de/index.php/Monddrachen 😉

  15. #15 Bettina Wurche
    16. April 2018

    @Alderamin: Ja, das Video ist immer wieder guckenswert. Um das Anprobierendürfen des Raumanzugs und Handschuhs udn einmal DIESE Hasselblad in den Händen zu halten, darum habe ich ihn heiß beneidet.

  16. #16 Bettina Wurche
    16. April 2018

    @gedankenknick: Nicht zu vergessen, die Mondmotte. https://jedipedia.wikia.com/wiki/Mondmotte_(Tier)
    Wir halten fest: Auf dem Mond läuft eine größere Menagerie herum.

  17. #17 tomtoo
    16. April 2018

    Kein Wunder das die Schutzanzüge anhaten. Bei all dem Viechzeugs.

  18. #18 Andreas
    17. April 2018

    Wisnewski ist etwas für Masochisten.